Kapitel 1
SCHWACHPUNKT GELENKE
von Martin Kreutzer
»Aber ich bin doch erst 40!«, empörte sich eine meiner Klientinnen. Nach jahrelangen Hüftschmerzen, die ihre geliebten Laufeinheiten und irgendwann sogar einfachste Yogaübungen zu einer schmerzhaften Angelegenheit hatten werden lassen, hatte sie einen Arzt aufgesucht. Bisher war sie immer davon ausgegangen, dass die Ursache durchs Laufen bedingte Verhärtungen waren, die schon wieder abklingen würden. Doch ein Röntgenbild brachte die unbequeme Wahrheit ans Licht: Sie litt an Arthrose.
»Arthrose? Haben das nicht nur alte Menschen?« Leider nicht, denn obwohl sich die Krankheit meist erst im Alter entwickelt, können sich auch Menschen unter 50 nicht auf der sicheren Seite fühlen. Man nennt die Beschwerden nur nicht beim Namen – entweder weil man damit noch nicht beim Arzt war oder weil man Arthrose so sehr mit Altern assoziiert, dass man die Diagnose lieber verdrängt und auf Erklärungen ausweicht, die nicht ganz so chronisch und endgültig klingen.
»Ich habe Knieprobleme, weil ich früher so viel Handball gespielt habe.« – »Meine Hüfte schmerzt wegen des harten Trainings der letzten Monate.« – »Ich habe zu viel am Computer gesessen, deswegen tut mir der Rücken weh.« All das klingt doch deutlich weniger nach »Altersbeschwerden«.
Fakt ist aber leider, dass rheumatische Erkrankungen wie Arthrose oder Arthritis auch unter jüngeren Menschen verbreitet sind. Die 35-jährige Frau, die Handball spielte, bis Kinder und Karriere (und Knieprobleme) sie mit Ende 20 zum Aufhören zwangen, kann ebenso darunter leiden wie ein 55-Jähriger, der sich beim Physiotherapeuten regelmäßig wegen seiner Rückenprobleme behandeln lässt, durch die die Arbeit am Schreibtisch zur Schmerzenshölle geworden ist.
Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Rheuma der Überbegriff für Erkrankungen, die am Bewegungsapparat auftreten und fast immer mit Schmerz und häufig mit Bewegungseinschränkungen einhergehen. Rheuma ist weit verbreitet. So leidet bei den 40-Jährigen jeder zweite Deutsche unter Arthrose, bei den über 60-Jährigen sind gut die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer betroffen.
Auch wenn es schwerfällt, dies zu akzeptieren: Jeder von uns muss sich früher oder später – am besten früher – mit dem Thema Gelenkbeschwerden auseinandersetzen. Denn je früher man beginnt, gewisse Kurskorrekturen am Lebensstil vorzunehmen, desto länger können die meisten durch Verschleiß oder Entzündungen bedingten Erkrankungen hinausgezögert werden.
Ganz nebenbei lindert man dabei auch Beschwerden, die zwar keine Rheumaerkrankung darstellen, aber viel mit ihr gemeinsam haben, beispielsweise Überlastungsschäden aufgrund von sportlichen Aktivitäten oder Schmerzen wegen einer konstant schlechten Körperhaltung
Gelenkerkrankungen in Zahlen
- Etwa 10 Millionen Deutsche haben eine behandlungsbedürftige chronische Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates.
- Der Anteil von Menschen mit Arthrose, der häufigsten Gelenkerkrankung, liegt in Deutschland bei 15 bis 25 Prozent.
- Bei Rheuma zeigt sich ein Geschlechterunterschied. Während 90 Prozent der Gichtpatienten Männer sind, sind 75 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis Frauen.
- Rheuma betrifft nicht nur ältere Menschen. An Psoriasis-Arthritis und Gicht leiden meist Patienten zwischen 30 und 50 Jahren. Rheumatoide Arthritis wird gemeinhin im Alter zwischen 40 und 60 Jahren diagnostiziert, während Arthrose sogar bei Menschen ab 30 auftreten kann, insbesondere als Spätfolge von Sportverletzungen aus der Jugend.
Die wichtigsten Gelenke und ihre Probleme
Ein Gelenk ist die Verbindung zwischen zwei oder mehreren Knochen. Gelenke finden sich überall in unserem Körper, doch oft schenken wir ihnen erst Aufmerksamkeit, wenn sie zu schmerzen beginnen und wir uns nicht mehr wie gewohnt bewegen können.
FINGER
FUNKTION:
Fingergelenke sind klein und zart. Erkranken sie, verlieren wir feinmotorische Fähigkeiten, wie sie etwa beim Stricken oder Klavierspielen gefordert sind. Das Greifen von Dingen wird ebenfalls schwierig.
TYPISCHE PROBLEME:
Verstauchungen oder Überdehnungen können die Gelenkkapseln schädigen und Rheuma auslösen. Auch jahrelanger Verschleiß kann zu Arthrose, Arthritis oder Gicht führen.
SCHULTERN
FUNKTION:
Schulterprobleme erschweren den Alltag. Der Arm kann beim An- und Ausziehen nicht mehr über den Kopf gehoben werden, und das Heben eines Gegenstands löst Schmerzen aus.
TYPISCHE PROBLEME:
Überlastungsschäden, die die Schulter schädigen und das Risiko einer Arthrose oder Arthritis erhöhen. Leistungsschwimmer, Handwerker und Menschen, die ihre Schultern stark beanspruchen, sind besonders gefährdet.
ELLBOGEN
FUNKTION:
Sei es beim Kochen, Basteln oder Kratzen im Nacken – stets wird dabei das Ellbogengelenk gebeugt und gestreckt. Das zarte Gelenk reagiert jedoch empfi ndlich auf Überbelastung.
TYPISCHE PROBLEME:
Während es beim Handwerker eher zum Verschleiß der Gelenke kommt, treten bei Menschen, die viel am PC arbeiten, häufi g Schäden am Sehnenansatz auf. Beides kann zu Arthrose führen. Der Ellbogen kann zudem an rheumatoider Arthritis erkranken, die den Knorpel zerstört.
HÜFTE
FUNKTION:
Beim Aufstehen, Hinsetzen, Gehen und Laufen – immer ist die Hüfte involviert. Normalerweise kann sich der Oberschenkelknochen im Kugelgelenk in alle Richtungen bewegen. Durch Rheuma wird diese Mobilität eingeschränkt.
TYPISCHE PROBLEME:
Arthrose aufgrund von alters-, arbeits- oder sportbedingtem Verschleiß.
KNIE
FUNKTION:
Das Kniegelenk ist das größte und komplizierteste Gelenk unseres Körpers und steuert die Bewegung des Unterschenkels. Bei Kniebeschwerden wird das Hinsetzen schwierig und unsere Beweglichkeit ist eingeschränkt.
TYPISCHE PROBLEME:
Rheuma durch jahrelangen Verschleiß der Knorpelscheiben. Aufgrund von Sportverletzungen kann es zu einer Schädigung der Bänder und Knorpelscheiben kommen, was ebenfalls Knieprobleme verursacht.
FUSSGELENK
UNKTION:
Gemeinsam mit Knien und Hüften spielen die Fußgelenke bei Ihrer Mobilität eine Schlüsselrolle. Fußgelenke sind aktiv, wenn Sie in die Hocke gehen, einen Schritt machen oder versuchen, das Gleichgewicht zu halten.
TYPISCHE PROBLEME:
Verstauchungen und Brüche können zu Rheuma führen. Rheumatoide Arthritis kann jedoch auch ohne Vorschädigung entstehen.
GROSSER ZEH
FUNKTION:
Die Zehen spielen in unserem Alltag vielleicht keine so wichtige Rolle wie unsere Finger, doch sie sind für unsere Stabilität beim Gehen und bei anderen Bewegungen von zentraler Bedeutung.
TYPISCHE PROBLEME:
Zehen, insbesondere der große Zeh, können an Gicht erkranken. Spitze oder hochhackige Schuhe verschleißen das Gelenk, und durch Brüche werden Gelenkkapseln oder andere Gelenkteile beschädigt.
WAS BEDEUTET RHEUMA?
Laut Robert Koch-Institut sind es Gelenkbeschwerden und -schmerzen, die Menschen weltweit am häufigsten in ihren Alltagsaktivitäten einschränken. Das kann ich nur bestätigen, denn in meiner Praxis begegne ich fast täglich Menschen, die über Schmerzen im Bewegungsapparat klagen. Die Ursachen sind vielfältig, es gibt nämlich insgesamt mehr als 200 verschiedene Muskel-, Skelett- und rheumatische Erkrankungen, die allesamt Gelenkschmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit mit sich führen. Am häufigsten kommen Arthrose, Gicht, rheumatoide Arthritis und diverse Rückenprobleme vor.
In diesem Buch konzentriere ich mich allerdings nur auf rheumatische Erkrankungen, die sich meiner Erfahrung nach durch Ernährung, Bewegung und andere wichtige Lebensstilmaßnahmen lindern lassen. Zwar verschwinden die Beschwerden nicht unbedingt, doch die Symptome werden abgemildert und Sie erhalten wieder mehr Lebensqualität.
Ich will Ihnen jedoch nichts vormachen: Wer die Diagnose Rheuma erhalten hat, muss mit gewissen Einschränkungen leben. In diesem Buch möchte ich Ihnen allerdings zeigen, wie Sie Ihre Beschwerden so weit lindern können, dass Sie sie so wenig wie möglich spüren.
Stellen Sie sich Ihre Gelenkerkrankung wie einen Drachen vor, der in Ihrem Inneren friedlich schlummert. Wenn Sie ihn schlafen lassen und keine Konfrontation suchen, ist alles gut. Doch wehe, Sie wecken ihn auf! Dann beginnt er, Feuer zu speien und Ihnen das Leben zur Hölle zu machen. So in etwa pflege ich meinen Klienten ihre Krankheit zu erklären und sie auf diese Weise zu einer antiinflammatorischen Ernährung zu bewegen.
Meine Erfahrung als...