Chefredakteurin Petersen-Lehmann im pressetext-Interview

Jutta Petersen-Lehmann, Chefredakteurin der „Neuen Apotheken Illustrierten“ (Foto: nia.de)

PTE:ORT–>Eschborn (pte/17.05.2008/12:10) # Seit 1. Mai erscheint die für deutsche Apotheken ausgelegte Kundenzeitschrift „Neue Apotheken Illustrierte“ http://www.nai.de in neuem Layout und mit neuem Heftkonzept. Als Teil einer breit angelegten Zukunftssicherungsstrategie will der herausgebende GOVI-Verlag künftig vermehrt bei jüngeren Zielgruppen punkten. Gleichzeitig soll die in erster Linie ältere Stammleserschaft nicht verloren gehen. Über die Schwierigkeiten der Kundenbindung und -gewinnung im Internetzeitalter, die Abgrenzung zu Konkurrenzprodukten und die notwendige redaktionelle Unabhängigkeit gegenüber den Wünschen der mächtigen Pharma-Industrie sprach pressetext mit der Chefredakteurin der Apotheken-Kundenzeitschrift, Jutta Petersen-Lehmann.

pressetext: Die „Neue Apotheken Illustrierte“ erscheint seit 1. Mai in neuem Layout und mit neuem Heftkonzept. Welche Strategie verfolgen Sie mit dem Relaunch?
Petersen-Lehmann: Wir wollen die Zeitschrift sozusagen nach unten öffnen, d.h. jüngere Lesergruppen zusätzlich ansprechen ohne die Stammleserschaft zu verlieren. Dazu haben wir sowohl das Heftkonzept etwas verändert als auch das Layout komplett neu gestaltet. Den Relaunch sehen wir als wichtigen Schritt zur Zukunftssicherung.

pressetext: Sie sind nach der „Apotheken Umschau“ die Nummer zwei am Markt in Deutschland. Wie schaffen Sie es, sich von Ihren Mitbewerbern abzugrenzen?
Petersen-Lehmann: Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang vor allem unser Heftkonzept. Im Gegensatz zu Mitbewerbern sind wir thematisch breiter aufgestellt. So bieten wir für alle Sonderzielgruppen wie die junge Familie, die Diabetiker und Senioren Bestandteile im Blatt. Insofern sind wir – auch durch einen sehr niedrigen Heftpreis insgesamt – viel ökonomischer für die Apotheke. Überdies verfolgen wir mit unserer Zeitschrift eher den Illustrierten-Anspruch. Demnach haben wir nicht nur Medizin im Heft, sondern auch einen Unterhaltungsteil. Nicht zuletzt informieren wir als Standesorgan der Deutschen Apothekerschaft weit mehr als andere Produkte dieser Art ausführlich über gesundheitspolitische Belange.

pressetext: Kundenzeitschriften in der Apotheke werden mehrheitlich von älteren Patienten gelesen. Die „Neue Apotheken Illustrierte“ versteht sich aber im Gegensatz dazu als Kundenbindungsinstrument für alle Apothekenkunden, auch jüngere Zielgruppen. Ist das nicht ein schwieriger Spagat, der da zu bewältigen ist?
Petersen-Lehmann: Dadurch, dass wir jetzt insgesamt unser Themenspektrum erweitern und bewusst auch jüngere Zielgruppen ansprechen wollen, versuchen wir sicherlich einen Spagat. Wir haben dazu schon im letzten Jahr die Seitenzahl erhöht, um der Redaktion mehr Raum zu geben, damit sie mit ihren Texten besser auf die unterschiedlichen Zielgruppen eingehen kann. Auch das Layout wurde so gestaltet, dass sich einerseits die Jüngeren als auch andererseits die Älteren angesprochen fühlen. Unsere Leserforschung hat bestätigt, dass jüngere Menschen schnellere und farbenfrohere Medien bevorzugen während älteren vor allem die Orientierung wichtig ist. Diese beiden Ansätze haben wir im Zuge der konzeptionellen Entwicklung des Relaunches zusammengeführt.

pressetext: Wie ist das Verhältnis von Anzeigengeschäft zu Abo- und Heftverkauf? Hat sich dieses in den letzten Jahren verändert?
Petersen-Lehmann: Wir sind in der glücklichen Situation, dass sich die Vertriebs- und die Anzeigenerlöse mit jeweils 50 Prozent ungefähr die Waage halten. Das Verhältnis verschiebt sich immer mal wieder geringfügig. Das hängt natürlich auch vom variierenden Anzeigenaufkommen
der verschiedenen Jahre ab.

pressetext: Wie entwickelt sich das Anzeigengeschäft in der Branche der Apothekenzeitschriften generell? Haben sich die Anforderungen der Anzeigenkunden verändert?
Petersen-Lehmann: Einerseits ist in den letzten 20 Jahren, in denen ich hier tätig bin, das Anzeigenaufkommen stark gestiegen. Andererseits ist das Geschäft auch härter geworden. Die Anzahl der Medien mit den verschiedenen Fernsehkanälen ist insgesamt gestiegen, die Anzeigenkunden sind zwangsläufig wählerischer geworden. Es ist beispielsweise zunehmend so, dass Anzeigenkunden auch auf die Inhalte einer Kundenzeitschrift achten.

pressetext: Wie bringen Sie Anzeigenverkauf und Redaktion unter einen Hut? Wie unabhängig ist die Redaktion von den Wünschen der Pharma-Industrie?
Petersen-Lehmann: Wir achten darauf, dass unsere redaktionellen Inhalte absolut glaubwürdig bleiben. Das sichert uns die hohe Akzeptanz bei der Leserschaft, von der ja letztlich auch die Anzeigenkunden profitieren. Wir wollen dem Verbraucher mit unseren redaktionellen Teilen Orientierung bieten und fokussieren nicht auf einzelne Marken aus dem Pharma-Bereich. Für Arzneimittel gelten ohnehin sehr strenge gesetzliche Kriterien, die der Redaktion vieles schlichtweg untersagen. Da wir prinzipiell offen für alle Anzeigenkunden sind, fokussieren wir schon von daher nicht auf einzelne Präparate. Dass man sich zu sehr in Richtung eines einzelnen Herstellers bewegt, verbietet auch der Umstand, dass sich die Apotheker gegen ein derartiges Vorgehen zur Wehr setzen würden. Denn diese wollen sich selbstverständlich von uns nicht vorschreiben lassen, welches der wirkstoffgleichen Arzneimittel sie empfehlen sollen. Wir bieten Rat und Hilfe, aber wirkstoff- und nicht präparatbezogen.

pressetext: Inwiefern haben sich die Marktbedingungen für die „Neue Apotheken Ilustrierte“ insbesondere in Bezug auf die rasant zunehmende Nutzung neuer Medien wie dem Internet verändert?
Petersen-Lehmann: Zum Ersten ist das Internet in der angestammten Zielgruppe der 50- bis über 80-Jährigen noch nicht so verbreitet, insbesondere nicht zum Thema Medizin. Zweitens sind die Medien vom Nutzungsverhalten komplett verschieden. Beim Internet such die Menschen nach einem für sie interessanten Stichwort. Bei der Zeitschrift bekommen sie Neues und Interessantes zu sehen, auf das sie von selbst ja gar nicht gekommen wären. Insofern bekommen wir den Druck durch das Internet noch nicht in dem Maße zu spüren wie andere Branchen. Zum Dritten hat das Internet bei den Menschen keinen allzu großen Vertrauensbonus. Apotheken-Kundenzeitschriften finden sich im Vertrauens-Ranking der Verbraucher hingegen ganz oben. Das liegt natürlich zum Teil auch am Vergabeort Apotheke. Aber auch unser positives öffentliches Ansehen ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor. Dieses resultiert aus der Tatsache, dass sich unsere Autoren und Redakteure, die selbst durchwegs Mediziner oder Apotheker sind, am Puls der Medizininformation bewegen.

pressetext: Ist ein eigener Online-Auftritt auch für ein Nischenprodukt wie eine Apothekenzeitschrift heute ein Muss?
Petersen-Lehmann: Ich denke, dass man vor allem für jüngere Menschen heute einen eigenen Internetauftritt haben sollte. Denn diese suchen möglicherweise zuerst im Internet nach Gesundheitsinformationen und stoßen erst über diesen Umweg auf uns. Wir haben deshalb gleich mehrere Internetauftritte. Neben einem, der weitgehend das Printprodukt abbildet, betreiben wir auch die Domain gesundheitslexikon.de http://www.gesundheitslexikon.de . Wir bekommen dadurch neue Leser zugeführt, die sich erst in weiterer Folge für das gedruckte Heft entscheiden. Auch Beispiele von Leserpost bestätigen, dass Leser, die im Internet auf unsere Webseite gestoßen sind, oft wissen wollen, wo sie die gedruckte Variante bekommen können. Ich glaube deshalb schon, dass das Internet für die Gewinnung einer neuen Leserschaft aus der jüngeren Generation für ein Printobjekt wichtig ist.

pressetext: Wie sehen Sie die Zukunft der „Neuen Apotheken Illustrierten“?
Petersen-Lehmann: Das Aufmachen der Zeitschrift für die jüngere Generation im Zuge des Relaunchs macht uns sicherlich zukunftsfähig. Wir bekommen im Moment aus allen Altersgruppen rührende Leserbriefe, die uns darin noch zusätzlich bestätigen. Gerade die älteren Leser zeigen sich darin sehr zufrieden mit dem neuen Heft. Damit haben wir uns für die Zukunft meiner Meinung nach sehr gut aufgestellt. Auch die Anzeigenkunden und ihre Produktmanager finden ein modernes Heft sympathischer als eines, das ausdrücklich nur auf die ältere Leserschaft ausgerichtet ist.

pressetext: Was haben Sie noch am deutschen Markt vor und gibt es Expansionspläne in andere Länder?
Petersen-Lehmann: Die Märkte außerhalb Deutschlands sind für uns nur sehr schwer zugänglich. Selbst im deutschsprachigen Ausland haben die Apotheken teilweise andere Strukturen und Schwerpunkte, die Arzneimittel heißen mitunter anders und die Produktwerbung der Pharmaindustrie sieht anders aus. Insofern betreiben wir kein offensives Expansionsgeschäft. Natürlich erhoffen wir uns, dass wir unsere Position am Markt in Zukunft stabilisieren und ausweiten können.