Einleitung
Die Welt der Autoimmunkrankheiten hat sich in den letzten fünf Jahren sehr stark verändert. Täglich gibt es neue Untersuchungen, die auf den Darm und das Mikrobiom als Ursprung verschiedener Autoimmunkrankheiten hindeuten. Diese neue Denkweise eröffnet eine ganze Reihe von Behandlungsoptionen – Optionen, die über eine reine Unterdrückung der Entzündungsreaktion hinausgehen, um die eigentliche Ursache der Entzündung anzugehen.
Dieses Buch soll Ihnen in diesem neuen wissenschaftlichen Grenzbereich eine Orientierungshilfe sein, der Fokus liegt dabei insbesondere auf einer Umstellung der Ernährung und der Einnahme bestimmter Probiotika. Gemeinsam können diese Maßnahmen den Darm heilen und die Balance des Mikrobioms wiederherstellen. Dabei werden die wichtigsten Auslöser ausgeschaltet, die bei vielen Autoimmunerkrankungen die Entzündung steuern, insbesondere bei Erkrankungen aus der Gruppe der Spondylarthropathien. Dazu gehören:
- Psoriasis/Psoriasis-Arthritis
- Ankylosierende Spondylitis
- Juvenile idiopathische Arthritis
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Uveitis
Der Hauptfokus der im Folgenden besprochenen wissenschaftlichen Forschung liegt zwar auf diesen Erkrankungen, das Buch geht aber auch auf die neuesten Studien darüber ein, wie Ernährung und Darmgesundheit andere Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis beeinflussen. Die Forschungsergebnisse werden anschließend in einfache, gut umsetzbare Schritte umgesetzt. Zuerst möchte ich jedoch die Geschichte meines eigenen Kampfes gegen die Autoimmunität erzählen.
Als ich 18 Jahre alt war, äußerte ein Arzt erstmals den Verdacht, ich könnte Psoriasis-Arthritis haben. Damals waren meine einzigen Symptome leichte Rückenschmerzen und ein kleiner Bereich mit Schuppenflechte, wobei mir jedoch klar war, dass dies viel schlimmer werden konnte, falls ich tatsächlich eine Psoriasis-Arthritis hatte. Bis zu 30 Prozent aller Psoriasis-Patienten sind von dieser Form der Arthritis betroffen, die große Belastungen mit sich bringen kann.
Sechs Monate nachdem die Schmerzen eingesetzt hatten, fiel mir auf, dass sie leicht zurückgingen, wenn ich auf Brot und Nudeln verzichtete. Daher bestand ich auf einen Zöliakie-Test. Der Test ergab, dass ich tatsächlich unter Zöliakie litt, und nachdem ich mich mehrere Monate lang völlig glutenfrei ernährt hatte, waren Schuppenflechte und Rückenschmerzen weitgehend verschwunden. Es zeigte sich, dass ich doch keine Psoriasis-Arthritis hatte.
Mit nur geringfügigen Schmerzen schloss ich meine Studiengänge in Biochemie und Molekularbiologie und anschließend in Jura ab. Die leichten Schmerzen hielt ich für den körperlichen Tribut, den die übermäßig langen Lernzeiten forderten.
Nachdem ich mehrere Jahre in einer großen Anwaltskanzlei in New York gearbeitet hatte – einer extrem stressigen Tätigkeit mit langen Arbeitszeiten –, kehrten meine Schmerzen mit Mitte 20 zurück. Meine Schultern, Knie, Hüften und mein unterer Rücken schmerzten ständig und die Gelenke schienen sich bei der geringsten Beanspruchung zu verschieben. Die Möglichkeit einer Psoriasis-Arthritis war schnell vom Tisch – ich hatte nur sehr kleine Psoriasis-Herde, keine Gelenksteife oder -schwellung und keine Arthritismarker im Blut. Ich passte einfach nicht zur althergebrachten Definition der Lehrbücher.
Von verschiedenen Fachärzten erhielt ich ein breites Spektrum an Diagnosen und man bot mir alle möglichen Schmerzmedikamente an. Als ich anfing, unter den schweren Nebenwirkungen dieser Medikamente zu leiden, beschloss ich, mich auf eine physikalische Therapie zu konzentrieren. Ich hoffte, mit genügend Ausdauer könnten meine Muskeln schließlich meine Gelenke stabilisieren. Fünf Jahre widmete ich mich mit beinahe religiösem Eifer der physikalischen Therapie und wollte nur allzu gern glauben, dass meine Genesung unmittelbar bevorstand.
Das war jedoch nicht der Fall. Mit 30 Jahren waren die Schmerzen in den Iliosakralgelenken (im unteren Rücken) so stark, dass ich große Schwierigkeiten hatte, weiter als einige Häuserblocks zu gehen oder länger als 15 Minuten zu sitzen. Ich hatte Schmerzschübe, die mich jeweils wochenlang ans Haus fesselten und den Großteil der Nacht wachhielten. Ich versuchte es mit verschiedenen Injektionen und entzündungshemmenden Medikamenten, was jedoch nur wenig Linderung brachte.
In dieser Zeit kehrte auch die Psoriasis zurück und es tauchten eine Reihe weiterer klassischer Symptome für eine Psoriasis-Arthritis auf (zum Beispiel die typischen Veränderungen der Finger- und Fußnägel). Wahrscheinlich hatte ich doch die ganze Zeit über an Psoriasis-Arthritis gelitten.
Es war zugleich ein Rückschlag und eine Erleichterung, die Ursache des Problems zu verstehen. Einerseits bedeutete die Diagnose, dass kein noch so ausgiebiges Übungsprogramm jemals dafür sorgen würde, dass meine Gelenke normal funktionieren. Es bedeutete auch, dass ich viele Jahre vergeudet hatte, in denen ich mich auf die Hauptursache der Schmerzen hätte konzentrieren können – ein schlecht funktionierendes Immunsystem. Andererseits war ein schlecht funktionierendes Immunsystem etwas, was ich nur zu gut verstand, und ich hatte nun endlich eine Erklärung für meine Schmerzen.
Die genauen Elemente und Funktionsweisen des Autoimmunsystems waren mir damals durch mein Studium der Immunologie und meine Arbeit als Patentanwältin für Biotechnologiefirmen sehr vertraut. Als Expertin für Immunologie in Gerichtsverfahren, bei denen es um Milliarden von Dollar ging, hatte ich einen Großteil der letzten neun Jahre damit verbracht, die wissenschaftliche und klinische Evidenz zu analysieren, die die biologischen Präparate untermauerte, mit denen verschiedene Autoimmunerkrankungen behandelt wurden. Mein Büro war angefüllt mit Kisten voller vertraulicher klinischer Studienberichte und FDA-Eingaben, die die meisten Rheumatologen nie zu Gesicht bekommen, und es war meine Aufgabe, sie zu analysieren.
Vor allem hatte ich neun Jahre lang sehr detailliert über die unsichtbaren Entzündungsmoleküle nachgedacht, die für den gesamten Schaden bei einer Autoimmunkrankheit verantwortlich sind. Und nun erfuhr ich, dass dieselben Moleküle die Schmerzen verursachten, die die Macht über mein Leben übernommen hatten.
Ich begriff, dass die neuen biologischen Medikamente für einen lebensverändernden Unterschied sorgen konnten – wenn ich bereit war, die damit verbundenen Infektionsrisiken und ein mögliches höheres Krebsrisiko in Kauf zu nehmen. Auch wenn biologische Präparate (Biologika) das Infektionsrisiko nur leicht erhöhen, war dies in meinem besonderen Fall bereits eine große Barriere. Als Teenager hatte ich eine Operation durchgemacht, nach der ich eine lebenslange Anfälligkeit für ernste Infektionen zurückbehalten hatte. Man hatte mir geraten, zeitlebens vorbeugend Antibiotika einzunehmen, weil einige verbreitete Infektionen in meinem Fall mit einer Mortalitätsrate von 50 bis 60 Prozent verbunden waren. Ich lehnte die Antibiotika ab, war jedoch sehr zögerlich, irgendein Medikament einzunehmen, das mein Infektionsrisiko erhöhen konnte. Da meine Arthritis langsam fortschritt und keinen offensichtlichen Gelenkschaden verursachte, schien es klug zu sein, zuerst jede andere Option auszuschöpfen.
Ich wusste, dass Biologika so gut wirken, weil sie die Aktivität bestimmter Entzündungsvermittler (Entzündungsmediatoren) stören, die den Schaden an Haut und Gelenken organisieren. Bestimmt gab es noch eine andere Möglichkeit, dasselbe Ziel zu erreichen. Ich fragte mich, welche weiteren Faktoren zu erhöhten Entzündungsmediatoren beitragen und welche weiteren Faktoren diese reduzieren können.
Als ich anfing, mich stärker auf diese Fragen zu konzentrieren, traf ich die schwierige Entscheidung, meine Karriere als Anwältin zu unterbrechen und mich ganz auf meine Gesundheit zu konzentrieren. Ich gab meine Stelle in New York auf und führte ab sofort ein einfacheres Leben am Meer. Es wurde mein neuer Job, die wissenschaftliche Literatur auf jegliche Evidenz dafür zu durchforsten, dass Veränderungen der Ernährung oder des Lebensstils den Verlauf meiner Autoimmunerkrankung verändern konnten. Ich rechnete damit, einige Hinweise zu finden, war jedoch nicht auf die außerordentlich große Menge hochwertiger klinischer Evidenz vorbereitet, die relativ einfache Strategien unterstützte.
Die vielleicht größte Offenbarung war die Entdeckung, dass die Darmgesundheit großen Einfluss auf den Entzündungsgrad in Haut und Gelenken hat. Eine überzeugende Anzahl von Forschungsarbeiten zeigt, dass eine übermäßige Aktivierung der Immunantwort im Darm ein häufiges Merkmal von Psoriasis und mehreren Arten von entzündlicher Arthritis, insbesondere der juvenilen, psoriatischen und ankylosierenden Spondylitis ist.1 Ein wichtiger Punkt dabei: Der Grad der Darmentzündung scheint die Schwere dieser Erkrankungen zu bestimmen.2
2016 entdeckten Forscher einen Faktor, der diese Aktivierung des Immunsystems im Darm auslösen könnte: eine Störung innerhalb der Gemeinschaft der Mikroorganismen, die das Mikrobiom bildet. Patienten mit Psoriasis oder bestimmten Arthritisformen zeigen typische Störungen im Gleichgewicht der Darmbakterien mit einer Zunahme unerwünschter Spezies und einem Schwund von Spezies, die das Immunsystem normalerweise beruhigen.3
Mehrere Evidenzreihen weisen darauf hin, dass diese Störung des Mikrobioms nicht nur eine Folge der Entzündung ist, sondern eine Ursache...