Turnier-Scrabblespieler können Wörter schneller visualisieren als gedacht
New York / Heidelberg, 16. August 2011
Die Fähigkeit, Worte schnell zu erkennen, lässt sich durch Erfahrung und Übung verfeinern. Zu diesem Ergebnis kommt Ian Hargreaves mit seinen Kollegen von der University of Calgary in Kanada. Sie können erstmalig nachweisen, dass diese Fähigkeit selbst im Erwachsenenalter noch weit ausbaufähiger ist als man dies wissenschaftlich bislang für möglich gehalten hat. Bewiesen wurde dies in einer Studie mit Turnier-Scrabblespieler, die soeben in der Online-Ausgabe der Springer-Zeitschrift Memory & Cognition erschienen ist.
Wer bei Scrabble-Turnieren antritt, verfügt über eine überdurchschnittliche Erfahrung, Wörter zu erkennen. Oft beschäftigen sich diese Spieler intensivst mit den 180.000 Wörtern der Official Tournament and Club Word List. Für Hargreaves und seine Kollegen war interessant, inwieweit sich Erfahrung auf die visuelle Worterkennung auswirkt. Mithilfe eines klassischen Worterkennungsmodells – der sogenannten „lexical decision task“ -, bei dem Testpersonen blitzartig entscheiden müssen, ob ein angezeigtes Wort tatsächlich existiert oder nicht, verglichen sie die entsprechenden Fähigkeiten von Turnierspielern und Teilnehmern ohne solche Erfahrung.
In zwei Experimenten wurden den Teilnehmern vertikal und horizontal Wörter mit konkreter
(z. B. Lastwagen) und abstrakter Bedeutung (z. B. Wahrheit) vorgelegt. Gemessen wurde, wie schnell und wie die Wörter beurteilt wurden. Das erste Experiment mit 23 Studenten bestätigte die üblichen Erwartungen. Im zweiten Experiment allerdings traten 23 Turnier-Scrabblespieler gegen 23 unerfahrene Teilnehmer der gleichen Altersgruppe an – das Alter war insofern wichtig, als ältere Erwachsene in der Regel über die Jahre mehr gelesen haben und über einen größeren Wortschatz verfügen.
Die visuelle Worterkennungsfähigkeit von Turnier-Spielern unterschied sich ganz erheblich von der der unerfahrenen Teilnehmer – speziell im Bereich der buchstabenabhängigen Wortfindungsfähigkeit wie auch der Genauigkeit bei der Bildung von Anagrammen, zweier Scrabble-typischer Fähigkeiten. Die Turnierspieler konnten schneller beurteilen, ob ein Wort existiert oder nicht. Sie beurteilten auch vertikale Wörter schneller als Spieler ohne Turniererfahrung und erfassten abstrakte Wörter rascher. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass es für Scrabble-Spieler bei der Beurteilung eines Wortes nicht so wichtig ist, ob die Wörter eine Bedeutung haben. Durch die Nutzung orthografischer Informationen sind sie außerdem flexibler bei der Worterkennung.
Die Autoren: „Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass die visuelle Worterkennung von Erfahrung beeinflusst wird. Selbst bei Erwachsenen lässt sich diese Fähigkeit durch Übung noch steigern. Turnier-Scrabblespieler sind echte Experten der visuellen Worterkennung. Ihre Fähigkeiten gehen weit über das hinaus, was wir bisher als Endpunkt der Entwicklung des Worterkennungssystems gesehen haben.“
Quelle
Hargreaves IS et al (2011). How a hobby can shape cognition: visual word recognition in competitive Scrabble players. Memory & Cognition. DOI 10.3758/s13421-011-0137-5
Der vollständige Artikel steht Journalisten auf Anfrage zur Verfügung.
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