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Von der Magie der Rhythmen
Wahrscheinlich haben Sie, als Sie das Wort »Rhythmus« gelesen haben, zuerst an Musik gedacht, an Trommeln, an den Beat der Songs, die uns täglich durch die verschiedenen Medien vermittelt werden, an den Zauber des Boleros von Ravel, an die Sinnlichkeit eines Tangos.
Doch Rhythmus ist viel mehr als nur die hörbare Gliederung eines Tonablaufs. Tatsächlich ist er ein wesentlicher, grundsätzlicher Mechanismus sämtlicher biologischer Systeme. Das ganze Universum schwingt in einem ganz bestimmten Rhythmus und ist wiederum erfüllt von pulsierenden Planeten und Sternenhaufen, die innerhalb des Herzschlags des Kosmos ihren individuellen Bewegungsfluss erzeugen.
Sämtliche Gestirne, die gesamte Menschheit, die Fauna und Flora, aber auch jedes Mineral besitzt eine eigene und unverwechselbare Schwingung. Physik und Chemie beschäftigen sich letztendlich mit nichts anderem als der Erforschung des Zusammenspiels unzähliger Rhythmen der verschiedensten Stoffe.
Auch unser gesamtes menschliches Leben ist ein einziger rhythmischer Vorgang und unser Körper ein gesamtrhythmisches Kunstwerk, das aus den Kräften des Kosmos entstanden ist und mit jeder Zelle dem Taktschlag seines Erschaffers folgt. Ab dem Moment der Zeugung unterliegen wir einem bestimmten Entwicklungsrhythmus, der ziemlich genau erkennen lässt, wann der Tag der Geburt zu erwarten ist, wann die ersten Zähnchen kommen und wann die Geschlechtsreife eintritt, aber auch, wann Ihre Sehkraft nachlassen wird und sich die ersten grauen Haare zeigen werden.
Aber keiner kann Ihnen sagen, wann und wie Sie Karriere machen oder heiraten werden, welche Menschen Ihnen Glück oder Elend bringen und ob sich an Ihrem letzten Lebenstag, dessen Zeitpunkt auch niemandem bekannt ist, Ihre Sehnsüchte und Träume verwirklicht haben werden.
Aber genau das, was sich unter dem Begriff »nicht vorhersagbar« versammeln lässt, ist natürlich das, was wirklich interessiert. Denn wer will schon wissen, wann die Wechseljahre kommen oder die Bandscheibenabnutzung beginnt?
Als junger Mensch interessiert man sich nicht für das Körpergeschehen der Zukunft, weil sich alle Kräfte auf den momentanen Aufbau konzentrieren. Und weil die Seele noch einen Hauch von Erinnerung bewahrt hat und ahnt, dass es um mehr geht als nur um dieses Wunderwerk aus Fleisch und Knochen und seine Funktionen. Ich möchte jetzt nicht vom Thema Gesundheit, von Behinderungen, von Unfällen, die ein frühes Körperbewusstsein herausfordern, und Ähnlichem sprechen. Denn diese Thematik würde ein eigenes Werk über Karma erfordern, das ungefähr 20 000 Seiten enthalten und in einer Entschuldigung wegen mangelhafter Vollständigkeit enden würde. Sondern ich spreche von der Norm, also dem üblichen Wachsen, Reifen und Altern eines ganz normalen Menschen, der innerhalb von schätzungsweise 70 bis 98 Jahren einerseits Dinge erleben wird, die typisch für die jeweiligen Lebensabschnitte sind, andererseits wird er diese Zeiten mit einem ganz individuellen Schicksalserleben erfüllen, bei dem einige andere Faktoren eine so ungeheuer wichtige Rolle spielen, dass es notwendig ist, diese Tatsachen ausführlich und genau zu besprechen.
Wir leben in geregelten und rhythmischen Abläufen, die wir mit Zeitbegriffen versehen haben und an die wir so gewöhnt sind, dass wir die Zusammenhänge mit dem Großen und Ganzen gar nicht mehr wahrnehmen.
Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass wir uns in einem geschlossenen System befinden, das seine Eigendynamik entwickelt hat, die sich am Verhalten des Kosmos orientiert, der sich ausbreitet, den Atem anhält und sich dann wieder zusammenzieht. Über Jahrtausende hat sich das Leben auf dem Planeten Erde den Instinkt für dieses ewige Auf und Ab bewahrt und sich danach gerichtet. Der wachsende und wahrnehmende Menschengeist fing irgendwann an, zu begreifen, dass es nicht die Natur, nicht die Sterne und auch nicht Mond und Sonne sind, die diese Rhythmen bewirken, sondern dass sie allesamt als Erfüllungsgehilfen sich nach einer höheren Ordnung richten, die es zu erkennen und zu befolgen gilt.
Wir sehen täglich einen neuen Morgen, hören wie selbstverständlich die Mittagsglocken läuten und wären sehr verwundert, wenn es gegen Abend nicht dunkel werden würde. Denn die Erde ist ja, wie seit noch gar nicht allzu langer Zeit bekannt ist, rund und dreht sich um die Sonne, und so ist es ganz natürlich, dass wir zu bestimmten Zeiten wach sind oder schlafen, dass wir die vier Jahreszeiten erleben, geboren werden und zu gegebener Zeit sterben, säen, ernten, glücklich und traurig sind und uns über den Zusammenhang all dieser Vorgänge eigentlich herzlich wenig Gedanken machen.
Manchmal gibt es ein Erdbeben, ein Vulkan bricht aus, eine Flutwelle verwüstet einen Landstrich, oder ein Jahrhundertsommer beglückt ganz Europa. Dann wieder kommt es vor, dass ganze Länder in unvorhergesehenen Schneemassen versinken oder ein goldener Herbst eine Traumernte beschert. Friedenszeiten wechseln sich mit Zeiten voller Spannungen und Kriege ab, der Blütezeit folgt der Niedergang. Dann spricht man entweder von Katastrophen oder schweren Zeiten und hofft, dass Natur und Menschenschicksal in Zukunft ihre Kräfte nur mehr im Positiven zeigen mögen. Doch es ist nicht eine Laune der Erdenkräfte oder böser Zufall, welche die negativen Situationen heraufbeschwören, sondern es sind feinste, kleinste rhythmische Schwingungen, die, vom kollektiven Menschengeist übernommen und potenziert, diesen Planeten in immer wiederkehrenden Wiederholungen in Aufruhr versetzen.
Mittelalterlicher Aberglaube! So werden Sie vielleicht denken und über meine Behauptungen den Kopf schütteln. Doch warten Sie, bis wir versuchen werden, Ihren eigenen Schicksalsweg zu durchleuchten. Da werden Sie auf sehr ähnliche, scheinbar unvorhersehbare Ereignisse stoßen und möglicherweise werden Sie nach beendeter Lektüre dieses Buches über die Entstehung und Vorgeschichte so mancher Vorkommnisse etwas anders denken, als Sie es in diesem Moment tun.
Vom inneren Aufbau her gesehen gibt es in Ihrer seelischen Ereigniswelt und in Ihrem ganz persönlichen Lebensplan Erfahrungen, die durchaus einem, allerdings seelischen Erdbeben und einer Gefühls-Sturmflut ähneln können: eine Liebe auf den ersten Blick, eine unvorhergesehene Kündigung, ein Lottogewinn, das Zerbrechen einer Hoffnung. All diese Dinge, die im Gesamtgeschehen unserer Erde eher lächerlich erscheinen, stellen in Ihrem Leben einen ebenso gravierenden Einschnitt dar wie die verschiedenartigsten Naturerscheinungen auf unserem Planeten Erde.
Wahrscheinlich haben Sie auf außergewöhnliche Schicksalszeiten ebenso intensiv reagiert wie von Naturextremen betroffene Menschengruppen: nämlich mit Entsetzen, Zorn und Trauer oder Jubel, Enthusiasmus und allgemeiner Hochstimmung. Ganz selten wird in Glückssituationen gefragt: Warum gerade ich? Warum geschieht das ausgerechnet mir? Das sind die eher üblichen und durchaus verständlichen Fragen nach schmerzlichen Erfahrungen, auf die zumeist keine Antwort gefunden wird, weil niemand wirklich gewillt ist, einzusehen, dass auch die ganz persönlichen Vorkommnisse des Lebens bestimmten Rhythmen entsprechen, in die wir eingebunden sind und an die sich unser individuelles Schicksal anpasst.
Auch die Bipolarität, die auf dieser Erde so selbstverständlich erscheint, ist Ausdruck eines Rhythmus, der bewirkt, dass sich zu allem und jedem ein Gegenpol, ein Antipode, heranbildet. Wir erkennen diese Polaritäten in der Gegenüberstellung von Tag – Nacht, Anfang – Ende, Mann – Frau, Licht – Schatten, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Die Begriffe Licht und Schatten werden oft im Zusammenhang mit dem Guten beziehungsweise dem Bösen verwendet, also mit zwei Bezeichnungen für Antipoden, die von jedem Menschen, auch ohne großartige Ausbildung, richtig zugeordnet werden können. Wir wissen längst, dass alles, was als Idee auf dieser Welt erscheint, zuerst in einer unsichtbaren Realität entsteht, um sich dann in verschiedenster Weise auf die Materie zu übertragen. Das Gute wird von der Allgemeinheit dem »Lieben Gott« zugeschrieben, während alles andere dem »Teufel« untergeschoben wird. In jeder Sprache und in jeder Kultur der Völker dieser Erde gibt es Bezeichnungen und figürliche Darstellungen dieser Mächte. In den Geisteswissenschaften wird das Böse z. B. gerne durch ein komplementäres Gegensatzpaar, nämlich die zwei Herrscher der Dunkelheit, Luzifer und Ahriman, dargestellt. Es herrscht die Vorstellung, dass diese beiden die Kraft erzeugen, die stets das Böse will und doch, ob es ihnen gefällt oder nicht, zuletzt dem Guten zuarbeitet. Während sich das »Luziferische« über ein Denken erkennen lässt, das die Illusion einer Selbsterlösung vermittelt, die von jeglicher höheren Instanz unabhängig ist, suggeriert das »Ahrimanische« die Möglichkeit dieser Befreiung durch kühlen Intellekt und totale Bezogenheit auf die Materie. Luzifer verkörpert den Geist des Auftriebs, der im Seelischen vor allem auf Gefühl und Willen wirkt und der die Menschen bis zur Berauschung und Verblendung mit Begeisterung und Euphorie zu erfüllen versucht. Sein Leitspruch könnte lauten: »Du kannst alles haben, wenn du es dir nur intensiv genug vorstellst und es wirklich willst.« Ahriman hat es sich dagegen zur Aufgabe gemacht, die Menschen glauben zu machen, dass Materialität etwas Absolutes sei, und drängt ihnen damit die Vorstellung auf, dass die Gesetzlichkeit des Stoffes auch die Gesetzlichkeit des Denkens ist. Er macht die Materie zum Maß aller Dinge. Der dümmlich-suggestive Werbespruch »Geiz ist geil« könnte direkt aus seiner Public-Relations-Abteilung stammen. Diese beiden dunklen Gestalten symbolisieren reell wirkende...