Geschlechtsöffnungen der WeibchenMit einem Keuschheitsgürtel verbindet man in der Regel eine massive, teils kunstvoll verzierte metallische Vorrichtung, die im Mittelalter zur Wahrung der Unversehrtheit der hinterbliebenen Frauen eingesetzt wurde. Dass es sich auch um eine geleeartige Masse handeln könnte, dürfte dagegen Vielen neu sein. Wie immer gibt es zu dem menschlichen Verhalten ein Pendant in der Tierwelt – So verschließen Zwergspinnenmännchen während der Begattung den Gentaltrakt des Weibchens mit einem Pfropf.

Zwergspinnen: Keuschheitsgürtel zur Sicherung der Vaterschaft

Pfropf hindert andere Spinnenmännchen an der Befruchtung

Keuschheitsgürtel sind keine reine Erfindung des Mittelalters. Viele Tierarten haben vergleichbare Schutzvorrichtungen entwickelt, um ihre Vaterschaft sicherzustellen. So verwenden Zwergspinnen-Männchen Begattungspfropfe, um den Genitaltrakt der Weibchen zu blockieren, nachdem sie sich gepaart haben. Je größer und älter der Pfropf, desto besser stehen die Chancen, dass andere Männchen keine Spermien mehr in der Samentasche des Weibchens ablegen können. Zu diesen Ergebnissen kommen Katrin Kunz und ihre Coautorinnen vom Zoologischen Institut und Museum in Greifswald in ihrer Forschung über diese europäische Spinne. Der Artikel erscheint online im Springer Fachjournal Behavioral Ecology and Sociobiology.

Die Studie stützt sich auf frühere Untersuchungen unter Leitung von Coautorin Gabriele Uhl. Diese haben gezeigt, dass Zwergspinnen-Männchen (Oedothorax retusus) Begattungspfropfe in den beiden Geschlechtsöffnungen der Weibchen hinterlassen, die Wiederverpaarungen verhindern können.

Kunz und ihre Kolleginnen gingen in ihrer Forschung einen Schritt weiter und untersuchten, in wie weit die Größe und das Alter der Pfropfe ihre Wirksamkeit bestimmen. Sie stellten fest, dass das Männchen das Pfropfmaterial in flüssigem Zustand ins Weibchen injiziert, damit es bis zu einem gewissen Grad aushärten kann, um dicht abzuschließen. Auch die Langlebigkeit der Pfropfe wurde getestet. Nachdem die Weibchen bei der ersten Begattung Pfropfe unterschiedlicher Größe von den Männchen erhalten hatten, wurden erneute Begattungen initiiert. Die Spinnenweibchen wurden anschließend unter einem Rasterelektronenmikroskop genau untersucht.

Insgesamt stellten die Wissenschaftlerinnen fest, dass kleinere Pfropfe nicht so wirksam waren wie größere. Das deutet darauf hin, dass kleinere Mengen des Pfropfmaterials leichter von nachfolgenden paarungswilligen Männchen entfernt oder überwunden werden können. Am ineffektivsten sind kleine Pfropfe kurz nach ihrer Platzierung. Dies legt nahe, dass nicht nur die Größe, sondern auch die Aushärtung des Materials, eine wichtige Rolle dabei spielen, wie gut der Pfropf funktioniert. Wenn die Pfropfe erst einmal älter als einen Tag sind, versperren sie zuverlässig den Zugang zu den weiblichen Samentaschen.

Die Untersuchungen zeigten, dass selbst bei erneuter Begattung durch nachfolgende Männchen ein Teil des Samens außerhalb des weiblichen Genitaltrakts verbleibt. Dies bestätigt die Wirksamkeit des Begattungspfropfes. Wenn es einem Männchen also gelingt beide Geschlechtsorgane eines Weibchens zu verpfropfen, sind seine Chancen, Vater der Nachkommen zu werden, sehr hoch.

„Der Begattungspfropf der Zwergspinne ist offensichtlich ein mechanisches Hindernis für rivalisierende Männchen“, sagt Kunz. „Begattungspfropfe sind leistungsfähige mechanische Schutzvorrichtungen, deren Wirksamkeit von ihrer Größe und ihrem Alter abhängt.“

Quelle: Kunz, K. et al (2014). Does the size and age of mating plugs alter their efficacy in protecting paternity? Behavioral Ecology and Sociobiology DOI 10.1007/s00265-014-1742-7

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