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E-Book

Abenteuer Archäologie

Eine Reise durch die Menschheitsgeschichte

AutorHermann Parzinger
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl253 Seiten
ISBN9783406696404
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Auf den Traumpfaden uralter Kulturen führt der international renommierte Prähistoriker Hermann Parzinger durch Millionen Jahre Menschheitsgeschichte bis in die Gegenwart - und macht uns gleichzeitig mit der Arbeit der Archäologen vertraut. Er lehrt uns das Staunen über die Rätsel der Vergangenheit und zeigt, welche konkreten Beiträge die Archäologie seit über 100 Jahren zur Entschlüsselung dieser Geheimnisse leistet. In diesem mit zahlreichen farbigen Abbildungen und Karten ausgestatteten Band erläutert Hermann Parzinger an vielen Beispielen, wie Archäologen mit immer weiter verfeinerten Methoden - etwa modernen Gen-Untersuchungen - helfen, wichtige Weg- und Wendemarken in der Entwicklung des Menschen zu erkennen und besser zu verstehen. Er führt uns auf den Spuren des Homo sapiens von Afrika aus durch alle Kontinente, Zeiten und Kulturen - vorbei an den Feuern der Eiszeitjäger und Höhlenmaler, durch die ältesten Tempelbezirke und Städte der Menschheit, zu den Pyramiden der Ägypter und den Palästen der Mykener und weiter noch durch das Imperium Romanum, das Karolingerreich und die Städte des Mittelalters bis in die Neue Welt und schließlich auf die Schlachtfelder des 20. Jahrhunderts und zu den Raubgrabungen unserer Tage im Irak.

<p>Hermann Parzinger ist Pr&auml;sident der Stiftung Preu&szlig;ischer Kulturbesitz und einer der drei Gr&uuml;ndungsintendanten des Humboldt-Forums. Er hat als habilitierter Pr&auml;historiker von 2003 bis 2008 das Deutsche Arch&auml;ologische Institut geleitet. F&uuml;r seine wissenschaftlichen Verdienste wurde er mit zahlreichen Ehrungen und Preisen ausgezeichnet, darunter dem Leibniz- Preis (1998) und die Aufnahme in den Orden Pour le M&eacute;rite (2012).</p>

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Leseprobe

1

Von Kontroversen, Methoden und politischer Dimension – eine Einleitung in die Archäologie als Wissenschaft


Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), der Begründer der modernen Archäologie.

Mythen, Menschen und Methoden


Hollywood hat so manche abenteuerliche Vorstellungen über die Archäologie befeuert: Mal ist es der mit Tropenhelm, Khakikleidung und Pinsel ausgerüstete Nickelbrillenträger, mal der mit Schlapphut, Lederjacke und Peitsche bewaffnete, raubeinige Forscher, der Goldschätze zu Tage fördert, mysteriöse Begebenheiten aufdeckt und neuerdings dabei natürlich ständig sein Laptop auf den Knien hält. Indiana Jones scheint allgegenwärtig. Seit «Jurassic Park» begegnet man mitunter auch dem Irrglauben, dass die Erforschung der Dinosaurier zum Aufgabenfeld der Archäologen gehöre; es sind allerdings die Paläontologen, die sich darum kümmern, so wie die Paläoanthropologen die Entstehung des Frühmenschen aufklären. Geht es etwas seriöser zu, so wird die Archäologie gerne mit der Enträtselung von Geheimnissen im Alten Ägypten gleichgesetzt; aber auch das sind bewährte Klischees, die freilich mit der Realität nur wenig zu tun haben.

Die Archäologie ist eine der faszinierendsten Wissenschaften überhaupt. Sie ist so international, interdisziplinär und Völker verbindend wie kaum ein anderes Fach. Klischees entstehen ja nicht selten aus dem enormen Interesse der Öffentlichkeit an einem Thema. Nahezu jeder Mensch ist doch irgendwie an der Frage interessiert, wo er herkommt und wie sich unser heutiges kulturelles Leben entwickelt hat. Archäologie fasziniert, weil sie diese Fragen gleichsam aus dem Nichts beantwortet. Die Müllhalden der Vergangenheit erlauben es, die früheste Geschichte der Menschheit zu entschlüsseln – und längst sind wir noch nicht am Ende der Erkenntnis angelangt: Ständig hören wir von neuen Entdeckungen und Aufsehen erregenden Grabungsfunden, unentwegt ändert sich unser Bild von fernen Zeitperioden, weil es noch längst nicht vollständig ist und vielfach auf Fragmenten und Zufallsentdeckungen beruht. Kann eine Wissenschaft spannender sein? Ich bin fest davon überzeugt, dass Archäologie eine so große Faszination auf die Menschen ausübt, weil jedes noch so unbedeutende Detail und jede noch so unspektakuläre Ausgrabung durchaus unser Geschichtsbild von Grund auf verändern, ja sogar auf den Kopf stellen kann. Hätten wir beispielsweise vor der Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra gedacht, dass der prähistorische Mensch auf dem Gebiet des heutigen Mitteldeutschlands schon vor den alten Ägyptern in der Lage war, Beobachtungen der Gestirne in eine bildliche Darstellung zu übertragen? Eine geradezu unglaubliche intellektuelle Leistung!

Doch wie fing eigentlich alles an – wie wurde die Archäologie zur Wissenschaft? Archäologie ist – wörtlich übersetzt– die Kunde von alten Dingen. Es klingt vielleicht erstaunlich, aber an keiner einzigen deutschen Universität kann man heute Archäologie studieren. Dieses Fach existiert nicht. Die «alten Dinge», also die materiellen Hinterlassenschaften, sind stets in ihrem kulturellen, historischen und geografischen bzw. kulturgeografischen Kontext zu betrachten. Und genau deshalb gibt es keine «Archäologie» als Universitätsfach, aber es gibt eine Klassische Archäologie, eine Vorderasiatische, eine Biblische, eine Christliche, eine Byzantinische, eine Provinzialrömische, eine Islamische, eine Chinesische, eine Altamerikanische und eine Naturwissenschaftliche Archäologie und neuerdings auch eine Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Immer widmen sich die Forscherinnen und Forscher als Vertreter dieser Fächer bestimmten Zeitepochen, bestimmten Kulturräumen oder ganz spezifischen Quellengattungen.

Am universellsten ist die Prähistorische Archäologie oder Ur- und Frühgeschichte. Sie ist nicht an bestimmte Räume gebunden, auch wenn sie sich überwiegend der frühen Menschheitsgeschichte Europas widmet. Prähistoriker erforschen – und zwar weltweit – die Geschichte des Menschen seit dem Zeitpunkt, an dem er seine ersten Werkzeuge zu fertigen beginnt, und das geschah vor mehr als 2,7 Millionen Jahren. Die Erforschung der Urgeschichte ist jenen Perioden gewidmet, in denen es noch keine schriftlichen Zeugnisse gab – Epochen aus der dunklen Anonymität frühester Jahrtausende. Die Urgeschichte wird ab jenem Zeitpunkt zur Frühgeschichte, wenn die Wissenschaft zusätzlich mit ersten Schriftquellen arbeiten kann. Doch zwei Überlegungen sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig: Erstens reichen diese Schriftquellen bei weitem nicht aus, um die Geschichte umfassend zu rekonstruieren – folglich braucht man weiterhin die Archäologie. Und zweitens ist für frühgeschichtliche Kulturen charakteristisch, dass immer nur Andere über sie schreiben, also etwa Griechen über Kelten oder Römer über Germanen – Kelten und Germanen aber nie über sich selbst. Erst wenn Völker über eine eigenständige Geschichtsschreibung verfügen, endet ihre Frühgeschichte. Im Mittelmeerraum trifft dies schon auf die antiken Kulturen der Griechen und Römer zu; in weiten Teilen Mitteleuropas beginnt Geschichtsschreibung hingegen nicht vor dem Frühmittelalter, in Nord- und Osteuropa sogar erst im Hochmittelalter.

Als Begründer einer wissenschaftlichen Archäologie, die in erster Linie aus kunstgeschichtlichen Betrachtung entstand, gilt Johann Joachim Winckelmann (1717–1768). Nach einem Studium der Theologie, Geschichte, Medizin, Philologie und Philosophie reiste er nach Italien, begann, in Rom und Pompeji Antiken zu sammeln, und wurde schließlich von Papst Clemens XIII. im Jahr 1763 zum Aufseher der Altertümer im Kirchenstaat ernannt. Winckelmann sah die vornehmste Aufgabe der Kunst darin, die Schönheit darzustellen. Er prägte die berühmte Formel von der «edlen Einfalt und stillen Größe». Seine Begeisterung für männliche Helden- und Götterstatuen der Antike war auch Ausdruck homoerotischer Neigungen, wie in seinen Briefwechseln zum Ausdruck kommt. Die Vollendung jeglicher Kunst schien ihm die griechische zu sein, während er der römischen nur eine Rolle als deren Nachahmerin zugestand – so wie er die griechische Demokratie als dem römischen Despotismus überlegen betrachtete. Während seiner Forschungstätigkeit erkannte Winckelmann bereits früh die Notwendigkeit, sich dem Altertum auf dem Wege systematischer Ausgrabungen zu nähern, und so forderte er diese Vorgehensweise zum Beispiel für die bedeutende antike Stätte von Olympia ein, wo tatsächlich deutsche Archäologen 1874 die Arbeiten aufnahmen und dort bis heute tätig sind.

Nur wenige Jahre nach Winckelmann begründete Christian Jürgensen Thomsen (1788–1865), Antiquar am Kopenhagener Nationalmuseum, eine Gliederung der heimischen Altertümer in eine Stein-, Bronze- und Eisenzeit – das so genannte Dreiperiodensystem. Er richtete – fehlte es doch in seiner Heimat an einer mit Rom und Griechenland vergleichbar ‹großen› Kunst – den Blick erstmals auf die gesamte materielle Hinterlassenschaft der Vergangenheit, also etwa auf alltägliche Gerätschaften und Schmuck, die wegen ihrer Unscheinbarkeit wenig spektakulär anmuteten.

Fast zur selben Zeit, als die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809–1882) Verbreitung fand (seit 1858), entdeckte man eigentümliche Menschenknochen «vom Geschlechte der Flachköpfe» im Neandertal bei Düsseldorf (1856). Doch selbst ein so anerkannter Anthropologe wie der berühmte Rudolf Virchow (1821–1902) hielt ein hohes Alter dieser menschlichen Überreste für ausgeschlossen und vertrat die Auffassung, dass diese Knochen von einem neuzeitlichen Menschen stammten, der durch Krankheit extrem deformiert gewesen sein soll. Allein aufgrund des enormen Ansehens Virchows wagte es die Forschung fast ein halbes Jahrhundert lang nicht, diese fundamentale Fehleinschätzung, die schon bald offensichtlich war, zu korrigieren.

Bedeutende Entdeckungen und hitzige Debatten


...
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Zum Buch253
Über den Autor253
Impressum4
Widmung5
Inhalt7
1 Von Kontroversen, Methoden und politischer Dimension – eine Einleitung in die Archäologie als Wissenschaft13
Mythen, Menschen und Methoden13
Bedeutende Entdeckungen und hitzige Debatten17
Naturwissenschaften verändern Weltbilder19
Archäologie im Spannungsfeld der Weltanschauungen23
2 Die Frühzeit des Menschen – vom Vegetarier zum spezialisierten Jäger29
Der Anfang vom Anfang29
Die ältesten Werkzeuge31
Von Afrika nach Europa34
Waffen und Feuer37
Ein sensibler Urahne – der Neandertaler41
3 Erfindungsgeist und große Kunst – kulturelle Modernität weltweit46
Neue Welten für den neuen Menschen46
Der Homo sapiens gegen Ende des Eiszeitalters50
Wie der Mensch auf den Hund kam52
Mit der Nähnadel in die Eiszeitwelt52
Der Kult für die Toten und die Kunst für die Lebenden53
Ein neues Zeitalter kündigt sich an59
4 Sesshaftwerdung und frühe Landwirtschaft – die erste Revolution62
Der Wald kehrt zurück62
Die rätselhaften Funde von Lepenski Vir63
Die Anfänge der neolithischen Revolution im Fruchtbaren Halbmond65
Gesellschaft und Landschaft in der Jungsteinzeit71
Sesshaftigkeit und Bandkeramik75
5 Technologie und Rohstoffe – die Basis von Macht und Herrschaft82
Von der Kunst, Metall zu bearbeiten82
Gesellschaftliche Folgen einer neuen Technologie83
Siedlungsformen der frühen Metallzeit in Südosteuropa86
Pflug, Rad und weitere folgenreiche Innovationen89
Der «Ötzi» – Wanderer zwischen den Welten91
Das Aufkommen der Megalithkultur94
Die Bronzezeit bricht an95
6 Von Gottkönigen, Baumeistern und Bürokraten – frühe Reiche im Nahen Osten102
Auf dem Weg zu den ersten Hochkulturen des Alten Orients102
Eridu und Uruk – die ersten Städte entstehen104
Der Aufstieg Ägyptens107
Die Anfänge des Pharaonenreichs110
Die Entstehung der Pyramiden110
Die unsterbliche First Lady des Alten Ägypten113
Archäologie in der Verantwortung115
7 Wirtschaftskrise, zerstörte Paläste und religiöser Wandel – eine Welt im Umbruch118
Der älteste Friedensvertrag der Welt118
Aufstieg und Fall der minoischen Hochkultur120
Die Welt der Mykener122
Die rätselhaften Seevölker124
Radikale Veränderungen in Mitteleuropa im Spiegel archäologischer Funde126
8 Wein und Feigen, Mode und Möbel – Mitteleuropa im Bann des Südens134
Aufstieg und Fall der Phönizier134
Die große Kolonisation der Griechen136
Die Hallstatt-Zeit in Mitteleuropa138
Sehnsucht nach südlichem Lebensstil142
Der Keltenfürst von Hochdorf145
Die Heuneburg147
9 Migrantentum und wirtschaftlicher Aufstieg – die Kelten in Europa151
Die Latène-Kultur151
Das Fürstengrab vom Glauberg153
Die Welt der Kelten in Aufruhr156
Oppida – keltische Großsiedlungen entstehen159
Fast schon eine Hochkultur163
Das Ende der antiken Kelten165
10 Zwischen Vernichtung und Akkulturation – Römer und Germanen167
Römische Expansion in Germanien167
Ein Traum wird zum Alptraum – die Varuskatastrophe169
Kalkriese oder das Rätsel der Varusschlacht171
Römische Germanienpolitik nach der Schlacht im Teutoburger Wald173
Die Sicherung der obergermanisch-rätischen Gebiete174
Städte und städtisches Leben177
Die Kultur des Feindes179
11 Christen, Ritter, Gurkenzüchter und Händler – das heutige Europa entsteht185
Das Imperium Romanum in Gefahr185
Die Bedrohung durch germanische Stämme187
Der Aufstieg des Christentums190
Die Völkerwanderung191
Langobarden, Franken und Slawen – die Welt des Frühmittelalters nimmt Gestalt an194
Die Gräber der Krieger196
Burgen, Kirchen, Handelswege198
12 Latrinen, Schlachtfelder oder «entartete» Kunst – keine Geschichte ohne Archäologie204
Bedarf es noch der Archäologie für das Verständnis jüngerer historischer Epochen?204
Die Zeit der Kreuzzüge205
Quellen zur Stadtgeschichte, die nicht verbrennen207
Stadtluft macht frei – und ist gefährlich208
Die Welt der Burgen und Ritter211
Die Unterwerfung der Neuen Welt im Spiegel der Archäologie214
Die Archäologie der Schlachtfelder und Gefangenenlager217
Die Rettung der Erinnerung durch die Archäologie219
Archäologie fördert «entartete Kunst» wieder ans Licht220
13 Schlussbetrachtung226
Anhang230
Literatur231
Personenregister242
Register geographischer Begriffe und Völkernamen245
Nachweis der Abbildungen und Karten251

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