Neukölln ist nirgendwo – eine persönliche Betrachtung
Ramon Schack über den wohl bekanntesten Ort Deutschlands
Neukölln, Berlins schillernder Bezirk, fungierte schon vor dem Buch des Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky als Projektionsfläche für die Ängste und Albträume der Republik.
Gescheiterte Integration, Überfremdung, Islamisierung, Harz 4, Kriminalität, sozialer Verfall, all diese Phänomene, vor denen Deutschland sich fürchtet, werden in den öffentlichen Debatten gerne als „Neuköllner Verhältnisse“ subsumiert, vor denen man warnt.
„Neukölln ist überall“, behauptet Buschkowsky in seinem Buch, welches ihn reich, seinen Bezirk noch „berühmter“ gemacht hat.
Wenn Neukölln wirklich „überall“ wäre, dann müssten wir nicht weiter über diesen Bezirk im Südosten Berlins diskutieren, dann hätte dieser sein Alleinstellungsmerkmal verloren.
Dem ist aber nicht so.
In der Abgeschiedenheit seines Amtssitzes, im Rathaus von Neukölln, hat Heinz Buschkowsky die aktuelle Entwicklung Neuköllns zu einem der aufregendsten Orte der Republik übersehen oder ignoriert.
„Neukölln ist nirgendwo“, behauptet der Journalist Ramon Schack (http://www.ramon-schack.de/) . In seiner kritischen Gegenüberstellung zu Buschkowskys Buch stellt er fest: „Neukölln heute, das ist der aufregendste Ort der Republik.“
Ein explosiver und stimulierender demographischer Mix aus Schwaben und Salafisten, Hipstern und Harz-4-Empfängern, Malochern und Modedesignerinnen, kleinbürgerlich bis bettelarm, neureich und neurotisch, von hektischen unternehmerischen Aktivitäten erfasst, wobei Lebenslust, Vitalität und Frust ein einzigartiges Gefühl ergeben, welches durch den Begriff „urban“ nur sehr unzureichend erklärt wird.
Schack, der seit zweieinhalb Jahren in Neukölln lebt – freiwillig, wie er betont – nimmt die Leser mit auf seine Streifzüge durch den Kiez, einen Schmelztiegel, in dem aus dem alltäglichen Zusammenprall der Lebenswelten etwas Neues hervorgeht.
Zum Beispiel die jungen Südeuropäer, die auf der Flucht vor der Arbeits- und Perspektivlosigkeit in ihren Heimatländern als Bedienung in den alten Eck- und Stammkneipen arbeiten, wo die Alteingesessenen verkehren, die ihren Lebensraum zunehmend als bedroht und schrumpfend wahrnehmen. Andere, die auf der Schattenseite des Lebens gelandet sind und nicht mehr zurückkehrten, für die Neukölln zu einem Boulevard der zerbrochenen Träume wurde. Dann die jungen Hungrigen, die es in den Bezirk drängt, weil es jetzt hip ist, in Neukölln zu wohnen, einem Erfahrungs- und Erlebnisraum, in dem jeder unter tausend Möglichkeiten wählen und mit ein wenig Glück sein Leben neu erfinden kann, wenn es nicht an Leidenschaft und Energie fehlt.
In deren Schlepptau die Makler und Immobilienbesitzer, die ein gutes Geschäft wittern, sanieren und investieren.
Daneben Menschen wie David, der junge Journalist aus der Schweiz, Neuköllner aus Überzeugung, ständig auf Reisen zwischen Sydney und LA, der ein herzliches Verhältnis zu seiner Nachbarin pflegt, die Berlin noch nie verlassen hat und mit 40 zum ersten Mal in den Grunewald kam. Oder Rudi, der in Neukölln aufwuchs, auch einmal Schüler der Rütli-Schule war, und der sich durch sein Hobby Breakdance zu einem erfolgreichen Geschäftsmann entwickelte.
Ramon Schack hat ein Buch geschrieben, welches das öffentliche Image Neuköllns ins Wanken bringt. Eine faszinierende Momentaufnahme von einem der dynamischsten und meistdiskutierten Orte Deutschlands.
„Neukölln ist nirgendwo“ – zumindest momentan; der Bezirk befindet sich auf einer Reise, deren Geschwindigkeit permanent zunimmt, mit unbekanntem Ziel.
Bereits für viel mediale Aufmerksamkeit sorgte dabei im Vorfeld die Geschichte von Anka, der polnischen Putzfrau, der durch einen auf dem Küchentisch hinterlassenen Brief gekündigt wurde, weil sie sich weigerte, von ihrem bescheidenen Lohn auch noch das vegane und entsprechend teure Putzmittel zu kaufen. Die NZZ schrieb dazu: „Der Grund für die angeregte Diskussion ist die politische Komponente der Geschichte. So bezeichnet Schack die Verfasser des Briefes als „linkes Lehrer-Ehepaar aus Neukölln“. Die Zeitschrift „Stern“ spricht von „Ökospießern“. So stammen denn auch viele der Kritiker vom linken Flügel. Die Diskussion dreht sich schließlich darum, wie rechts eigentlich Linke seien oder wie rechts die Ökologie“.
Diese und andere Geschichten verwebt Ramon Schack in seinem Buch „Neukölln ist nirgendwo“, das in der zweiten Juni Hälfte beim Verlag 3.0 Zsolt Majsai erscheinen wird, geschickt zu einem faszinierenden Mosaikbild seines ganz persönlichen Erlebens dieses Bezirks und seiner Bewohner. Illustriert ist das Buch samt Cover mit Bildern des Fotografen Robin Schimko (http://www.robinschimko.de) , der Schack durch den Kiez begleitet und die Charakteristika dieses Ortes eindrucksvoll mit seiner Kamera eingefangen hat.
Vorbestellungen zum vergünstigten Subskriptionspreis von 10 Euro sind bis zum Erscheinungstermin Ende Juni 2013 im Verlagsshop (http://verlag-shop.com/57-neukoelln-ist-nirgendwo-9783944343747.html) möglich.
Bildrechte: Robin Schimko
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