I. Die gemeinsame Grundursache im Wesen aller Krankheiten.
„Sie sind ein wirklicher Wohltäter der Menschheit! Ich wäre glücklich für alle Menschen, wenn sie nach Ihren einzig richtigen Grundsätzen leben würden ...!“
Heinr. Knote, kgl. Kammersänger.
Alle Phasen des Entwicklungsprozesses der Heilkunde, die der ersten Kulturperioden eingeschlossen, haben in ihrer Vorstellung vom ätiologischen (ursächlichen) Wesen der Krankheiten das eine gemeinsam, dass die Krankheiten auf Grund äußerer Ursachen in den Menschen eindringen und ihn somit, kraft eines notwendigen, wenigstens unabwendbaren Gesetzes, in seinem Dasein stören, schmerzen und schließlich umbringen. Dieses Grundtones dämonischer Vorstellung hat sich selbst die moderne Medizin noch nicht entschlagen, so wissenschaftlich aufgeklärt sie auch zu sein vorgibt. Gerade die modernste Errungenschaft, die Bakteriologie, freut sich über jeden neuentdeckten Bazillus, als einen weiteren Gesellen im Heere der Wesen, die da bestimmt sein sollen, das Leben des Menschen zu gefährden.
Im philosophischen Lichte betrachtet, unterscheidet sich diese Auffassung vom mittelalterlichen Aberglauben und vom Zeitalter der Fetische nur durch das vertauschte Wort. Ehemals war es ein bis zur „teuflischen Persönlichkeit“ in der Vorstellung verdichteter „böser Geist“, jetzt aber ist dieses Unheil anrichtende Wesen ein mikroskopisch sichtbares Wesen und seine Existenz ist exakt nachgewiesen.
Zwar hat die Sache noch einen großen Haken mit der „Disposition“. Ein schönes Wort! Aber was darunter zu verstehen ist, hat uns noch niemand gesagt. Alle Tierversuche mit ihren Symptomenreaktionen beweisen deshalb nichts Sicheres, weil diese nur bei Injektion in die Blutbahn, niemals aber bei Aufnahme in den Verdauungskanal durch den Mund auftreten.
In der Vorstellung vom Eindringen, vom „Vonaußenherkommen“ der Krankheit ist etwas Wahres, auch bei Vererbung, aber nicht in dem Sinne, dass der Eindringling ein dem Leben feindlicher Geist (Dämon) oder ein mikroskopisches Wesen (Bazillus) ist, sondern alle Krankheiten ohne Ausnahme, auch die vererbten, kommen – von wenigen andern unhygienischen Ursachen abgesehen – einzig und allein von biologisch unrichtiger, „unnatürlicher“ Nahrung und von jedem Gramm Überernährung her.
Zunächst behaupte ich, dass bei allen Krankheiten ohne Ausnahme ein Bestreben des Organismus vorliegt, Schleim1 und in vorgeschrittenem Stadium Eiter (zersetztes Blut), auszuscheiden. Dies wird mir jeder Sachverständige bei allen katarrhalischen Erscheinungen vom harmlosen Schnupfen bis zur Lungenentzündung und Schwindsucht zugeben. Wo diese Schleimabsonderung nicht offen zu Tage tritt, wie bei Ohren-, Augen-, Haut- und Magenleiden, Herzkrankheiten, Rheumatismus, Gicht usw., selbst bei allen Geisteskrankheiten, ist doch Schleim der Hauptfaktor des Übels, der von den natürlichen Ausscheidungsorgangen nicht mehr bewältigt wird, ins Blut übergeht und an der betreffenden Stelle, wo das Gefäßsystem vielleicht durch eine zu starke Abkühlung (Erkältung) usw. verengt ist, Hitze, Entzündung, Schmerz, Fieber erzeugt.
Man gebe einem Kranken irgendwelcher Art nur „schleimlose“ Nahrung, z. B. Obst oder gar nur Wasser oder nur Zitronenwasser, so stürzt sich die ganze zum ersten Mal frei gewordene Verdauungsenergie auf die seit der Kindheit angehäuften, vielfach verhärteten Schleimmassen, sowie auf alle daraus entstandenen „pathologischen Herde“. Und das Resultat? – Mit unbedingter Sicherheit wird in dem Urin und in dem Kot dieser Schleim erscheinen, den ich als die gemeinsame Grund- und Hauptursache aller Krankheiten bezeichne. Ist die Krankheit schon in einem fortgeschrittenen Stadium, so dass an irgendeiner Stelle, selbst im tiefsten Innern, pathologische Herde, d. h. zersetztes Zellgewebe sich befindet, so wird auch Eiter ausgeschieden. Sobald die Zufuhr von Schleim durch „künstliche Nahrung“, fettes Fleisch, Brot, Kartoffeln, Mehlspeisen, Reis, Milch usw. aufhört, greift der Blutstrom den Schleim und Eiter des Körpers selbst an und führ ihn durch den Urin ab, bei Starkverseuchten selbst durch alle zu Gebote stehenden Öffnungen und die Schleimhäute.
Wenn man Kartoffeln, Getreidemehl, Reis oder entsprechendes Fleischmaterial lange genug kocht, so erhält man einen gallertartigen Schleim oder Kleister, den Buchbinder und Tischler zum Pappen und Leimen gebrauchen. Diese Schleimsubstanz wird bald sauer, geht in Fäulnis über, gibt den Boden ab für Pilze, Schimmel, Bazillen. Bei der Verdauung, die chemisch nichts anderes ist als ein Kochen, ein Verbrennen, wird dieser Schleim, dieser Kleister ebenso abgeschieden, denn das Blut kann nur den heraus verdauten, aus Stärkemehl umgewandelten Traubenzucker gebrauchen. Das Abgeschiedene, das überflüssige Stoffwechselprodukt, eben dieser Kleister, dieser Schleim, ist für den Körper ein Fremdstoff und wird im Anfang restlos ausgeschieden. Nun muss doch einleuchten, dass im Laufe des Lebens Darm und Magen allmählich so verkleistert und verschleimt werden, dass dieser Kleister pflanzlichen, und dieser Leim tierischen Ursprungs in Fäulnis übergehen, die Blutgefäße verstopfen und schließlich das stockende Blut zersetzen muss. Kocht man Feigen, Datteln oder Trauben dick genug ein, so ergibt sich auch ein Brei, der aber nicht in Fäulnis übergeht und niemals Schleim abscheidet und den auch niemand Schleim nennt, sondern der Sirup heißt. Fruchtzucker, das wichtigste für das Blut, ist zwar auch klebrig, wird aber vom Körper als höchste Form von Brennmaterial restlos verarbeitet und hinterlässt zur Ausscheidung nur Spuren von Zellulose, die, weil nicht klebrig, sofort ausgeschieden wird und nicht fault. Der eingedickte Zucker wird ja sogar wegen seines Widerstandes gegen die Fäulnis zur Erhaltung von Speisen benutzt.
Jeder gesunde und kranke Mensch setzt an der Zunge stinkenden Schleim ab, sobald er die Nahrung einschränkt oder fastet. Dasselbe geschieht an der Magenschleimhaut, von der die Zunge das genaue Spiegelbild ist. Bei der ersten Stuhlentleerung nach dem Fasten erscheint dieser Schleim. – Natürlich musste diese Schleimtheorie bei den auf dem Boden der Wissenschaft Stehenden Staub aufwirbeln, wie alle Entdeckungen, die von Laien kommen. Ich muss nun noch deutlicher werden und sagen, was ich nicht behauptet habe.
Ich sage nicht, dass Schleim immer und allein die Ursache aller Krankheiten ist, sondern ich sage, dass er der gemeinsame Grundfaktor aller Krankheiten ist, d. h. also: es kann noch viele andere Ursachen von Krankheiten geben. Ich bestreite auch gar nicht, dass es solche gibt, aber Schleim ist immer und in jedem Falle vorhanden. Er ist von Kindheit an nachweisbar auch im vermeintlich gesunden Organismus da. Schleim ist in allen Krankheitsfällen die gemeinsame und hauptsächliche Grundlage, der Hauptstoff in der Summe aller Krankheitsstoffe, neben Harnsäure, Stoffwechselgiften, Kohlensäure usw. Also restierende Stoffwechselprodukte tierischen und pflanzlichen Ursprungs sind es, die gerade wegen ihrer klebenden und kleisternden Eigenschaften im Magen und Darm sich anlegen, setzhaft werden und beide allmählich verstopfen. Durch den Blutstrom (weiße Blutkörperchen) in das ganze „Röhrensystem“, besonders in die großen Blutgefäße: Lunge, Herz, Nieren usw. getragen, führen sie die Verstopfung auch dieser Organe herbei. Wer nicht einsehen will, dass eine etwa zehn Meter lange Röhre, der Verdauungskanal, mit der Zeit unmittelbar an den Innenwänden bei der besten Verdauung verunreinigt werden muss, dem ist eben nicht zu helfen. Was ich behaupte ist ein durch das Experiment an jedem Menschen objektiv nachweisbarer Zustand und keine „laienhafte Phantasie“. Ich empfehle den Ärzten und Forschern, meine Behauptungen durch das Experiment nachzuprüfen, das doch den alleinigen und allein zuverlässigen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit hat. Das Experiment, die Frage an die Natur, ist die Grundlage aller Naturwissenschaft und gibt die unfehlbare Wahrheit, gleichgültig, ob ich oder ein anderer sie behauptet. Außerdem empfehle ich denjenigen, die mutig genug sind, die im folgenden geschilderten Experimente, die ich am eigenen Leibe gemacht habe, nachzuprüfen. Sie werden von der Natur, d. h. von ihrem Organismus dieselbe Antwort erhalten, vorausgesetzt, dass dieser in meinem Sinne gesund ist. Bis zu einem gewissen Grad „exakt“ reagiert erst der reine, gesunde, schleimlose Organismus. Nach fast zweijähriger strenger Obstdiät mit eingeschalteten Fastenkuren, hatte ich einen Grad von Gesundheit erreicht, von der man heutzutage keine Ahnung mehr hat, und die mir folgende Experimente gestattete, die ich in meiner Arbeit: „Ein 49tägiger Fastenversuch“, Veg. Warte 1909/10, näher beleuchtet habe:
Ich machte einen Messerschnitt in den Unterarm; es floss kein Blut, weil es sofort eindickte; Verschluss der Wunde, keine Entzündung, kein Schmerz, kein Schleim und kein Eiter: in drei Tagen verheilt, Blutkruste abgestoßen. Später bei vegetarischer Nahrung einschließlich Schleimbildner (Stärkemehlnahrung), aber ohne Eier und Milch: die Wunde blutete etwas, schmerzte und eiterte leicht, geringe Entzündung, völlige Verheilung erst nach längerer Frist. – Später dieselbe Verwundung bei Fleischkost und etwas Alkohol: längeres Bluten, das Blut hell, rot und dünn, Entzündung, Schmerz, mehrtätige Eiterung und Heilung erst nach einem zweitägigen Fasten.
Ich habe mich dem preußischen Kriegsministerium, natürlich vergebens, zur Wiederholung dieses Experimentes angeboten. Warum heilten denn die Wunden der Japaner viel schneller und besser in dem russisch-japanischen Kriege, als die der „Fleisch- und Schnaps-Russen?“ Hat seit zwei Jahrtausenden denn noch niemand darüber...