Wissenschaftliche Studie unterstreicht, dass der Einsatz von Frauen für Selbstmordattentate eine politische und militärische Taktik ist und nicht Ausdruck von Religiosität
New York / Heidelberg, 6. Juni 2011
Terroristengruppen beugen die Regeln des „wahren“ Islam, um den Einsatz von Selbstmordattentäterinnen zu rechtfertigen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Margaret Gonzalez-Perez von der Southeastern Louisiana University, USA. In ihrer Arbeit beleuchtet sie die Entwicklung der radikalen islamistischen Doktrin und ihrer Abweichung vom klassischen Islam. Identifiziert werden die Entwicklungsschritte, an deren Ende Selbstmordattentäterinnen des Dschihad stehen. „Der radikale Islam interpretiert die islamische Rechtsprechung neu; er missinterpretiert sie geradezu, um dadurch den Einsatz von Selbstmordattentäterinnen zu rechtfertigen,“ sagt Gonzalez-Perez. Ihre Arbeit erscheint jetzt in der Online-Ausgabe des Springer-Journals Gender Issues.
Terroristische Akte werden nach Ansicht von klassischen Islamgelehrten im Koran, in der Hadithsammlung (die Traditionen und Riten des Propheten Mohammed) und anderen Grundlehren des islamischen Gesetzes, der Scharia, ganz eindeutig abgelehnt; Selbstmordaktionen werden eindeutig verurteilt. Zur Rechtfertigung von Selbstmordattentaten haben Führer der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) und von Al Kaida eigene Interpretationen des Islam formuliert, die einen eher militärstrategischen als theologischen Hintergrund haben. Dies wird laut Gonzalez-Perez besonders deutlich, wenn behauptet wird, Selbstmordattentate von Frauen stünden im Einklang mit der islamischen Doktrin.
Gonzalez-Perez weist einen zweistufigen Radikalisierungsprozess nach, dessen Ursprünge sich bis ins dreizehnte Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Die schrittweise Radikalisierung des Islam begann im Mittelalter, als Einzelne das Recht für sich Anspruch nahmen, die religiöse Rechtsprechung neu zu interpretieren und selbst zu entscheiden, wann ein Krieg gerechtfertigt war. Dieses Gedankengut führte unter Irans Ayatollah Khomeini (1902-1989) letztendlich zur Rechtfertigung des Einsatzes von Selbstmordattentätern als Form islamischen Märtyrertums. Eine weitere Radikalisierung ermöglichte schließlich auch den Einsatz von Frauen für diesen Zweck. Der Koran allerdings betrachtet aber Frauen nicht als Soldaten, er spricht sogar explizit von Frauen und Kindern als Nicht-Kombattanten. Dass im Jahr 2000 erstmalig Frauen für Selbstmordattentate eingesetzt wurden und dies seitdem immer häufiger der Fall ist, sieht Gonzalez-Perez als rein militärische Taktik, nicht als religiösen Akt.
Die Autorin geht davon aus, dass terroristische Gruppen sich die Schwäche mancher Frauen zunutze machen, darunter Frauen mit psychischen Problemen und sogar Mädchen ab 14 Jahren. Selbstmordattentäterinnen sind oft Frauen, die in den Wirren einer Nachkriegszeit ohne politische, wirtschaftliche und soziale Sicherheit zu überleben versuchen. Sich in diese Attentäterinnen hineinzuversetzen, die Gründe für ihr Tun und ihren Einsatz zu hinterfragen, kann hilfreich sein, wenn es darum geht, antiterroristische Strategien zu entwickeln.
Gonzalez-Perez: „Der ganz und gar unislamische Einsatz weiblicher Selbstmordattentäter ist in den modernen Terroristengruppen kaum überraschend: Sie interpretieren und manipulieren die religiöse Doktrin lediglich, um strategisch und militärisch nützliche Aktionen zu legitimieren. Selbstmordattentäterinnen sind keine islamischen Märtyrer oder Ausdruck für irgendeine andere Form orthodoxen Glaubens.“
Quelle
Gonzalez-Perez M (2011). The false islamization of female suicide bombers. Gender Issues,
DOI 10.1007/s12147-011-9097-0
Der vollständige Artikel steht Journalisten auf Anfrage zur Verfügung.
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