Die Neuralaktivität älterer Menschen weist eine ähnlich intaktes Erinnerungsvermögen auf wie bei Jüngeren. Dennoch zeigt eine Studie von Philip Ko von der Vanderbilt University in den Vereinigten Staaten, dass die Erinnerung derselben gespeicherten Daten eine schlechtere Qualität aufweisen als in der vergleichbaren jüngeren Gruppe. Darüber hinaus werden die Erinnerungen bei älteren Menschen offensichtlich anders abgerufen.
Jüngere Menschen haben ein präziseres Erinnerungsvermögen
Es ist keineswegs so, dass sich jüngere Menschen an mehr erinnern können als ältere. Besser erscheint ihr Gedächtnis nur deshalb, weil sie sich deutlicher erinnern können. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Philip Ko von der Vanderbilt University in den Vereinigten Staaten. Sie zeigt, wie sich die Unterschiede in Verhalten und Neuralaktivitäten bei jüngeren und älteren Erwachsenen auf deren jeweilige Fähigkeit auswirkt, wenn es darum geht Erinnerungen zu speichern und abzurufen. Die Ergebnisse der Studie erscheinen nun im Springer-Journal Attention, Perception & Psychophysics.
Unter der Leitung von Dr. Brandon Ally konzentrierten sich Ko und sein Wissenschaftlerteam auf den visuellen Arbeitsspeicher, die Fähigkeit eines Menschen, eine begrenzte Menge an visuellen Informationen ohne visuelle Stimuli kurzfristig zu behalten. Unter Berücksichtigung der zahlreichen Stadien von Kodieren, Speichern und Abrufen der Erinnerungen gingen sie der Frage nach, warum diese Funktion im Laufe des normalen Alterungsprozesses nachlässt.
Die Probanden waren elf ältere Erwachsene mit einem durchschnittlichen Alter von etwa 67 Jahren und 13 jüngere, im Alter von etwa 23 Jahren. In einer Aufgabe – Entdeckung visueller Veränderungen – mussten sie sich die Bilder von zwei, drei oder vier farbigen Punkten merken. Diese Punkte verschwanden und einige Sekunden später bekamen sie einzelne Punkte in einer der vorherigen oder einer neuen Farbe zu sehen. Sie mussten dann beurteilen, ob es die gleiche oder eine andere Farbe war als vorher. Je nachdem wie gut oder schlecht sie dies beurteilen konnten, wurde dies in der Verhaltensmessung bewertet. Während des Tests wurden zur neuralen Messung der Erinnerungsfähigkeit elektroenzephalografische Daten gesammelt.
Wenn die Probanden Gegenstände memorieren sollten, schnitten die älteren Erwachsenen laut Dr. Ko bei der Verhaltensmessung schlechter ab, allerdings war die neurale Messung der Erinnerungsfähigkeit in beiden Gruppen sehr ähnlich. Mit anderen Worten: Im Stadium des Behaltens speicherten beide Gruppen die gleiche Anzahl an Gegenständen. Die Studie macht auch zum ersten Mal deutlich, dass es im Hinblick auf die Speicherfähigkeit älterer Erwachsener erhebliche Diskrepanzen zwischen Verhalten einerseits und elektrophysiologischen Daten andererseits geben kann.
Die Wissenschaftler gehen allerdings davon aus, dass ältere Erwachsene Gegenstände in einer niedrigeren Auflösung speichern, was dann auch zu verminderter Erinnerung führt. Diese Auflösungsunterschiede können sich dann während des Abrufens aus dem visuellen Arbeitsspeicher manifestieren. Jüngere Erwachsene hingegen sind möglicherweise in der Lage, die implizite perzeptuelle Erinnerung, eine andere Art visueller Erinnerung, zu nutzen: Sie wirkt gewissermaßen verstärkend beim Abrufen gespeicherter Informationen.
„Warum ältere Erwachsene schlechter abschneiden, obwohl ihre Neuralaktivität auf ein intaktes Erinnerungsvermögen hinweist, wissen wir nicht“, sagt Dr. Ko. „Es gibt jedoch zwei Anhaltspunkte: Zum einen lassen eine weitere Analyse der vorliegenden Daten und andere Studien aus unserem Labor den Schluss zu, dass ältere Erwachsene Erinnerungen anders abrufen als jüngere. Zum zweiten gibt es aus anderen Labors Hinweise darauf, dass die Qualität der Erinnerungen bei Älteren schlechter ist als bei Jüngeren. Anders gesagt: Ältere Erwachsenen speichern zwar die gleiche Anzahl an Gegenständen, die Erinnerung daran ist aber verschwommener.“
Quelle: Ko, P.C. et al. (2013). Understanding age-related reductions in visual working memory capacity: examining the stages of change detection, Attention, Perception & Psychophysics. DOI 10.3758/s13414-013-0585-z
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