Springer-Fachzeitschrift Animal CognitionSingvögel können Volkslieder nachpfeifen

Mit ihren geistigen Fähigkeiten können Dompfaffen menschliche Melodien erlernen und akkurat wiedergeben

Dompfaffen können von menschlichen Vorbildern lernen, Melodien genau nachzusingen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des inzwischen verstorbenen Nicolai Jürgen und Wissenschaftlern der Universität Kaiserslautern. Ihre Analyse der von Dompfaffen gesungenen menschlichen Melodien liefert Erkenntnisse über die Prozesse im Gehirn von Singvögeln. Die Ergebnisse ihrer Arbeit erscheinen online in der Springer-Fachzeitschrift Animal Cognition.

Das Musizieren wird als eine der komplexesten und anspruchsvollsten kognitiven Herausforderungen angesehen, die der menschliche Geist leisten kann. Das Singen einer Melodie erfordert die präzise Abstimmung mehrerer organisierter Tätigkeiten und die exakte Kontrolle der unterschiedlichen Tonhöhen und -längen aufeinanderfolgender Noten.

Die Lieder wild lebender Dompfaffen sind weich und enthalten Silben, die mit den Pfeiftönen menschlicher Melodien vergleichbar sind. Im 17. und 18. Jahrhundert galt es als beliebte Beschäftigung, Vögeln die Imitation menschlicher Melodien beizubringen, dabei war der Dompfaff die bevorzugte Singvogelart.

Als Grundlage der vorliegenden Studie dienten historische Daten von 15 Dompfaffen, die Jürgen Nicolai im Zeitraum von 1967 bis 1975 am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen gehalten und ihre Gesänge aufgezeichnet hatte. Die Vögel wurden von Hand aufgezogen. Während des ersten Lebensjahres wurden ihnen täglich die gleichen Lautfolgen von deutschen Volksliedern vorgepfiffen. Die Wissenschaftler untersuchten, ob sich die Dompfaffen ähnlich wie Menschen die Notenabfolge von Melodien in kleineren Untereinheiten (Segmente bzw. „Module“) oder die gesamte Melodie als lineare Kette – was viel einfacher ist – merkten. Die Forscher analysierten auch die Genauigkeit, mit der die Dompfaffen die Melodie wiedergaben und wie der Vogel weitersingt, wenn der menschliche Partner eine Pause einlegt. Sie konzentrierten sich darauf, ob der Vogel die richtige Notensequenz zum richtigen Zeitpunkt wählte – dies bezeichnet man als Wechselgesang.

Wenn Vögel alleine singen, rufen Sie die erlernten Melodien nicht als zusammenhängende Einheit ab, sondern in Modulen, die aus deutlich kleineren Untersequenzen von vier bis zwölf Noten bestehen. Die Wissenschaftler untersuchten die kognitiven Prozesse, mit denen der Dompfaff den richtigen Teil der Melodie weitersingt, wenn sein menschlicher Partner mit dem Gesang aufhört. Sie fanden Beweise dafür, dass die Vögel ihre eingeprägte Notensequenz auf die gehörte Melodie abstimmen können, sobald der Mensch wieder mit dem Pfeifen beginnt. Die Vögel erahnen den Lauf der Melodie und wählen den richtigen Einsatz, wenn der menschliche Partner pausiert.

Die Autoren kommen zu der Schlussfolgerung: „Dompfaffen sind in der Lage, die komplexe und anspruchsvolle kognitive Herausforderung zu meistern, eine vom Menschen vorgegebene Melodie mit ihren rhythmischen und melodischen Komplexitäten wahrzunehmen. Sie können auch lernen, diese akkurat nachzusingen.“

Quelle
Nicolai, J. et al (2013). Human melody singing by bullfinches (Pyrrhula pyrrula) gives hints about a cognitive note sequence processing. Animal Cognition. DOI 10.1007/s10071-013-0647-6

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