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Geologische Blätter für Nordostbayern
Beiträge zur Geologie, Mineralogie und Paläontologie des nordbayerischen Raumes für Fachwissenschaftler und interessierte Laien
"In dieser Zeitschrift wollen wir Zwiesprache halten mit der lebendigen, in unerschöpflichem Wandel sich gestaltenden Erde. Der Gang ihrer Geschichte ist zu lesen aus der Folge und Architektur ihres Gesteinsaufbaus und aus den Formen ihrer Oberfläche. Tausendfältig sind die Beziehungen, die von diesen erdgeschichtlich gewordenen Grundbedingungen aus in die organische Welt hineinstrahlen, in die Lebensbedingungen der Tier- und Pflanzenwelt und in die Voraussetzungen menschlichen Lebens, menschlicher Kultur, menschlicher Geschichte.
Erdgeschichte erforschen heißt also letzten Endes Grundlagen der menschlichen Kultur erforschen. Aber wir bedürfen der Betonung dieser Zusammenhänge gar nicht, um unser Vorhaben zu rechtfertigen. Die Erdgeschichte, mit der die Geschichte des Lebens auf der Erde untrennbar verknüpft ist, ganz für sich allein betrieben, eröffnet Ausblicke in Vorgänge und Zeiträume von gewaltigen Ausmaßen. Der Mensch wird bescheiden in dem Bewußtsein, daß er mitsamt seiner Geschichte nur der allerletzten kurzen Episode dieses Geschehens angehört, vergänglich wie alle die anderen Wesen, die vor ihm gelebt haben und in ihren Resten in den Gesteinsschichten überliefert wurden. Er gewinnt Abstand von dem Treiben, das mit lautem Schall die Welt erfüllt und so wichtig genommen werden will. Das ist keine Abkehr vom Irdischen und seinen Aufgaben, sondern Besinnung auf das Wesentliche. Hier entspringt die Ehrfurcht, die den wahren Freund und Erforscher der Natur beseelt.
Das Gebiet, dem sich unsere Zeitschrift widmen will, hat zur erdgeschichtlichen Forschung wichtige Beiträge geliefert. Wir umgrenzen es mit der Donau im Süden, der Linie Ries-Frankenhöhe-Steigerwald-Haßberge (der Stufe des Keupers) im Westen, der Grenze Bayerns im Norden und Osten. Viele Beziehungen greifen in die Nachbargebiete über: Vom bayerischen Frankenwald in das sächsisch-thüringische Schiefergebirge; von den Haßbergen in das Grabfeld; das Ries bildet eine Einheit ohne Rücksicht auf Landesgrenzen. Wo solche Beziehungen für die Erforschung unseres Raumes fruchtbar werden, sollen sie auch aus den Nachbar-Landschaften zu Worte kommen. In diesem umgrenzten Raum stoßen zwei große, grundsätzlich verschiedene und in sich weiter gegliederte Einheiten geologischen Baus aneinander: Das „Alte Gebirge" vom Bayerischen Wald bis zum Frankenwald im Osten, welches Teile des mitteleuropäischen Unterbaus darstellt, und das zerbrochene und verbogene Tafelland im Westen, Teile des mitteleuropäischen Oberbaus.
Aber so sehr auch diese Einheiten voneinander verschieden sind, so eng sind doch auch ihre Beziehungen zueinander. Das Alte Gebirge setzt sich unter dem Oberbau fort (die Tiefbohrungen von Nürnberg haben es erreicht), und seine Strukturen beeinflussen die tektonischen Strukturen des Oberbaus viel mehr, als uns heute bekannt ist. Der im Osten und Süden im Laufe der Erdgeschichte auftauchende Unterbau bildete den wechselnd umgrenzten Rand der Ablagerungsbecken des Oberbaus, seiner festländischen Sammel-Senken und seiner Schelfmeere, und die in diesen Senken abgelagerten mächtigen Gesteinsserien sind die umgelagerten Verwitterungsprodukte, die im Außenbereich, im Unterbau, in wechselnden Klimabedingungen entstanden sind; sie zeigen noch Kennzeichen der dortigen Gesteine und Verwitterungsrinden. Der eine Teil kann nicht ohne den anderen verstanden werden.
Mannigfaltig wie diese Beziehungen sind auch die Probleme, in denen unser Gebiet die geologische Wissenschaft befruchtet hat. Das varistische Gebirge hat bei uns seinen Namen erhalten. Seine Granite mit ihren Abspaltungsprodukten, ihre Beeinflussung des Nebengesteins werden seit alten Zeiten immer wieder studiert. Die Münchberger Masse und das Nördlinger Ries sind einzigartige Gebilde, die immer neue Probleme aufwerfen. Der Bayreuther Muschelkalk lieferte Schädel und andere Reste hochinteressanter Saurier, der Plattenkalk von Solnhofen ist in der ganzen Welt berühmt durch seine Lebewelt des Jura, voran durch die nur hier gefundenen Vögel.
Morphologische Fragen sind im Alten Gebirge und im Schichtstufenland grundlegend studiert worden; die vorbildliche Behandlung der Flußgeschichte der Donau, Altmühl, Regnitz und anderer Flüsse hatte Resultate von allgemeiner Bedeutung. Mancherlei Bodenschätze erregten die Aufmerksamkeit in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht. Der Vulkanismus der Oberpfalz legt, im Zusammenhang mit der Tektonik des Oberbaus, Zeugnis ab von den Gesetzen der Tiefe. Die diluvialen Faunen fränkischer Höhlen waren schon in der Frühzeit paläontologischer Forschung international bekannt; unsere Höhlengebiete sind heute noch ein Zentrum der Karstforschung. Alle diese und zahllose andere Probleme beschäftigen die Wissenschaft ununterbrochen.
Unser Gebiet verdient also eine eigene Zeitschrift, welche sich an dieser Arbeit beteiligt und ihre Ergebnisse sammelt. Im Kern dieser Zeitschrift soll die wissenschaftliche Forschung stehen. Ein heimatkundlicher Teil wird breiter ausholen und auch allgemeineren Fragen und Beziehungen gewidmet sein. Kleine Mitteilungen sollen uns über Vorgänge in der geologischen Forschung, Lehre und Organisation, über Museen und Privatsammlungen, Bodenschätze und ihre Verwertung, Personalveränderungen der Heimatforscher und sonstige interessierende Fragen unterrichten, und hier besonders bittet der Herausgeber um die rege Mitarbeit aller im Lande verstreuten Freunde der Zeitschrift.
Der bibliographische Teil schließlich soll eine möglichst erschöpfende Zusammenstellung aller einschlägigen Neuerscheinungen bringen. Ob es durchführbar ist, in dieser schweren Zeit eine solche Zeitschrift am Leben zu erhalten, muß sich erst zeigen. Der Schritt wurde gewagt unter Verzicht auf jeden materiellen Vorteil und im Vertrauen darauf, daß die Liebe zur Heimat wächst, je schwerer die Lebensbedingungen werden. Freudige Mitarbeit finde ich bei meinem Kollegen Professor Dr. Friedrich Birzer. Und so möge das erste Heft hinausgehen mit einem zuversichtlichen Glückauf!"
Prof. Dr. Bruno von Freyberg, im Februar 1951.
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