1 Lissabon – Stadt des Lichts im Umbruch
Sanfte Hügel, fruchtbare Böden, mildes Klima, ein natürliches Hafenbecken und über den ruhigen Tejo eine direkte Verbindung zum stürmischen Atlantik: der ideale Ort, eine Stadt zu gründen. Das wussten schon frühere Generationen zu schätzen, seit über 3.000 Jahren ist die Region Lissabon durchgehend besiedelt. Und noch heute sorgt der Tejo mit seinem Mündungsbecken für das ganz besondere Licht der Stadt. Die riesige Wasserfläche reflektiert das Sonnenlicht und lässt Lissabon strahlen.
Das Flussufer dominierten über viele Jahrzehnte allerdings Militär- und Hafenanlagen. Seit einiger Zeit erobert sich die Stadt einen Teil ihres Flusses zurück. Zwar dient der Abschnitt vor dem Altstadtviertel Alfama inzwischen als Anleger für Kreuzfahrtschiffe und ist damit nicht mehr öffentlich zugänglich, dafür wird aber nach und nach das Ufer ab der Anlegestelle in Richtung Innenstadt bis Belém durch Promenaden erschlossen. Das wissen die Lissabonner ebenso zu schätzen wie die Besucher der Stadt.
Als Hauptstadt des ehemaligen Weltreiches Portugal hat Lissabon über die Jahrhunderte eine wechselvolle Geschichte mit vielen Umbrüchen erlebt. Die radikalste Zäsur war sicherlich das Erdbeben von 1755, in dem fast zwei Drittel der Stadt zerstört wurden. Zu den eher schleichenden Veränderungen gehörte der langsame Verfall der Bausubstanz in den historischen Vierteln. Die über Jahrzehnte existierende Mietpreisbindung (S. 111) und Wirtschaftskrisen erschwerten Investitionen in notwendige Sanierungen. Steigende Touristenzahlen und Investitionserleichterungen haben das geändert und in den vergangenen Jahren zu einem regelrechten Bauboom geführt. Immer mehr der zum Teil baufälligen Gebäude werden kernsaniert und viele in Hotels, Ferienwohnungen und Luxusapartments umgewandelt. So können die schönen historischen Häuser vor dem Verfall gerettet werden. Allerdings bringt diese Entwicklung auch die üblichen Probleme wie steigende Miet- und Immobilienpreise mit sich. Vor allem in den Altstadtvierteln wie Alfama und Mouraria können sich viele der ursprünglichen Bewohner die teuren Mieten nicht mehr leisten. Gentrifizierung ist auch in Lissabon ein Problem.
Alt und Neu – immer mehr Altbauten werden restauriert
Die Stadt erobert ihren Fluss zurück
Die steigenden Besucherzahlen versucht die Stadt zu nutzen, sie hat 2016 eine Touristensteuer auf Übernachtungen eingeführt. Im ersten Jahr brachte die neue Steuer der Stadt rund 13,5 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen. Für 2019 ist eine Erhöhung von einem auf zwei Euro pro Gast und Nacht in der Diskussion. Das Geld fließt in einen Fonds für touristische Stadtentwicklung. Finanziell unterstützt werden sollen damit z. B. der Neubau eines jüdischen Museums und ein Museum der Entdeckungen. Schon profitiert haben Projekte wie der Aufzug samt Aussichtsplattform an der Brücke 25 de Abril (S. 90) und das Programm „Lojas com História“ („Geschäfte mit Geschichte“). Damit sollen einige der wenigen noch existierenden traditionellen Geschäfte in der historischen Innenstadt unterstützt werden. 2018 nahmen gut 80 Geschäfte an dem Projekt teil. Ob das momentane Volumen von 250.000 Euro pro Jahr substantiell dazu beitragen kann, diese zu erhalten, ist fraglich. Aber immerhin hat die Stadt grundsätzlich den Wert der Traditionsgeschäfte für die „Marke Lissabon“ erkannt.
Viele Lissabonner sehen die Entwicklungen der vergangenen Jahre mit gemischten Gefühlen. So erscheint das Preisniveau, z. B. in der Gastronomie, ausländischen Besuchern noch recht günstig, viele Portugiesen können sich die steigenden Preise jedoch nicht mehr leisten – kein Wunder bei einem Mindestlohn von 580 Euro pro Monat (2018). Kritisch gesehen wird auch das sogenannte „goldene Visum“. Als Gegenleistung etwa für Investitionen ab 350.000 Euro in Immobilien gewährt es außereuropäischen Investoren ein Aufenthaltsrecht mit Aussicht auf einen portugiesischen Pass. Zwischen 2012 und 2017 investierten vor allem Chinesen, aber auch Brasilianer und Russen 3,4 Milliarden Euro. Bei den dadurch steigenden Immobilienpreisen können viele Portugiesen nicht mithalten. Kritiker befürchten einen Ausverkauf der Stadt und manch ein Lissabonner beklagt, dass mehr für Touristen getan werde als für die Bevölkerung. Der Gastfreundschaft tut das aber keinen Abbruch, fast überall sind Besucher herzlich willkommen und die „Lisboetas“ sind sehr stolz auf ihre wunderschöne Stadt.
2 Praça do Comércio – von Königen, Börsenhändlern und Touristen
Imposant öffnet sich der Praça do Comércio, der „Handelsplatz“, demjenigen, der über den Fluss nach Lissabon kommt. Früher stand hier der Königspalast. Er gab dem Platz seinen damaligen Namen Terreiro do Paço, „Platz des Palasts“, der heute auch noch verwendet wird. Sogar die noch relativ neue Metrostation heißt so. Im 16. Jh. legten hier am Cais das Colunas, dem „Säulenkai“, Handelsschiffe und internationale Delegationen an. Er war das neue, prächtige Stadtzentrum Lissabons. Nach dem großen Erdbeben 1755 versuchte man die ehemalige Eleganz wiederherzustellen. Prächtige gelbe Häuser mit Arkadengängen rahmen den Platz von drei Seiten ein. Die wichtigsten Ministerien wurden hier untergebracht. Bereits 1769 gründete der damalige Premierminister Marquês de Pombal (S. 58) hier eine Börse. Der wichtigste Handelsplatz des Landes hatte bis 1994 im Ostturm der Anlage seinen Hauptsitz, daher auch der heutige Name des Platzes.
In der Mitte befindet sich ein Reiterdenkmal für König José I., es wurde anlässlich seines Geburtstags 1775 aufgestellt. Das Pferd trampelt auf Schlangen und besiegt so symbolisch das Erdbeben, der Elefant repräsentiert das portugiesische Weltreich. Auf dem Sockel befindet sich ein Medaillon, auf dem Marquês de Pombal abgebildet ist. Während der Herrschaft von Maria I., einer ausgesprochenen Gegnerin des Ministers, wurde dieses zeitweilig entfernt und erst 1833 wieder angebracht.
An der Nordseite des Platzes erhebt sich der erst 1875 fertiggestellte Triumphbogen Arco da Rua Augusta und lädt zum Betreten der Unterstadt ein. Die Statuen ehren Helden der portugiesischen Geschichte: Viriatus, den Anführer der Lusitaner im Kampf gegen die Römer, den großen Seefahrer Vasco da Gama, Marquês de Pombal und Álvares Pereira, der die portugiesische Unabhängigkeit im 14. Jh. gegen die Spanier verteidigte (von links nach rechts). Die Statuen der bärtigen Männer repräsentieren die Flüsse Tejo (links) und Douro. Die allegorische Figurengruppe zeigt Gloria, wie sie Genie und Tapferkeit krönt.
Aussicht vom Triumphbogen
Seit einigen Jahren lässt sich der Triumphbogen auch besichtigen. Ein Aufzug bringt die Besucher in den Uhrensaal. Über eine Wendeltreppe, die so eng ist, dass der Besucherstrom durch eine Ampelanlage geregelt wird, gelangt man auf die Aussichtsplattform. Von hier hat man eine wunderbare Rundumsicht über den Fluss, die schachbrettartig angelegte Unterstadt Baixa sowie den Platz selbst.
Die Stadt bemüht sich seit einiger Zeit, diesen zentralen Platz für Einheimische und Touristen wieder attraktiver zu machen. Nachdem ein Teil der früher hier angesiedelten Ministerien umgezogen ist, hat sich eine ganze Reihe von Cafés und Restaurants mit Außengastronomie angesiedelt, darunter eines mit angeschlossenem Biermuseum. Auch wenn diese Lokale nicht zu den günstigsten gehören, gewinnt der Platz nach Jahren des Umbaus so an Leben. Einige der neuen Locations haben vor allem im Sommer auch schon mal bis spät in die Nacht geöffnet. Eine Dependance der Vermarktungsgesellschaft Vini Portugal (S. 197) bietet die Verkostung portugiesischer Weine an. Das Lisboa Story Centre (S. 149) gibt Einblick in Highlights der Lissabonner Stadtgeschichte. Das Schild „The Sexiest WC on Earth“ weist übrigens auf eine kostenpflichtige öffentliche Toilette hin, die der portugiesische Toilettenpapierhersteller Renova hier mit kleinem Shop eingerichtet hat. Der Platz selbst wird mittlerweile auch wieder für Veranstaltungen und wechselnde Ausstellungen genutzt.
Triumphbogen und Reiterdenkmal
Hinkommen:
Metro Terreiro do Paço (blaue Linie); Straßenbahn 15, 25. [D4]
Information:
Arco da Rua Augusta, tgl. 9–20 Uhr, Eintritt 2,50 €, bis 5 J. frei. Der Eingang befindet sich auf der Seite zur Rua Augusta hin.
Touristeninformation, Lisboa Welcome Center, Praça do Comércio, Tel. 21 031 2810, www.visitlisboa.com, tgl. 9–20 Uhr.
In der Nähe:
3 und 4 Baixa (S. 16ff.), 25 Câmara Municipal (S. 62), 34 Kirchen in der Baixa (S. 82), 33 Aufzug Santa Justa (S. 80).
3 Baixa I – das große Erdbeben von 1755 und der Wiederaufbau der Stadt
Die Baixa, Lissabons Unterstadt, erstreckt sich im Tal zwischen dem...