Fauchend streckt er uns seinen fleischigen Schädel entgegen, spitze Fangzähne lassen ahnen, was seinen Opfern droht. Zehn Meter ist der gefürchtete Allosaurus lang und er steht uns im Altmühltal direkt gegenüber. Etwas gruslig ist der Dinosaurier schon, aber Felix ist trotzdem begeistert. Wenn Ihr Sohn ein bisschen wanderfaul ist, ist diese Tour genau das Richtige, um ihn ein wenig aus der Reserve zu locken. Konkret sieht das so aus: Sie wandern, er dagegen sucht im Steinbruch nach Dinos, findet den Archaeopteryx, wird mit einer Burgbesichtigung sowie einer Pizza oder Hamburgern belohnt – und wandert trotzdem 16 Kilometer.
Charakteristik Leichte, aber lange Wanderung mit kurzen Steigungen. Dauer Reine Wanderzeit fünf Stunden (Länge: 15,9 Kilometer, Höhenmeter: 810); als Tagesausflug oder mit Übernachtung möglich. Alter Ab 6 Jahre. Beste Monate Mai bis September. Umgebung • • • • Aufwand • • Sportlicher Anspruch • • • Teambuilding • • • »Fossilien zu klopfen ist ziemlich cool, weil man eigentlich immer etwas wie eine versteinerte Schnecke oder einen Fisch findet.« |
Diese Tour führt einen ganz besonders schönen Abschnitt des gut 200 Kilometer langen Altmühltal-Panoramaweges entlang. Das hat den Vorteil, dass Kartenmaterial eigentlich unnötig ist. Der Weg ist gut beschrieben, überall stehen Schilder mit dem prägnanten Symbol des Weitwanderweges oder es kleben Markierungen an den Felsen. Einfach diesen Hinweisen folgen und, wenigstens dieses eine Mal, die männliche Intuition – »Eigentlich müsste es doch jetzt hier links nach oben gehen« – ignorieren.
Felix und ich schlendern vom Bahnhof aus in Richtung der Ortsmitte Dollnsteins und laufen nördlich über die Altmühlbrücke. Immer das Wichtigste an einer Vater-Sohn-Tour im Auge: die Brotzeit. Die darf, wenn die Mama nicht dabei ist, auch mal ein wenig süßer ausfallen. Nicht zu übersehen ist der große Supermarkt mit seiner kleinen Bäckerei auf der linken Straßenseite, in der an guten Tagen ganz ausgezeichnete Granatsplitter lauern. Einer wird gleich gegessen, der zweite als Brotzeit mitgenommen. Mehr brauchen zwei Männer nicht. Meine Frau Sibylle würde jetzt sagen: »Reicht euch das wirklich?«, »Ihr braucht was Richtiges« oder »Der wird sicher weich und zerbazt dann«. Recht hat sie! Aber es geht hier nicht um Rationalität, sondern um eine Männertour. Was vernünftig gewesen wäre, wird später entschieden. Nur mit einem Argument würde sie uns überzeugen: »Nehmt euch etwas zu trinken mit.« Also gibt es ein Bier für mich und ein Spezi für Felix. »Schmeckt sicher super zum Granatsplitter«, wäre ihr finaler Kommentar. Egal, jetzt aber los!
Immer wieder wird der Panoramaweg zum schönsten Wanderweg Deutschlands gekürt – und zwar nicht von Marketingexperten, sondern von ganz normalen Wanderern oder Wandermagazinen. Die Attraktivität des Weges ergibt sich zum einen aus der gemütlich dahinfließenden Altmühl und zum anderen aus den teils hohen Hängen des Urdonautales. Wer weit oben steht und auf das sattgrüne Tal hinuntersieht, kann sich nur schwer vorstellen, fast am Grund eines subtropischen Unterwasserparadieses zu stehen. Das befand sich genau hier vor 150 Millionen Jahren in einem flachen, warmen Meer. Die Felsen, auf denen wir jetzt wandern, sind nichts anderes als die kalkhaltigen Ablagerungen dieses Urmeeres.
Ein anderes Bild ist leichter vorstellbar: die Urdonau. Der gewaltige Strom, von dem heute nur die Altmühl geblieben ist, fräste dieses breite Tal aus dem Kalk. Schon als Kind hat mich der Gedanke fasziniert, wie ein Fluss aussehen muss, der sich bis zu 800 Meter breit über dieses Tal erstreckt und bei einem Gewitter wild tobend in Richtung Osten strömt. Das ist fast ein bisschen gruslig – und schon ist man wieder froh, heute das am langsamsten fließende Flüsschen Europas vor Augen zu haben. Abgesehen davon, dass wir, wenn wir jetzt die Kletterfelsen Dollnsteins auf dem Wanderweg im Talgrund passieren, ansonsten gut 50 Meter unter Wasser wären.
Kletterer sind fast immer auf den bleichen Felsen, die schon am Ausgangspunkt in Dollnstein nicht zu übersehen sind, unterwegs, und darum bietet sich, kaum dass wir losgegangen sind, schon wieder eine Pause an. Es ist faszinierend, wie sich die Sportler spinnengleich langsam die Wände nach oben schieben, ihre Seile oder Karabiner immer wieder einhaken und mühsam einen geeigneten Weg suchen. Vielleicht eine ganz gute Idee für den nächsten Vater-Sohn-Ausflug?
Es ist ein ruhiger, selbst am Wochenende fast einsamer Weg von Dollnstein in Richtung Eichstätt. Mitunter steigt er auf halbe Talhöhe an, bleibt aber mit Ausnahme von kurzen Waldpassagen in der Nähe der Altmühl. Weil wir Zeit haben, da nichts drängt oder zur Eile zwingt, bleiben wir immer wieder stehen. Wir bewundern die Aussicht auf Dollnstein oder setzen uns einfach auf die Wiese und beobachten ein paar Kanu-Wanderer, die mit ihren Booten ob der vielen Windungen der Altmühl meist gar nicht viel schneller sind als wir.
Eine gute halbe Stunde nach Breitenfurt, das ein Stück unterhalb der Gehstrecke liegt, steht rechts an der Altmühl ein so gar nicht ins sattgrüne Landschaftsbild passender weißer Imbisswagen. Am Wochenende, wenn es Sommer ist und kein Regenschauer ansteht, werden hier Würstl gebraten, es gibt Schnitzel und hinterher ganz ausgezeichnete, selbst gebackene Kuchen.
Unerwartet geht es jetzt steil bergauf. Ein schmales Weglein führt ans ehemalige Ufer der Urdonau, hoch über dem Tal. Das dauert nicht lang und ist offen gesagt eher für mich als für Felix eine tatsächliche Anstrengung. Nur nichts anmerken lassen, einfach nach oben und sich dann auf die Bank plumpsen lassen. Keine Angst, sie werden hier immer einen Platz finden, notfalls auch mit gut 100 anderen Wanderern. Die längste aus einem Stück gefertigte Holzbank Deutschlands, vielleicht sogar Europas, nein, wahrscheinlich sogar der ganzen Welt, steht hier. Ganz sicher jedenfalls ist sie 36,5 Meter lang. Wie so oft sind Kinder und Erwachsene aus ganz anderen Gründen beeindruckt: Felix gefällt die Bank, eben weil sie so lang ist, und mir, weil genau von dieser Bank aus der Blick ganz einfach wunderschön ist. Wem bis dahin noch nicht klar ist, warum dieser Weg Altmühltal-Panoramaweg heißt, der versteht es spätestens jetzt.
Wer möchte, kann sich nun kurz vom vorgesehenen Weg abwenden und nicht der Beschilderung nach rechts folgen, sondern ein paar Hundert Meter nach links gehen. An schönen Tagen starten hier Gleitschirmflieger und lassen sich von der Thermik hoch in den Himmel heben.
Zurück auf dem Hauptweg, stehen die nächsten Highlights an: Versteinerungen anschauen und dann selbst Dinos und Fossilien aus den Steinplatten klopfen. Das kleine Museum Bergér ist nicht ganz einfach zu finden. Ein paar Minuten nach der rekordverdächtigen Bank zweigt der Weg zum Steinbruch nach rechts ab, links dagegen geht es zu dem sehenswerten Museum. Lassen Sie sich nicht täuschen, einfach hinein in das Gewirr aus landwirtschaftlichen Gebäuden, Pferdeställen, Juramarmorproduktion und bäuerlichen Wohngebäuden des Gutes Harthof. Vielleicht zehn Meter nach den Produktionsstätten öffnet sich rechts ein kleines Gässchen in Richtung Osten und eines großen Innenhofes. Dort angekommen laufen Sie geradeaus auf einen Museumsshop zu und in dem Gebäude links ist das Museum untergebracht.
Mit etwas Glück ist der Chef selbst da. Georg Bergér, der Vorsitzende des Trägervereines des Museums, zeigt und erklärt mit so großer Begeisterung die im Museum ausgestellten Versteinerungen, dass man am liebsten sofort den nächsten Fossiliensteinbruch stürmen möchte. Vor allem stellt er Felix in Aussicht, dass er, falls er tatsächlich einen Dino freiklopfen sollte, diesen auch mitnehmen darf. Grundsätzlich zumindest: »Er darf nur den Wert von 5000 Euro nicht übersteigen. Wenn dein Dino aber mehr wert ist, kaufen wir ihn dir ab.« Bergér verrät auch, dass ein Sammler kürzlich eine richtig große Versteinerung gefunden hat. Einen Ichthyosaurier, insgesamt zwei Meter lang. Meist allerdings kommen nur Rochen, Haie, große und kleine Fische, Ammoniten und Haarsterne ans Tageslicht. Wenn auch nicht täglich, versteht sich.
Dann zeigt Bergér auf einen Stein, auf dem sich etwas befindet, das wie eine Ansammlung von versteinerten Regenwürmern aussieht: »So etwas findest du auf jeden Fall. Das gibt es hier überall.« Felix ist beeindruckt: »Und was ist das?« Bergér lacht: »Das ist nichts anderes als Tintenfischkacke.«
Wie praktisch, dass der Steinbruch nur ein paar Gehminuten entfernt und schon von Weitem zu sehen ist. Denn ein...