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E-Book

Alles halb so schlimm

Die häufigsten Fragen an den Kinderarzt und überraschend einfache Antworten

AutorStephan Heinrich Nolte
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783641212711
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Häufig suchen Eltern bei jedem ersten Krankheitszeichen ihres Kindes sofort einen Arzt auf. Dabei wäre es meist gesünder und stressfreier, das Kind erst einmal zu beobachten und mit Ruhe abzuwarten. Angst um das kranke Kind führt eher zu Unruhe, Planlosigkeit, Überbehandlung und -diagnostik. Zeit, Liebe und Zuwendung kommen dann oft zu kurz, wären für das Kind jedoch viel wichtiger. Der Autor zeigt auf, welche Erkrankungen harmlos sind, aber auch, welche Erkrankungen einer sofortigen und konsequenten Behandlung bedürfen. Er erklärt verständlich warum ein Zuviel an Therapie schadet und was stattdessen hilft. Mit diesem Buch gibt er den Eltern das Vertrauen auf Genesung zurück und stärkt sie als Beschützer ihres Kindes.

Dr. med. Stephan Heinrich Nolte ist Kinder- und Jugendarzt. Er war leitender Oberarzt an der Universitäts-Kinderklinik Marburg, bevor er sich 1992 in eigener Praxis niederließ, die er bis 2022 leitete. Als Prüfarzt in Impfstoffzulassungsstudien und in der reisemedizinischen Beratung erhielt er vertiefte Einblicke ins Impfwesen. Der Lehrbeauftragte an der Philipps-Universität Marburg schrieb mehrere Ratgeber für Kindergesundheit und viele Artikel in Fachzeitschriften. Er ist Vater von fünf Kindern und hat bislang zehn Enkelkinder.

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Leseprobe

Notfälle

In der internationalen Kindergesundheit (Weltgesundheitsorganisation, Hilfsorganisationen) wurden sogenannte »allgemeine Gefahrenzeichen« (general danger signs)13 definiert, um zu klären, ob ein Kind durch lokale Gesundheitskräfte behandelt werden kann oder einem Arzt oder im Krankenhaus vorgestellt werden muss. Zur Beurteilung der Dringlichkeit lautet die erste Frage, wie lange die Symptomatik schon besteht: Ist es etwas Akutes, oder geht das Geschehen schon länger? Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach den einzelnen Symptomen (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Allgemeine Gefahrenzeichen

Gefahr besteht, wenn das Kind

  • verlangsamt, apathisch, nicht ansprechbar oder gar bewusstlos ist,
  • mehr als 5 Minuten krampft oder gekrampft hat,
  • sehr schnell oder angestrengt atmet oder die Haut blau angelaufen ist (Zyanose),
  • (über mehr als 24 Stunden) alles erbricht,
  • (mehr als 24 Stunden) nicht mehr essen und trinken will,
  • schwere Verletzungen mit äußeren oder inneren Blutungen hat.

Das Wichtigste bei jeder Art von Notfall ist, erst einmal Ruhe zu bewahren, sich einen Überblick zu verschaffen und die Situation einzuschätzen, um die richtige Wahl zu treffen, welche Maßnahmen am dringlichsten und damit erstrangig sind. Die Angaben, die man bei einem Notruf oder auch bei einem Anruf in der Praxis auf jeden Fall machen sollte, stehen in Tabelle 2.

Tabelle 2: Angaben beim Notruf

  • Wer ruft an? (Geben Sie Ihre Rückrufnummer an!)
  • Wo befindet sich der Patient?
  • Was ist passiert?
  • Wie viele sind betroffen?
  • Wann ist es passiert?

Warum ist das so wichtig? Wenn zum Beispiel keine Rückrufnummer angegeben wird oder wenn nicht vermittelt wird, wo sich der Patient gerade befindet, wird der Rettungsdienst unter Umständen an den falschen Ort geleitet. Nicht selten bricht der Anrufer in der Aufregung das Gespräch ab, oder es wird aufgrund der Notfallumstände plötzlich unterbrochen. Das Gespräch sollte immer die Leitstelle beenden, nicht der Anrufer!

Im Anschluss sollte der Zustand des Patienten überprüft und möglichst genau beschrieben werden (siehe Tabelle 3).

Tabelle 3: Checkliste Notfallsymptome

  • Reagiert das Kind, kann es sprechen (Alter berücksichtigen)? Wenn nicht, warum nicht? – Apathie, Bewusstlosigkeit, Krampf, Lähmung, Vergiftung?
  • Atmet es normal? – Stridor (Krupp), Asthmaanfall, Luftnot, Atemstillstand?
  • Hat es Schmerzen? – Wo, seit wann, warum (Unfall?)
  • Läuft das Kind herum (Alter berücksichtigen)? – Warum nicht?

Es ist oft nicht einfach festzustellen, was ein wirklicher Notfall ist. Vieles sieht dramatischer aus, als es ist, aber viele wirkliche Notfälle kommen zuerst ganz undramatisch daher. Ein Anhaltspunkt gibt Tabelle 4.

Tabelle 4: Handlungsanweisung für Notfälle

Lebensbedrohlich, »sofort, unverzüglich« gehandelt werden muss bei folgenden Symptomen:

  • Atemnot, fehlende Atmung,
  • Pulslosigkeit, Schockzustand,
  • Bewusstlosigkeit, Nichtansprechbarkeit,
  • Lähmungen, Ausfälle, Krampfanfälle,
  • Kopfschmerzen mit Nackensteifigkeit, Bewusstseinseintrübung,
  • schwere Verletzung: Kopf, spritzende Blutung,
  • allergische Reaktion mit Atemnot.

Dringliches Handeln (»gleich«) ist erforderlich bei folgenden Symptomen:

  • andauerndes Erbrechen, insbesondere mit Kopfschmerzen,
  • starke Schmerzen,
  • starke Blutung,
  • Verletzungen, Verbrennungen, Verätzungen, Stromunfall.

Bedingt dringlich mit der Handlungsnotwendigkeit »bald« sind folgende Symptome:

  • heftiges Erbrechen mit und ohne Durchfall,
  • hohes Fieber ohne sonstige Symptome,
  • Zustand nach Fieberkrampf/Krampfanfall,
  • wiedererlangtes Bewusstsein nach Ohnmacht,
  • mäßige Schmerzzustände.

Husten oder erschwerte Atmung – Wann ist das schlimm?

Gefahrenampel

Notarzt, Klinik: Schnappatmung, schwere Atemnot, Fremdkörper, Blausucht (Zyanose) oder Blässe und Apathie.

zeitnah zum Arzt: sehr schnelle Atmung, hohes Fieber, ziehende oder pfeifende Atmung ohne Atemnot.

Heimbehandlung, kurzfristige Kontrolle: Husten ohne Beeinträchtigung, Erkältungszeichen.

Wie geht es dem Kind? Seit wann? War das Kind vorher gesund oder schon länger erkrankt? Was war vorangegangen? Hat es sich »verschluckt«?

Beurteilung: Oberkörper frei machen, das Kind muss ruhig sein, darf sich nicht aufregen oder weinen. Beobachtung möglichst bei ganz freiem Oberkörper, am besten aus der Entfernung, um das Kind nicht aufzuregen. Bei angestrengter Atmung genau beobachten: Geht die Luft schlecht herein (Stridor, »ziehende Atmung«: Luftröhre, Kehlkopf, zum Beispiel bei Pseudokrupp, siehe Seite 69) oder schlecht heraus (Pfeifen beim Ausatmen, Giemen, »pumpende« Atmung: Asthma, obstruktive »spastische« Bronchitis siehe Seite 71]? Wenn die Atmung in dieser Hinsicht unbeeinträchtigt ist, Zählen der Atemfrequenz: wie viele Atemzüge pro Minute? Mehr als vierzig Atemzüge pro Minute: dringender Verdacht auf Lungenentzündung (im ersten Lebensjahr bei mehr als fünfzig Atemzügen pro Minute).

Durchfall – Wann ist das schlimm?

Gefahrenampel

Notarzt, Klinik: Zeichen schwerer Austrocknung (Dehydratation, Exsikkose) – bewusstlos oder schwer apathisch, trinkt nicht, eingesunkene Augen, stehende Hautfalten.

Zeitnah zum Arzt: leichte Austrocknung – Unruhe, Reizbarkeit, will trinken (auch wenn es gleich wieder erbricht), Hautfalten verstreichen innerhalb von zwei Sekunden.

Heimbehandlung, kurzfristige Kontrolle: keine Austrocknungszeichen, anfängliches Erbrechen, trinkt gut, Schleimhäute feucht, Hautspannung gut.

Wie geht es dem Kind? Wie viele Entleerungen? Seit wann? War das Kind vorher gesund oder schon länger erkrankt? Was war vorangegangen? Ist Erbrechen dabei? Blut im Stuhl?

Beurteilung: Aufmerksamkeitszustand (Vigilanz), Lethargie? Körperspannung, allgemeiner Ernährungszustand, Gesichtsausdruck: eingesunkene Augen? Schleimhäute feucht oder trocken (Mundhöhle, Lippen), Bauch gebläht oder eingesunken, Hautspannung (eine abgehobene Hautfalte am Unterbauch verstreicht normalerweise sofort, verstreicht sie langsam, ist es ein Zeichen für beginnende Austrocknung, bleibt sie länger als zwei Sekunden stehen, besteht schwere Austrocknung)? Wie reagiert das Kind auf Flüssigkeits- oder Nahrungsangebot? (Bei Kindern über einem Jahr: »Brezeltest«: Angebot eines Salzbrezelchens.)

Wenn das Kind apathisch oder ausgetrocknet ist, fortgesetztes Erbrechen und Flüssigkeitsverweigerung mehr als zwölf Stunden und die Nahrungsverweigerung über mehr als 24 Stunden anhalten, muss das Kind in die Klinik. Zeitnah ärztliche Hilfe sollte bei blutigen Stühlen, bei anhaltendem Durchfall über zwei Wochen in Anspruch genommen werden. Näheres siehe Seite 84.

Ohrenschmerzen – Wann ist das schlimm?

Gefahrenampel

Notarzt, Klinik: Schwellung hinter dem Ohr (Mastoiditis), Nackensteifigkeit, Apathie oder Bewusstlosigkeit.

Zeitnah zum Arzt: anhaltende Ohrenschmerzen, Fieber,...

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