Filme, die an unsere kognitiven Grenzen gehen
Studie zeigt, dass moderne „Hyperlink-Filme“ den Normen sozialer Netzwerke entsprechen
Hyperlink-Filme spiegeln die globalisierte Welt von heute wider. Dabei verwenden sie spannungserzeugende Kinoelemente und parallel laufende Handlungsstränge, um den Eindruck einer sozial vielseitig vernetzten Welt zu erzeugen. Allerdings sind Hyperlink-Filme wie Crash, Babel und Love Actually nicht so neu und innovativ wie angenommen und entsprechen auch weiterhin konventionellen sozialen Mustern. Diese Forschungsergebnisse von Jaimie Krems von der Arizona State University in den USA und Robin Dunbar von der University of Oxford in Großbritannien erscheinen online in der Springer-Fachzeitschrift Human Nature.
Das Hyperlink-Kino setzt kinotechnische Effekte wie Rückblenden, eingeworfene Szenen außerhalb der chronologischen Reihenfolge, Bildschirmteilungen und Off-Stimmen ein, um ein interagierendes soziales Netz von Handlungen und Charakteren über Raum und Zeit hinweg zu erzeugen. Das vermittelt den Eindruck, dass sich die Lebenswege der Menschen auf eine Art und Weise kreuzen, wie es ohne moderne Reise- und Kommunikationstechnik nicht möglich wäre.
Krems und Dunbar stellten sich die Frage, ob die Größe der sozialen Gruppen und die Eigenschaften der sozialen Netzwerke in solchen Filmen stark von denen im echten Leben oder in der Belletristik abweichen. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob diese Filme die natürlichen kognitiven Beschränkungen umgehen können, die die übliche Anzahl und Qualität sozialer Beziehungen von Menschen begrenzen. In den bisher veröffentlichten Studien zeigte sich zum Beispiel, dass Gesprächsgruppen mit mehr als vier Teilnehmern häufig ins Leere laufen. Zudem fanden Dunbar und weitere Wissenschaftler heraus, dass Menschen nur in der Lage sind, ein soziales Netzwerk mit maximal 150 Personen zu pflegen. Dieses ist unterteilt in eine Unterstützungsgruppe aus 4-5 Personen, eine Sympathiegruppe mit weiteren 12 bis 15 Personen und eine Bezugsgruppe aus 30 bis 50 Personen.
Dafür wurden zwölf Hyperlink- und zehn Frauenfilme sowie Beispiele aus dem echten Leben und der Belletristik analysiert. Krems und Dunbar fanden heraus, dass alle Beispiele mit wenigen Abweichungen überwiegend den gleichen, allgemeinen sozialen Mustern der realen Welt folgten. Hyperlink-Filme zeigen durchschnittlich 31,4 Charaktere, die für den Aufbau der Handlung wichtig sind, was der Größe einer Bezugsgruppe in der heutigen Gesellschaft gleicht. Die Besetzungslisten der Filme führten eine mit Shakespeare-Stücken vergleichbare Anzahl (27,8) sprechender Charaktere auf, was einen größeren, weniger intimen Wirkungsbereich zeigt. Das Genre Frauenfilm hatte durchschnittlich 20 relevante Charaktere – dies entspricht der Größe der Sympathiegruppe und bildet damit Netzwerke von Frauen im echten Leben nach.
„Unsere evolutionär entwickelte Psyche erlaubt es uns nicht, die unsichtbare Barriere zu durchbrechen, die unsere Fähigkeit beim Umgang mit sozialen Beziehungen oder unser Verständnis für komplexe zwischenmenschliche Dramen natürlich begrenzt“, erläutert Krems. Er ist davon überzeugt, dass die mentalen Fähigkeiten eines Menschen bestimmen, inwieweit er mit grenzüberschreitenden Genres wie Hyperlink-Filmen umgehen oder sich von solchen begeistern lassen kann.
„Auch wenn digitale und andere neue Medien uns dies suggerieren wollen: Sie können uns nicht helfen, soziale Netzwerke oder größere soziale Zusammenhänge zu bewältigen. Unser Verstand ist einfach nicht in der Lage, gleichzeitig die Gefühlswelt von mehr als einer handvoll Menschen zu verstehen oder damit umzugehen“, fügt Dunbar hinzu.
Quelle: Krems, J.A. & Dunbar, R.I.M. (2013). Clique Size and Network Characteristics in Hyperlink Cinema: Constraints of Evolved Psychology, Human Nature. DOI 10.1007/s12110-013-9177-9
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