Risikopatienten messen genetisch bedingten Ursachen von Krankheiten zu viel Bedeutung bei

New York/Heidelberg, 8. Juni 2010

Inwieweit ist ein Mensch noch motiviert, einen gesunden Lebensstil zu führen, wenn er weiß, dass er aufgrund seiner Genetik ein besonderes Risiko für eine Erkrankung hat? Nach einer Studie von Dr. Suzanne O’Neill vom National Human Genome Research Institute/National Institutes of Health und ihren Kollegen sind Menschen in der Regel daran interessiert zu erfahren, wie sich gesundheitsbewusstes Verhalten auf ihr Krankheitsrisiko auswirkt. Allerdings verweisen gerade die Risikopatienten, die am dringendsten ihren Lebensstil ändern sollten, am ehesten auf eine schlechte genetische Veranlagung. Und je mehr gesundheitsschädigendes Verhalten sie an den Tag legen, umso weniger sind sie an Informationen zu gesundheitsfördernden Verhaltensänderungen interessiert. Die Studie1 erscheint in der Online-Ausgabe des Springer-Journals Annals of Behavioral Medicine.

Seit das Humangenom-Projekt abgeschlossen wurde, gibt es immer mehr Informationen zu genetischen Risikofaktoren, die bestimmte Genvarianten mit einer Reihe von verbreiteten Krankheiten in Verbindung bringen. Das könnte dazu führen, dass Gene oftmals überbewertet werden und allseits bekannte Verhaltens- und Umweltfaktoren, die der Gesundheit förderlich sind, eine untergeordnete Rolle spielen. Die Motivation zur Verhaltensänderung könnte somit abnehmen. Diese potentielle Fehlinterpretation genetischer Informationen könnte sich kontraproduktiv auf Bemühungen im Gesundheitswesen auswirken, notwendige Verhaltensänderungen zur Vorbeugung gegen Krankheiten zu fördern.

Die Autoren führten unter 1.959 gesunden amerikanischen Erwachsenen eine Umfrage durch, um die Familiengeschichte, gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen und ursächliche Erklärungsmuster für Krankheiten zu untersuchen. Dann wurden die Studienteilnehmer dazu befragt, welchen Stellenwert Aufklärung über eine gesunde Lebensführung oder die eigene genetische Disposition haben. Bei der Umfrage wurden die Risikofaktoren im Verhalten der Teilnehmer bewertet (körperliche Aktivität, Ernährungsgewohnheiten, Rauchen, Alkoholkonsum, Sonnenexposition, Einnahme von Vitaminen und Body-Mass-Index), die Familienanamnese und die Ursachen für acht weitgehend vermeidbare Krankheiten (Diabetes, Osteoporose, Herzerkrankungen, hoher Cholesterinspiegel, Hypertonie und Lungen-, Darm- und Hautkrebs). Außerdem wurde gefragt, welche Art von Information zur gesunden Lebensführung am meisten geschätzt wurden.

Die Autoren fanden heraus, dass die Mehrheit der Teilnehmer sich darüber bewusst war, dass gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen eher zu Krankheiten führen als genetische Veranlagungen. Insgesamt waren die Teilnehmer mehr an Informationen zu gesundheitsbewusstem Verhalten als an Informationen zu genetischen Veranlagungen interessiert, um zu verstehen, welche Faktoren ihr persönliches Krankheitsrisiko beeinflussen. Allerdings stieg mit den bestehenden gesundheitsgefährdenden Verhaltensweisen auch die Tendenz, die genetische Veranlagung als Erklärung zu bevorzugen.

Die Autoren kommen zur Schlussfolgerung: „Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die meisten Menschen den Genen als mögliche Ursache für eine Erkrankung keine übermäßige Bedeutung beimessen. Sie halten auch nicht starr an möglichen Erklärungsmustern für ihre Gesundheitsprobleme fest, wenn diese durch ein vernünftiges Verhalten verbessert werden können. Allerdings besteht bei denjenigen, die es am nötigsten hätten, ihr Verhalten zu ändern, die größte Gefahr, wichtige Informationen für ein gesundheitsförderndes Verhalten unterzubewerten. Eine mögliche Erklärung der Autoren lautet, dass Risikopatienten vermutlich bereits in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht haben, dass ihre Verhaltensänderungen nicht von Erfolg gekrönt waren. Dementsprechend erachten diese Personen solche Informationen als weniger wertvoll.

http://www.springer.com/about+springer/media/springer+select?SGWID=1-11001-6-954322-0

Quellenangabe
O’Neill SC et al (2010). Preferences for genetic and behavioral health information: the impact of risk factors and disease attributions. Annals of Behavioral Medicine.DOI 10.1007/s12160-010-9197-1

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