Neue Studie: Auch der Wandel religiöser Überzeugungen spielt eine Rolle bei der landwirtschaftlichen Nutzung von Ressourcen

New York / Heidelberg, 27. Mai 2010

Entscheidungen, wie Land zu nutzen ist, hängen nicht nur von Klimawandel, Migration, Bevölkerungswachstum und florierenden Volkswirtschaften ab, sondern werden auch von religiösen Überzeu-gungen geprägt. So richten sich beispielsweise die Amazigh, ein Berbervolk im Hohen Atlasgebirge Marokkos, bei der Nutzung von Land und natürlichen Ressourcen nach ihren Heiligen als Ausdruck ihrer individuellen Glaubensauffassung. In ihrer Studie, die jetzt online im Springer-Journal Human Ecology erscheint, haben Dr. Pablo Dominguez und seine Kollegen von der Universität Autònoma de Barcelona in Spanien festgestellt, dass neue wirtschaftliche Nutzformen zunehmend nach kurzfristigen Erträgen und ganz individualistischen Überlegungen getroffen werden. Dies korreliert mit der schwin-denden Bedeutung des religiösen Glaubens. Solange der Glaube an die alten Heiligen noch eine Rolle spielte, wurde das Land gemeinschaftlich genutzt und der Ertrag eher langfristig betrachtet.

Bisher haben Wissenschaftler der Rolle individueller religiöser Überzeugungen bei Veränderungspro-zessen in der Aufteilung und Nutzung von Land und den natürlichen Ressourcen nur wenig Aufmerk-samkeit geschenkt. Dominguez und seine Kollegen decken mit ihrer Fallstudie aus dem Hohen Atlas in Marokko einen Zusammenhang auf, zwischen dem Glauben der Menschen an dortige islamische Heilige und der sich wandelnden Nutzung bewirtschafteter Weideflächen. Historisch betrachtet folgten die Amazigh einer traditionellen Nutzung von gemeinsamem Acker- und Weideland, die auf dem Agdal basierte. Dieses Verbot sah vor, dass vor allem im Frühjahr das gemeinsame Weideland nicht genutzt werden durfte, um so zum Sommerbeginn bessere Weideflächen vorzufinden. Das Agdal-Verbot ist tief verwurzelt in religiösen Überzeugungen und Praktiken.

Verteilt über eine Zeitraum von fünf Jahren (2003-2008) hatten Dominguez und sein Team 80 Haushalte im Dorf Warzazt insgesamt zwölf Monate lang zu ihrer landwirtschaftlichen Nutzungsweise beobachtet und befragt. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang gibt, zwischen der nachlassenden Bedeutung der traditionellen Heiligenverehrung und der landwirtschaftlichen Expansion sowie der Einführung einer neuen Schafrasse (der Sardi-Züchtung).

Die Autoren schlussfolgern: „Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass auch der Wandel religiöser Über-zeugungen neben Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Migration, technischem Fortschritt und wirt-schaftlichen Ursachen als Grund angeführt werden muss, der zu einer Veränderung in der Nutzung natürlicher Ressourcen führen kann. Unsere Studie zeigt klar, dass sowohl das Vorhandensein als auch das Fehlen individueller religiöser Überzeugungen keine zu vernachlässigende Rolle bei der Nutzung von Weideflächen spielen kann.“

Quelle
1. Dominguez P et al (2010). Relationships between religious beliefs and mountain pasture uses: a case study in the High Atlas Mountains of Marrakech, Morocco. Human Ecology; DOI 10.1007/s10745-010-9321-7

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