In seinem Kommentar zum Euro-Gipfel sagt GT-Wirtschaftsautor Peter Haisenko: S&P drohen den Euro-Staaten mit Derating. Kanzlerin Merkel nimmt´s gelassen. Gut so? Ja und nein. Gerade zum Start des morgigen Gipfeltreffens ist es sicher gut, auf die politisch gewollte Kriegserklärung der amerikanischen Ratingagenturen nicht mit Panik zu reagieren.

Haisenko weiter: Eine Wahrheit darf die Kanzlerin dennoch nicht verschweigen: Die Ratings haben massive Auswirkungen auf die deutsche Finanz-Wirtschaft.

Die deutschen Lebensversicherer zum Beispiel sind an die Ratings per Gesetz gebunden. Sie dürfen nur Staatsanleihen kaufen, die eine Spitzenbewertung der Amerikaner genießen. (Stündlich minutenlang quälen uns unqualifizierte Wirtschafts-Kommentatoren in allen möglichen TV-Sendern mit ihren unmaßgeblichen Meinungen – doch diese Folge eines Wirtschaftsangriffs aus den USA und England hat bisher keine der Sendeanstalten ihren Zuschauern erklärt.)

Gut so? Könnte man meinen. Der Hörer/Zuschauer soll nicht beunruhigt werden – und unterm Strich die werthaltigste Anlage in seine Depots geschoben bekommen?

Doch damit sind die Fehler in der „Berichterstattung“ programmiert. Denn die Folgen der S&P-Attacke sind so vielfältig, dass es an Nachrichtenunterdrückung grenzt, sie nicht zu erklären. Auch wenn sie kaum in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen sind. Einmal abgesehen davon, dass ich es für ausgesprochen zweifelhaft erachte, wenn der deutsche Gesetzgeber die Lebensversicherer abhängig von etwas macht, dessen Kriterien weder offenliegen noch von ihm kontrolliert werden können. Die Ratings geben den eiskalten Finanzkriegern aus Übersee einen Hebel in die Hand, dessen Auswirkungen fataler nicht sein könnten.
Erklärung:

Nehmen wir an, die Euro-Staaten werden tatsächlich ihres Spitzenstatus beraubt. Dann darf fortan kein deutscher Lebensversicherer mehr Euro-Staatsanleihen kaufen.

Das hat mindestens drei Folgen.

1. Einer der größten Aufkäufer für Euro-Staatsanleihen entfällt und damit sind diese noch schwerer an den Mann zu bringen. Man wird noch abhängiger von Investoren, die nicht im Euro-Raum beheimatet und an der Lebensqualität der Menschen hierzulande überhaupt nicht interessiert sind.

2. Amerikanische Hedgefonds können durch Kaufzurückhaltung die Zinsen in die von ihnen gewünschte Höhe treiben.

3. Außerdem müssten deutsche Lebensversicherer in fremde Staatsanleihen ausweichen. Das stärkt den Dollar und macht Zinsen in diesem Bereich günstiger.

Angesichts des angedrohten Deratings wird die – tatsächlich sehr wahrscheinliche – Verschwörung der postkolonialen Politik des Empire und seines Schwertes, der USA mit ihren Ratingagenturen, sichtbar. Und deren Aggressions-Berechtigung natürlich abgelehnt.

Das ist gut und richtig so, reicht aber nicht: Tatsächlich handelt es sich nämlich nicht nur um etwas so Niedliches wie eine Verschwörung.

Es ist offener Krieg gegen den Euro.

Realistisch betrachtet, dürfte die Zukunft keines einzigen Landes der Welt positiv bewertet werden. (Von Steueroasen und Ölproduzenten sehe ich einmal ausdrücklich ab. Außer diesen wird kein Land in der Lage sein, jemals seine Schulden zu begleichen.) Ausnahme ist ausgerechnet ein deutsches Bundesland, das tatsächlich Schulden abbaut – dafür zynischerweise auch noch vom Rechnungshof gescholten wird: Bayern wird 2012 nicht nur seine Zinszahlungen bedienen, es wird 250 Millionen Euro Schulden real ablösen. Alle anderen werden weiterhin anwachsende Schuldenberge und die Zinsen darauf stemmen müssen.

Allein Deutschland müsste für eine Dauer von etwa 50 Jahren jedes Jahr, beginnend jetzt, 100 Milliarden für Schuldenzins und Schuldenabbau aufbringen, damit es dann schuldenfrei sein könnte.

(Wäre ich eine Ratingagentur, würde ich alle Staaten auf Ramschstatus setzen, denn es betrifft tatsächlich alle Staaten: Sie können noch nicht einmal ihre Zinsen bedienen, ohne ihre Nettoneuverschuldung zu erhöhen. Jedes Privatunternehmen hätte unter diesen Umständen schon längst Konkurs anmelden müssen. In dieser Hinsicht mache ich den Ratingagenturen keine Vorwürfe.)

Allerdings müssen sich die Ratingagenturen Parteilichkeit vorwerfen lassen. Sie werden massiv politisch beeinflusst, gerieren sich dabei als wirtschaftliche Überregierung, die der Politik mit Derating droht, wenn die Euro-Staaten nicht so verfahren, wie es die Agenturen fordern.

Das ist eine offene Kriegserklärung, zumal die Forderungen dieser „Zwerge Allwissend“ alles andere als eine taugliche Lösung der Krise sein können.

Wenn etwa die Euro-Staaten aufgefordert werden, in ähnlich verantwortungsloser Weise wie die USA einfach Geld zu drucken, so muss man kein Finanzfachmann sein, um zu erkennen, dass dieser Weg keine annähernd nachhaltige Lösung der Krise sein kann: Die „Delinquenten“ würden dann nämlich auch genau dort landen, wo die USA und England heute schon stehen – direkt über dem Abgrund.

Die Parteilichkeit ist unübersehbar. Euro-Land wird abgewatscht!

Nicht mit Sanktionen bedroht werden von S&P übrigens ausgerechnet diese übelsten der Zocker unter den Schuldensündern, obwohl gerade der Ausblick für die USA und England wesentlich schlechter ist als selbst der für Griechenland. Nach den Kriterien der Ratingagenturen werden über Kurz oder Lang nur noch die Staaten Bestnoten erhalten, die keinerlei produktive Industrie haben. Die Länder, die vom Schwarzgeld der Steuerflüchtlinge leben und somit zumindest einen Teil der Krise zu verantworten haben. Liechtenstein, Bahamas …

Der Welt des Ratings fehlt jede Sozialhygiene.

Die Ratingagenturen haben sich ihre eigene Welt gebastelt, in der nur Geld zählt. Sie beurteilen das, was sie für „Gut“ und „Böse“ halten, fernab der Realität. Sie missachten die Außenhandelsbilanzen vollständig, obwohl genau die ein Kriterium dafür sind, ob ein Land in der Lage sein könnte, in Zukunft Schulden gegenüber dem Ausland zu begleichen.
Das hat Methode und beweist die Parteilichkeit.

Die zwei Länder mit den größten, akkumulierten Außenhandelsdefiziten, also den größten Auslandsschulden, sind die USA und England – die Heimat der Ratingagenturen.

Für Politik, die sich einen Hauch von Anstand noch bewahrt hat, ist allein dieser Umstand an Peinlichkeit nicht zu überbieten.

Mit ihrem Angriff gegen den Euro versuchen die Ratingagenturen, den US-Dollar zu retten, damit die Basis für den „american way of live“ und selbstverständlich ihr eigenes, unverschämt hohes Einkommen. Die Wirtschaftskraft der USA wird mit einem positiven Ausblick bewertet, obwohl gerade in diesem Land massivste Umstrukturierungen nötig wären, um jemals wieder eine ausgeglichene Handelsbilanz erreichen zu können. Aber in der Welt der Ratingagenturen erhält ein Land offensichtlich dann beste Noten, wenn es seine Gelddruckmaschine gut geschmiert hat.

Der Teufel steckt immer im Detail. Deshalb sind von S&P schon mal vorab Eurobonds mit einem negativen Ausblick versehen worden, obwohl sie noch gar nicht existieren und ihre genauen Ausgabekriterien – sofern sie überhaupt kommen – noch nicht einmal ansatzweise festliegen.

Wer angesichts dessen noch immer eine Verschwörung gegen den Euro als Theorie lächerlich machen will, schleimt seine Spur durchs selbe Milieu wie die Warlords der Ratingagenturen.

Es ist ein Wirtschaftskrieg des angelsächsischen Kapitals gegen den Euro – mit unlautersten Mitteln. Der Euro mit seinem Zentrum in Deutschland ist die schärfste Bedrohung für die Weiterführung der weltweiten Ausbeutung durch den Dollarraum. Dieser hat sich selbst durch die Gier seiner Finanzelite in eine aussichtslose wirtschaftliche Lage gebracht. Damit steht die Welt an einer ganz ähnlichen Stelle, wie vor 100 Jahren.

Damals war es das British Empire, das sich durch seine Konzentration auf die militärische Stärke in eine katastrophale wirtschaftliche Lage gebracht hatte. Nur der Erste Weltkrieg und der folgende Zweite konnten damals das Versinken des British Empire in der Bedeutungslosigkeit verhindern. Heute wird der Krieg mit den Waffen der „Finanzmärkte“ weitergetragen – und ist noch effektiver geworden. Ohne auch nur eine Bombe zu werfen, können ganze Volkswirtschaften vernichtet oder unter Kontrolle gebracht werden.

Was mich auch persönlich besonders traurig macht: Ich sehe keine Aussicht auf Besserung, solange uns unsere Regierung so wie zurzeit belügt und behauptet, Deutschland hätte lediglich „über seine Verhältnisse gelebt“. Das Gegenteil ist der Fall. Deutschland und der Euro-Raum sollten den Fehdehandschuh deshalb unumwunden aufnehmen.

Europa und die europäische Politik können nur bestehen, wenn sie gemeinsam gegen die scheinbare Allmacht der scheinheiligen Allianz des unfair Play der angelsächsisch dominierten Finanzmärkte vorgehen.

Politiker dürfen nicht mehr wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren, wenn Bankster ihre Knarre ziehen, sondern müssen selbstbewusst ihre (wirtschaftliche) Stärke durch eigene Regeln demonstrieren. Die Finanztransaktionssteuer wäre da die adäquate, durch und durch gerechte, glasklare Ansage. Mögen die Engländer auch noch so sehr dagegen sein. Die Chancen auf Erfolg stehen gut, denn heute, anders als vor 100 Jahren, führt das angelsächsische Kapital nicht Krieg gegen Deutschland allein, sondern gegen die gesamte Euro-Zone und damit gegen das ganze vereinte Europa – zu dem England sowieso nicht (mehr) gehören will, wie es die Akteure des Parteitags der Tories klar und vernehmlich selbst gesagt haben.

Zwei Bücher des GT-Autors und Wirtschaftsexperten Peter Haisenko zu diesem Thema:

„Bankraub globalisiert“

„England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“ – dieses ist das richtige für Buch für alle, die wissen wollen, warum die heutige Situation der vor 100 Jahren so ähnelt und mit welch perfiden Mitteln das British Empire damals seine katastrophale Wirtschaftslage mit (realen) Kriegen verschleiert und Deutschland dafür die Verantwortung aufgezwungen hat.

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