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Amisos bis zur römischen Eroberung 71 v. Chr.

Samsun in alter Zeit

AutorAynur Keskin
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl75 Seiten
ISBN9783656312130
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte - Weltgeschichte - Frühgeschichte, Antike, Note: 1, Technische Universität Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Nach Gazelon folgt Saramene und Amisos, eine beträchtliche Stadt, von Sinope gegen neunhundert Stadien entfernt.' Strabon, der griechische Geograph und Historiker aus Amaseia (64 v. Chr.-23 n. Chr.) benutzt das Attribut 'beträchtlich' nicht nur für Amisos in der Südküste des Schwarzen Meeres. Ist 'Beträchtlichsein' ein Hinweis für die besondere Stellung, die eine Stadt bei Strabon genießt? 'Nachher folgt ein Busen, in welchem Kerasus und Hermonassa liegen, zwei unbedeutende Wohnorte.' Er schreibt ruhig und emotionsarm, wenn die Orte nicht besonders aufregend sind. Für ihn, wohlgemerkt. Unbedeutend ist Amisos ganz und gar nicht, Strabon, der nahezu ganz Kleinasien aus eigener Anschauung kannte, gibt uns Mut für den Versuch, Amisos als Thema in vorliegender Arbeit bis zur Belagerung durch den römischen Feldherrn Lucullus im Verlauf der Mithradatischen Kriege 71 v. Chr. zu behandeln. Historische Notizen über Amisos sind spärlich. Das schränkt den Stoff für die historische Rekonstruktion ein. Es ist nicht einfach, die zeitlichen Anhaltspunkte exakt zu bestimmen. Die günstigste Verbindung zum Hinterland an der pontischen Südküste, die umliegenden fruchtbaren Landschaften und die Lage am Ausgangspunkt der wichtigsten antiken Nord-Süd-Überlandstraße ermöglichten es der Stadt dennoch, durch die Feder der Altertumshistoriker und -geographen ihren gebührenen Platz in den Papyrusblättern einzunehmen. Die fragmentarischen Schriftquellen zu bewerten, trägt für die Behandlung der angrenzenden Landschaften mit ihren Städten eine unverzichtbare Bedeutung, dabei ist unser wichtigster Führer zweifellos das geographisch-historische Werk Strabons.[...]

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Leseprobe

II 1 Über das Problem des Gründungsdatums der  Sinope

 

Die Besiedlungsgeschichte des Ortes im Archaikum wird in der schriftlichen Überlieferung uneinheitlich dargestellt. Von einer griechischen Gründung vor der Zerstörung durch die Kimmerier berichtet nur das Zeugnis Pseudo-Skymnos[49]. Herodot sagt von einer vor­kimmerischen griechischen Siedlung nichts. Während er bei der Textstelle IV 12 den Überfall der Kimmerier bezeugt, berichtet er: „Wie man weiß, besiedelten die vor den Skythen nach Asien flüchtenden Kimmerier die Halbinsel, auf der jetzt (d. h. zu seiner Zeit) die hellenische Stadt Sinope liegt.“ Da eine griechische Besiedlung Sinopes vor dem Kimmeriersturm im 7. Jhr. v. Chr.[50] sich bisher nicht nachweisen lässt[51], kann man aus dieser Stelle unmittelbar schließen, dass Sinope zur Zeit des Einfalls als hellenische Stadt noch nicht existierte. Wie sollen wir dann die Überfälle auf die griechischen Städte an der Südküste des Schwarzen Meeres und der Propontis von den Kimmeriern um 700 v. Chr.[52] verstehen, wenn nicht einmal die älteste milesische Anlage an der pontischen Südküste gegründet war[53] und die Welle der großen Kolonisation?

 

Eusebios gibt die Gründungsdaten in seiner Chronik für Sinope und Trapezus widersprüchlich an: Für Sinope ergibt sich bei ihm das Jahr 630 v. Chr., dagegen bei einer zuverlässigen Stelle für Trapezus 756/55[54]. Trapezus aber war fraglos eine Tochterstadt von Sinope, wie der griechische Geschichtsschreiber bzw. Philosoph Xenophon (etwa 426-354 v. Chr.) bestätigt[55]. Er überliefert bei der Anabasis weiter, dass Sinope auch um 630 durch Milesier gegründet wurde[56] und dieses Gründungsdatum wird auch dadurch belegt, dass sich unter den ältesten Zeugnissen in der Stadt ein korinthischer Aryballos (um 610 v. Chr.) und spätphrygische Gefäße (um 570 v. Chr.) befinden[57].

 

Strabon widerlegt die Behauptung von Apollodoros, der im 8. Jhr. v. Chr. lebende Dichter Homer hätte die Küste Paphlagoniens wie die übrige Pontische Küste wenig gekannt, da er sie nirgends erwähnt. Strabon vertritt die Meinung, dass Homer die gesamte Küste bereiste und schreibt weiter: „Wenn er aber Herakleia[58] und Amastris[59] und Sinope nicht nennt, die noch nicht erbauet waren, so kann uns das nicht wundern.“[60]  Die Chronologie von Eusebios mit der Unterstützung der Stelle IV 12 Herodots und XII 3, 26 Strabons bestreitet nicht, dass die Sinope während des kimmerischen Einfalls um 700 v. Chr. existierte, aber eben nicht als hellenistisch[61]. Die Vorstellung, dass milesische Siedler in Sinope wegen der Bedrohung durch die Kimmerier ihre Stadt verlassen haben, erscheint auch nicht logisch, da die bisherigen Funde in der neuzeitlich überbauten Stadt keine Bestätigung der von Herodot erwähnten Besiedlung durch Kimmerier ergeben haben[62]. Schließlich sollen sie den Ort nicht lange Zeit in Besitz gehabt haben, sondern  nur ausgeplündert und anschließend entlang der Pontosgestade weiter Richtung Westen abgezogen sein[63].

 

 Wenn Sinope nach der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr., also nach dem Abzug der Kimmerier, abermals eine milesische Gruppe aufgenommen hat, wie nach der Bestätigung der Chronologen[64], so sind die Gründe dafür an den Erfordernissen des Seehandels der Stadt zu suchen. Eine Reihe von Sekundärgründungen wurde gegen den Widerstand der einheimischen Völker an der Südostküste des Schwarzen Meeres durchgeführt[65]. Die größten dieser Tochterstädte der Sinopier waren Kotyora (heute Ordu), Kerasus (h. Giresun)[66] und Trapezus (h. Trabzon), kleinere z. B. Armene, Pteria und ein zweites Kerasus sowie in der Umgebung von Trapezus Hermonassa[67]. Es hat den Anschein, als schickte die neue Mutterstadt Sinope Siedlungen aus und bekam selbst als die Tochterstadt von Milet weitere Bevölkerungsteile.

 

 Bei der Erbauung  von Sinope durch die Milesier sind sich die anderen antiken Historiker bzw. Geographen wie der in Pontus einheimische Strabon und Diodoros einig, die jedoch  über den Zeitpunkt schweigen aber dafür ihre geographische Lage loben[68].

 

 Eusebios kennt für die milesische Kolonie an der Südküste der Propontis Kyzikos auch das Gründungsjahr 756/55, aber er gibt noch ein weiteres Gründungsdatum für sie an, das auf 675 v. Chr. führt[69]. Es ist anzunehmen, dass die Städte im Altertum mehrmals gegründet wurden, besser gesagt, ihre Besitzer gewechselt haben. Kam eine neue Kolonie in die Stadt, so fing eine weitere Gründung an, um zu einer neuen Kolonie zu werden[70]. Wechselten die Städte durch Eroberungen die Besitzer, waren sie logischerweise schon gegründet[71]. Schlussfolgern wir, Sinope soll Trapezus als eine Tochterstadt nicht neu gegründet sondern neu besiedelt bzw. besetzt haben.

 

 II 2 Die politische Situation Kleinasiens während der griechischen Expansion

 

 Die mächtigsten Dynastien in Anatolien waren um die Zeit der Großen Kolonisation Urartu, Gordion und Sardeis.

 

 Das urartäische Königreich entstand Mitte des 9. Jahrhunderts v. Chr. am Ararat um den Van-See. Sein Einfluss reichte unter den Königen Menuas (828-785 v. Chr.) und Argistis (785-753 v. Chr.) bis ans Schwarze Meer, dem Bereich um Kolchis im Norden und ans Mittelmeer (Nordsyrien) im Süden[72]. Rund vier Generationen nach der Gründung des Königreiches der Urartäer,  Mitte des 8. Jahrhunderts hatte sich um die Festung Gordion am Sangarios die Kernzelle des Phrygerreichs gebildet[73].

 

Um 700 v. Chr., kurz vor den ersten milesischen Gründungen an der pontischen Südküste, wurden die Kimmerier an der Nordküste des Pontos von den Skythen[74] vertrieben, die beide iranische Stämme waren[75], und drangen aus dem Kaukasus nach Nordkleinasien vor[76]. Trotz des seit dem Ende des 8. Jhr. v. Chr. immer stärker werdenden Druckes der aus Südrussland vorstoßenden Kimmerier schwächte diese Welle das Reich der Urartäer nur vorübergehend, da sie nach ihrem Sieg über Argistis II. im Jahre 707 v. Chr. westwärts weiterzogen. Herodot hat darauf hingewiesen, dass die Kimmerier die Siedlungen ausplündernd immer weiter westlich zogen[77]. Schließlich waren es zum einen die den Kimmeriern im 7. Jhr. v. Chr. nachstoßenden Skythen zum anderen die Meder unter Kyaxares (625-585 v. Chr.), die den Untergang Urartus herbeiführten[78].

 

 Der Kimmerier-Zug, der Urartu nicht im Kern traf, erschütterte dafür Gordion entscheidend und brachte es in Abhängigkeit zum Lyderreich[79]. Die kleinasiatischen Lyder hatten soeben in den Auseinandersetzungen mit den Kimmeriern, die vereint mit thrakischen Stämmen Einfälle in Kleinasien durchführten, unter der  Mermnaden-Dynastie ihre staatliche Einheit gefunden, deren Geltung sich von Sardeis bis an Ägäis und Propontis nach Westen ausweitete; sie ist im Kampf gegen den Achaimeniden Kyros II. 547 v. Chr. im Persereich aufgegangen[80]. Für die Assyrer im Osten war Urartu immer ein gefährlicher Gegner. Auch Gordion haben die Urartäer über das Tauros-Gebirge nach Westen abgedrängt[81].

 

 Urartu und Gordion orientierten sich in ihren politischen Aktivitäten grundsätzlich nach Osten auf das Reich der Assyrer hin; ganz im Gegensatz zu diesen beiden inneranatolischen Reichen haben die Lyderkönige – ihre Residenzstadt Sardeis lag in der Tat auch der Ägäis am nächsten – ihre Politik im wesentlichen nach Westen ausgerichtet[82]. Sie intensivierten damit politisch unerhebliche Anfänge, die bereits Midas von Gordion[83] angelegt hatte.

 

 Die Griechen, fast ausschließlich die Milesier, trafen durch die dargestellte Situation günstige Bedingungen an den pontischen Südgestaden an, die sie vorzugsweise wegen ihrer guten Lage auswählten, und begannen zahlreiche Tochterstädte zu pflanzen.

 

 II 3 Die Feststellung der milesischen Gründungen

 

 Welche Ortschaften fanden die Milesier vorteilhaft zur Ansiedlung?

 

 Die Einbuchtungen der Südküste an den Enden und in der Mitte ihres Bogens wurden von mehr oder minder blühenden Ansiedlungen der Milesier besetzt. Die Sättel von Landzungen bzw. Meerbusen oder Halbinsellage trugen ebenfalls Niederlassungen, wie das aufstrebende Sinope[84].

 

 Amisos war nicht auf einer Halbinsel, sondern an einer Meeresbucht angelegt[85]. Da milesische Gründungen stets am Meer lagen, kann bei einer unklaren Überlieferungslage grob entschieden werden, ob ein Ort milesischen Ursprungs ist[86]. Wenn eine Stadt im Binnenland angelegt ist, kann sie demzufolge ursprünglich keine milesische Kolonie sein. Zweifelhaft sind...

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