Konsum und Wirtschaft
Die Badehose von Amrani
(Um den Schein der Einhaltung von Markenrechten zu wahren, werden am Strand nicht Badehosen von „Armani“ verkauft, sondern von „Amrani“. Schaut auf den ersten Blick ganz gleich aus und ist doch wesentlich billiger.)
Das soziale Verhalten am Strand unterscheidet sich in Albanien nicht wesentlich von anderen Küsten am Mittelmeer. Man sollte aber immer das in unseren Augen prüde und zurückhaltende Sozialverhalten der Albaner, was „Nacktheit“ angeht, beachten.
Die Strände in Durres im Norden gehen scheinbar endlos flach ins Meer über, der Sand ist sehr fein, die Wasserqualität wohl schlecht. Diese Bucht von ca. 50 km Länge ist im Sommer „der“ Strand der Kosovaren, die nun dank der neuen Autobahn in wenigen Stunden am Meer sind. Damit ist die Region fest in kosovarischer Hand. Nicht immer zur Freude der albanischen Brüder und Schwestern. Gleichzeitig ist es auch der Hausstrand des 40 km entfernten Tirana. Es ist ein riesiger kosovarischer Heiratsmarkt, wobei die Brautschau hier sehr, sehr diskret abläuft.
Dazu vielleicht folgender Exkurs: In aller Regel wird von Freunden ein erster Kontakt zur Familie der Kandidatin hergestellt und das Interesse angemeldet. Danach wird der schon unruhige Mann auf einen kleinen Spaziergang geführt. Von einem Balkon, hinter einem Vorhang, aus einem geschützten Winkel beobachtet die junge Frau (und wohl deren Familie) den Bewerber. Vielleicht kommt es danach zu einem ersten Kaffee in großer Runde. Die Verhandlungen über die profanen, wirtschaftlichen Aspekte einer Verbindung werden dann von den Männern der Familien geführt. Die beiden jungen Menschen, die der Mittelpunkt des ganzen „Wirbels“ sind, stehen unter genauester Beobachtung und leiden meist ziemliche Qual und Peinlichkeit. Was hier als kurzer Prozess dargestellt ist, kann sich über eine längere Zeit, meist Monate, hinziehen.
Die Hotels und Resorts haben Schirme und Sonnenliegen nach italienischem Muster aufgestellt, die wenige Euro Miete kosten. Schön ist etwas anderes. Es ist trotzdem sehr interessant. Inzwischen hat auch hier die mir unerklärliche Manie eingesetzt, wenige Meter hinter dem Meer einen Pool zu bauen, der mit chemisch „verseuchtem“ Wasser gefüllt ist.
Im Süden des Landes herrschen Steilküsten mit kristallklarem Wasser vor. Dafür sind die Buchten klein und schwer erreichbar. Meist auf Selbstversorgerbasis. Aber inzwischen hat auch hier der (wie auch immer) organisierte Tourismus seine Finger im Spiel.
An allen Stränden herrscht strandtypisches Chaos. Bälle fliegen, Kinder gehen verloren, Sand ruiniert den Fotoapparat. Strandverkäufer und zahlreiche Bars sorgen für Flüssigkeitsnachschub.
Die Badekleidung muss „züchtig“ sein. Die normalen Badehosen bekannter Marken werden hier gerne getragen. Als Imitat versteht sich. Oben ohne oder FKK sind verpönt und unerwünscht. Auch wenn sich das in wenigen Jahren wohl ändern wird, sollte derzeit unbedingt auf die Empfindungen der Gastgeber Rücksicht genommen werden!
Ansonsten wird beinahe alles akzeptiert. In den wenigen Wochen am Meer legen sich Albaner gerne in die pralle Sonne, sodass sie (angeblich nur am ersten Tag) krebs- bis dunkelrot werden. Haut, die sich in mehreren Schichten ablöst, anzuschauen tut weh! Sonnencreme nehmen nur „Touristen“. Ein echter Albaner schwört auf Olivenöl! Sie sollten das besser nicht tun, wenn Sie nicht mit schweren Verbrennungen oder dem Notarztflugzeug ausgeflogen werden wollen.
Es scheint, als würde jeder Albaner die Kunst des vollendeten Kopfsprungs, gefolgt von zehn perfekten Kraulbewegungen, beherrschen. Das reicht für eine Poollänge. Mehr wird nicht geschwommen. Ausdauer wird zwar bewundert, ist aber weitgehend unbekannt. 100 Längen im Pool gelten als vollkommen unmöglich.
Um Albanien und die Albaner zu verstehen, ist ein Aufenthalt am Meer unumgänglich. Es ist ein Blick in die Seele des Albanertums. Ein Tag auf einer schattigen Sonnenliege kann überaus unterhaltsam sein.
Shopping
Wenn einer eine Reise tut, dann will er auch was einkaufen. Diese Faustregel wird wohl auch für Albanien-Reisende zutreffen.
In Tirana und Durres haben sich in den letzten Jahren Filialen der wichtigsten internationalen Mode-Konzerne niedergelassen. Wenn Sie also das einkaufen wollen, das Sie auch bei uns im Laden um die Ecke bekommen, dann gehen Sie ruhig in eine der Shopping-Malls. Diese werden ohnehin überall aus dem Boden gestampft.
Aber Sie reisen ja nicht in eines der letzten exotischen Länder in Europa, um die gleichen Marken zu kaufen wie zu Hause. Oder?
In den Basaren können Sie Stücke von Modelabels erwerben, die ihre Filialen in Beirut, Aleppo, Eriwan und Bagdad betreiben. Die Hemden dieser Firma kann ich übrigens wärmstens empfehlen. Die sind von bester Qualität und kosten etwa 5 % von vergleichbaren Marken aus Italien. Es ist eine besondere Freude, zu Hause bei einem Geschäftstermin nach der Hemdenmarke gefragt zu werden …
Persönlich bin ich ja ein Verfechter der albanischen „Gebirgssocken“, die vor allem im Herbst in scheinbar allen Straßen von alten Frauen gestrickt werden. Diese bewähren sich – je nach Machart – auch für die kältesten Winter in unseren Breiten als Übersocken. Selten wurde für wenig Geld so viel Wärme geboten. Da es sich um unbehandelte Schafswolle handeln dürfte, sind sie kaum waschbar. Nach einer längeren Tragzeit empfiehlt sich also die Entsorgung auf dem Sondermüll.
Es gibt weitere Produkte aus dem Bereich des lokalen Kunsthandwerks, die sich sehr wohl als Urlaubssouvenirs eignen: Beispielsweise handgewebte Teppiche. Diese, dem arabischen Kelim ähnliche Teppiche, können aus einem großen Bestand beim Händler ausgesucht oder in Auftrag gegeben werden, der dann binnen weniger Tage abgewickelt wird. In Kruja beispielsweise können Sie Teppiche bestellen, die wohnzimmerdeckend einen Mercedes-Stern oder Ihr wunderbares Antlitz zeigen. Es gibt aber auch sehr schöne traditionelle, meist symmetrische Muster.
Ausländische Firmen und Produkte
In fast allen ehemals kommunistischen Staaten kann man dieselbe Beobachtung machen: Egal, wie gut und brauchbar die eigenen Produkte sind, die aus dem (westlichen) Ausland importierten sind viel – viel! – besser und vor allem prestigeträchtiger. Ach ja, da ist noch was: Diese sind auch viel – viel! – teurer. Das mag mit dem Umbruch zu tun haben, mit dem Streben nach neuen Statussymbolen. Aber es ist auch ein Zeichen für die Nicht-Wertschätzung eigener Produkte. Und das bei allem Patriotismus und Nationalismus. Dies trifft auf den gesamten ehemaligen Ostblock in unterschiedlicher Intensität bis heute zu.
Da Albanien mit den meisten seiner Nachbarstaaten eine durchaus konfliktvolle Vergangenheit und Gegenwart verbindet, sollte man meinen, dass Produkte und Firmen aus Ländern wie Italien und Griechenland abgelehnt werden. Andererseits gibt es in beinahe jeder Familie ein Mitglied, das in einem der beiden Länder arbeitet bzw. Geld verdient.
Da es in Europa nicht mehr viele unabgedeckte Märkte gab bzw. gibt, ist auch der invasive Drang aus den Nachbarländern nicht zu unterschätzen.
Interessanterweise sind Firmen aus Deutschland in Albanien verhältnismäßig wenig vertreten. Meist sind es Albaner, die eine Zeit lang in Deutschland gelebt haben, die beginnen, das Vertriebsnetz eines deutschen Unternehmens aufzubauen.
Bei österreichischen Firmen ist es deutlich anders. Für die Kleinheit Österreichs ist das Land weit überproportional am Balkan – und auch in Albanien – vertreten. Und zwar nicht nur mit Getränkeexporten. So ist beispielsweise die größte Bank Albaniens, über die auch sämtliche staatlichen Geldgeschäfte abgewickelt werden, eine österreichische. Sie betreibt insgesamt 127 Filialen im ganzen Land. Das bekannte Logo begegnet einem in den allerkleinsten Orten. Auch in anderen Bereichen sind österreichische Firmen vertreten und auch sehr geschätzt. Interessanterweise wird auch die Besatzung vor und im Ersten Weltkrieg eher positiv beurteilt.
Was aus Italien kommt, ist schon allein aufgrund dieser Tatsache „gut“. Trotz der Invasionsversuche ist Italien neben den USA eine irdische Form des Paradieses. Egal, was aus Italien kommt – Mode, Lebensmittel, Firmen – es ist gut und trifft auf höchste Sympathie. Diese Sympathie hat inzwischen dazu geführt, dass sich italienische Firmen die Rechte an den wichtigsten Wasserquellen des Landes gesichert haben und dort ihr „italienisches“ Tafelwasser abfüllen.
Was den Reisenden an die Grenzen des Wahnsinns und weit darüber hinaus führt, ist aber die Tatsache, dass inzwischen beispielsweise im Lebensmittelbereich sämtliche Produkte – wenn sie „gut“ sein sollen – aus dem Ausland kommen „müssen“. Es ist in Tirana so gut wie unmöglich, in einem Laden Meersalz aus Albanien zu kaufen. Dafür gibt es unter italienischen und griechischen Salzen eine große Auswahl. Das gilt auch für Olivenöl und manchmal schon für Tomaten. Hier kann man nur kopfschüttelnd den entsprechenden Laden fluchtartig verlassen.
Es soll hier nicht das Wort gegen griechisches Meersalz geführt werden. Es geht vielmehr darum, dass ein Land wie Albanien, das sich in einer wirtschaftlich schlechten Lage befindet, nicht auch noch die Produkte importieren sollte, die es selber ebenso gut produzieren kann.
Leider wird auch in den Medien dazu keinerlei Aufklärung geboten, was umso verwunderlicher ist, da sonst der Patriotismus ungeahnte Höhen erreicht.
Darauf...