Kreativitätstechniken eignen sich nur für den internetbasierten Einsatz, wenn sie praktisch umsetzbar und somit technisch möglich sind. Es sollen daher in diesem Abschnitt vorerst alle relevanten Techniken dargestellt werden. Im zweiten Schritt sollen Kriterien festgelegt werden, welche diese erfüllen müssen, um internetbasiert zu funktionieren. Im letzten Schritt werden die ungeeigneten Instrumente anhand der K.O. Kriterien herausgefiltert.
In diesem Abschnitt sollen nicht alle Kreativitätstechniken einzeln erläutert werden. Das ist bei der Anzahl an existenten Kreativitätstechniken nicht umsetzbar. Daher ist eine überschaubare Auswahl an Techniken getroffen worden, die zusammen mit dem Unternehmen MSP Innovation & Consulting erfolgt ist. Es handelt sich hierbei um die gängigsten Techniken, die in der Praxis häufig verwendet werden. Eine Übersicht schafft Tab. 3. [56] Die Klassifizierung in Tab. 3 wurde auf Basis dreier Kreativitätswissenschaftler generiert: Higgins, Geschka und Schlicksupp.
Higgins strukturiert seine Techniken lediglich in zwei Rubriken: Gruppen und Individualtechniken.[57]
Geschka hingegen gliedert die Techniken nach Intuition und Systematik. Folgende Tabelle veranschaulicht seine Einteilung:[58]
Tab. 1: Klassifizierung der Kreativitätstechniken nach Geschka
Quelle: Geschka, H., 2002
Schließlich stuft Schlicksupp seine Techniken nach Verfahrensmerkmalen ein, die im Anschluss abgebildet sind: [59]
Tab. 2: Klassifizierung der Kreativitätstechniken nach Schlicksupp
Quelle: Schlicksupp, H., 2004
Werden die Klassifizierungen betrachtet, ist erkennbar, dass sich diese erheblich voneinander unterscheiden. Der Grund, warum keine vorhandene Klassifizierung übernommen werden kann ist, dass die ausgewählten Techniken aus unterschiedlichen Quellen stammen. Sie können sich nicht ohne weiteres in eine dieser Gliederungen einordnen lassen, da Überschneidungen auftauchen. Daher ist es von Nöten eine eigene Klassifizierung zu generieren, die in der Tab. 3 veranschaulicht wird. Um ein grobes Verständnis zu schaffen, werden im Anschluss die Überbegriffe erläutert. Die Beschreibung der einzelnen Techniken kann im Anhang 1 nachgeschlagen werden.
Tab. 3: Klassifizierung von Kreativitätstechniken
Quelle: Eigene Darstellung
Freie Assoziation / Intuition
Verschiedene Brainstorming und Brainwritingmethoden können als Freie Assoziation zusammengefasst werden. Freies Assoziieren meint den Gedanken freien Lauf lassen und Ideen entwickeln, ohne dabei Kritik auszuüben[60]. Erstmals wurde diese Technik durch Sigmund Freud für die Psychoanalyse entwickelt. Seine Patienten sollten frei über alles sprechen dürfen, auch wenn sie der Meinung waren, dass ihre Gedanken unsinnig waren. Dieses Verfahren war der Vorreiter für alle Brainstorming
und Brainwritingabwandlungen.[61] Für alle Ausprägungen der freien Assoziation gelten grundsätzlich vier Regeln:[62]
Es darf bei der Anwendung der Techniken keine Kritik ausgeübt werden.
Es darf gegenüber der Themenstellung kein zu hoher Anspruch gestellt werden.
Alle Ideen, auch unrealistische, sollen in Betracht gezogen werden um die Anzahl an Ideen zu erhöhen.
Ideen dürfen vervollständigt, kombiniert oder geändert werden.
Die Brainstormingvarianten werden vorwiegend in der Ideenfindungsphase für Suchprobleme angewendet.[63]
Strukturierte Assoziation
Die Strukturierte Assoziation besteht aus der strukturierten Problemanalyse sowie der strukturierten Kombinatorik. Auch bei diesen Instrumenten wird die Technik des Assoziierens angewendet. Allerdings dürfen die Teilnehmer bei diesen Instrumenten nicht spontan ihre Ideen preis geben, sondern es wird immer eine bestimmte Struktur verfolgt, die eingehalten werden muss. Diese Strukturen unterscheiden sich je nach Technik und können im Anhang 1 nachgelesen werden.
Situationsunabhängige Methoden
Die Kategorie der situationsunabhängigen Methoden ist entstanden, da diese Techniken eine Gemeinsamkeit verbindet - sie können raum-, zeit-, oder personenunabhängig genutzt werden.
Problemzerlegung
Die Problemzerlegung ist eine Kategorie, dessen Kreativitätstechniken strukturiert Problemsachverhalte darstellen. Darunter ist zu verstehen, dass beispielsweise Wechselwirkungen[64] eines Problems oder dessen Merkmale, Ziele oder Kriterien, übersichtlich visualisiert werden können.[65] Das Ziel der meisten Kreativitätstechniken dieser Kategorie ist eine ganzheitliche Darstellung des Forschungsproblems, um herauszukristallisieren an welchen Ansätzen Optimierungsbedarf vorliegt.
Problemverfremdung
Eine Problemverfremdung meint die unbewusste Entfernung von einem Problem. Dies kann durch den Einsatz von Bildern/ Wörtern erreicht werden.[66] Dabei werden in Kreativitätstechniksitzungen Bildmappen/ Wortlisten gezeigt und analysiert, welche nicht mit dem Problem verwandt sind.[67] Dadurch entsteht ein gewisser Abstand zum Problem, welches die Kreativität des Einzelnen stimulieren kann. [68] Eine oft verwendete Technik innerhalb der Instrumente ist die Analogie. Der Begriff stammt aus dem griechischen „analogia", welches wörtlich übersetzt „Entsprechung" bedeutet. [69] Eine Analogie ist somit gegeben, wenn eine Ähnlichkeit bzw. Gleichartigkeit zwischen zwei Sachverhalten besteht. Um ein Problem zu lösen wird nach fremden Strukturen gesucht und versucht diese auf das Problem zu übertragen. Hierzu soll zum Verständnis ein Beispiel genannt werden. Es soll nach einer aerodynamischen Oberfläche geforscht werden. Mögliche Lösung wäre der Vergleich mit der Oberfläche von Vögeln und der Versuch diese technisch nachzubauen.
Laterales Denken
Das „laterale Denken" wurde von dem Mediziner Edward De Bono in den sechziger Jahren entwickelt. Dieser Begriff meint die Fähigkeit kreativ in verschiedenen Denkschienen Ideen zu generieren.[70] Das Wort „Querdenker" wäre hierzu ein Synonym. Die Anwendung lateralen Denkens ist das parallele Denken. Zu diesem Denken gehört beispielsweise die Problemverfremdung, Problemübertragung sowie die freie Assoziation. Die Kreativitätstechnik „6 Hüte Methode", die aufgrund des parallelen Denkens von De Bono entwickelt wurde, veranschaulicht die Überschneidungen dieser drei Teilbereiche. [71] Das laterale Denken wurde als eigenständiger Punkt formuliert, da diese Technik eine Kombination der vorherigen Bereiche widerspiegelt.
Eine Investition in eine Kreativitätstechniksoftware kann nur in Betracht gezogen werden, wenn die Kreativitätstechnik auch für eine internetbasierte Nutzung geeignet ist. Um dies zu überprüfen, werden in diesem Kapitel K. O. Kriterien festgelegt, welche die Voraussetzung für die internetbasierte Nutzung widerspiegeln.
Um diese zu bestimmen, wurde die Überlegung gemacht, welche Funktionen klassische Kreativitätstechniken erfüllen. Zum einen wird vor allem in Gruppentechniken kommuniziert. Zum anderen muss ein gemeinsamer Treffpunkt der Gruppe definiert werden und es müssen Arbeitsmaterialien wie z. B Papier, Flipchart, Stifte etc. vorhanden sein. Diese drei klassischen Schritte lassen sich auf internetbasierte Funktionen übertragen. Diese können der folgenden Grafik entnommen werden. Die Erläuterung dazu folgt im Anschluss.
Abb. 6: Notwendige Funktionen zur Nutzung von internetbasierten Kreativitätstechniken
Quelle: Eigene Darstellung
Computervermittelte Kommunikation
Die größte Voraussetzung, besonders für Gruppentechniken, ist die Möglichkeit einer Kommunikation untereinander. Diese wird in der Internetfachsprache als Computervermittelte Kommunikation (CVK) bezeichnet, die sich in synchrone CVK sowie asynchrone CVK unterscheiden lässt.[72]
Synchrone Kommunikation meint, dass Sender und Empfänger synchron miteinander arbeiten. Beide Kommunikationspartner sitzen demnach zeitgleich vor dem Computer und kommunizieren. Es herrscht also nur eine Raumunabhängigkeit. Dabei lassen sich verschiedene Möglichkeiten voneinander unterscheiden:[73]
Chat: Die Kommunikation über die Chatfunktion verläuft textbasiert. Dabei können sich unendlich viele Teilnehmer an einem Gespräch beteiligen. In einem Chatfenster können alle abgesendeten Nachrichten in chronologischer
Reihenfolge...