Die nachhaltige Entwicklung des europäischen Kontinents in den letzten Jahrzehnten und das Zusammenwachsen der Nationalstaaten zu einer Union haben die Mitglieder der EU zu Einwanderungsländern werden lassen. Mittlerweile hat die Europäische Union, was die Zuwanderung angeht auf die klassischen Einwanderungsländer, darunter Kanada und die Vereinigten Staaten von Amerika aufgeschlossen.[2]
Dies liegt nicht zuletzt an der überproportional langen Zeitspanne andauernden Friedens in Europa. Ein friedliches Zusammenleben über ein halbes Jahrhundert hat es in dieser Form auf dem europäischen Kontinent noch nicht gegeben und zeugt letztendlich von der politischen Reife der Europäischen Union und dem Wunsch nach Frieden und Wohlstand der Mitgliedsstaaten.[3]
Vor allem die Bundesrepublik ist ein beliebtes Ziel für Einwanderer und Flüchtlinge. Um den weiteren Ausführung eine Basis zu verschaffen, werden im Folgenden zuallererst Begriffserläuterungen vorgenommen, sowie ein historischer Überblick über die Migrations- und Fluchtbewegungen Richtung Westeuropa gegeben.
Der Begriff des „Flüchtlings“ ist stets in Abgrenzung zum Begriff des „Migranten“ zu sehen. Einem Flüchtling kann in bestimmten Fällen Asyl, sprich der Schutz des Staates vor Verfolgung durch einen anderen Staat gewährt werden.[4] Dies geschieht fast immer, wenn es sich bei dem Flüchtling um einen sog. „Kontingentflüchtling“ handelt. Ein „Kontingentflüchtling“[5] ist eine Person, die im Zuge einer humanitären Hilfsaktion oder im Zuge einer Übernahmeerklärung von einem aufnahmebereiten Staat übernommen wurde.[6]
Migranten hingegen sind Einwanderer im Allgemeinen, Familienangehörige die dem Familienoberhaupt in den neuen Staat folgen, Volkszugehörige, die vom Gebiet anderer Staaten immigrieren und ausländische (Fach-) Arbeiter.[7] Migration ist im Gegensatz zur Flucht ein freiwilliger Wechsel von einem Staat in den anderen.[8] Dies zeigt folgende Definition, die das Wort „freiwillig“ besonders betont.
„Migration ist der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende ‚freiwillige’ Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen.“ (Treibel, 1990, S. 21)
Zu den Migranten werden auch illegale Zuwanderer gezählt. Diese stellen zwar nur einen geringen Anteil der Migranten, müssen jedoch in der Argumentationslinie rechtsgerichteter Politiker als Problemfälle der internationalen Migrationsbewegung herhalten.
Dies ist längst kein deutsches Phänomen mehr, sondern in der ganzen Europäischen Union zu finden. Es steht ohne Zweifel fest, dass die Migrationspolitik ein wichtiges sicherheitspolitisches Thema innerhalb der EU geworden ist.[9] Dazu jedoch im Laufe dieser Ausarbeitung mehr.
Zurück zum Begriff des Flüchtlings: Per Definition durch die „Genfer Flüchtlingskonvention“ (GFK) von 1951[10] ist ein Flüchtling eine Person, die…
„[…]aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.“ (Art. 1A Nr.2 der GFK)
Die GFK ist für die Unterzeichnerstaaten nicht rechtsverbindlich. Es existiert keine Pflicht der Asylgewährung.[11] Vielmehr ist die Aufnahme von Flüchtlingen das Recht des jeweiligen Staates. Neben den Vorschriften über die Rechte und Pflichten der Flüchtlinge enthält die Konvention Richtlinien über die Ausstellung von Ausweisen/Dokumenten und die Möglichkeiten der Aus- bzw. Abweisung. Da den Flüchtlingen per Definition kein subjektives Recht auf Asyl zusteht, bezieht die Konvention ihre Legitimation durch die Voraussetzung des guten Willens der Unterzeichnerstaaten zur Asylgewährung.[12]
Der bereits zitierte Artikel 1A Nr.2 beginnt mit den Worten…
„…die infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und aus der begründeten Furcht […]“ (Art. 1A Nr.2 der GFK)
Diese sog. „Stichtagklausel“ wurde erst durch das Zusatzprotokoll vom 31. Januar 1967 aufgehoben. Das Protokoll war eine Reaktion auf die Zunahme der Fluchtbewegungen in der „Dritten Welt“[13]. Vorher betraf die Konvention beinahe ausschließlich Flüchtlinge aus den Staaten des Ostblocks. Die GFK wurde zu einem völkerrechtlich wichtigen Faktor des Flüchtlingsschutzes, der bis 1990 190 Staaten beitraten.[14]
Das Recht auf Asyl ist weder eine Erfindung der Neuzeit, noch eine okzidentale Erfindung. Bereits im Jahr 1270 v. Chr. wurde im alten Ägypten ein Schriftstück ausgearbeitet, dass die gegenseitige Auslieferung von Flüchtlingen zwischen den Hethitern unter König Hattuschil II. und den Ägyptern unter Pharao Ramses II. garantierte. Auch in China gab es bereits einige hundert Jahre v. Chr. dokumentierte Fälle von Asylgewährung.[15]
Der religiöse Charakter des Asyls wich mit dem Aufkommen der griechischen Stadtstaaten einem politischen Aspekt. Von nun an stand die Unverletzbarkeit des Flüchtlings im Vordergrund und der schutzgebende Staat hatte die Pflicht diese gegenüber dem Verfolgerstaat zu garantieren. Vorreiter auf diesem Gebiet war Athen[16].
Die Römer vertraten diese Einstellung hingegen nicht und übten Druck auf das schutzgewährende Land aus, um die Auslieferung von politischen Flüchtlingen zu erzwingen. In besonderen Fällen führte dies bis hin zu einer Kriegserklärung.[17]
Im Mittelalter war die Idee eines politischen Asyls nicht denkbar und die Herrscher versuchten auch das religiösmotivierte Kirchenasyl einzuschränken.
„Die widerspenstigen und ungehorsamen Untertanen sollen im anderen Land keine Aufnahme und keinen Beistand finden.“ (zitiert nach: Kimminich, o.J., S. 3)[18]
Mit Beginn der Neuzeit, der Reformation bzw. der Gegenreformation setzte eine Fluchtbewegung verschiedener religiöser Gruppen ein, die sich über den ganzen europäischen Kontinent zog. Zu dieser Zeit setzte sich die Jurisprudenz erstmals mit der Frage nach einem Asylrecht auseinander.[19]
Den Schutz vor Auslieferung garantierte erstmals die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776. Im Zuge dessen, betonte Thomas Jefferson der zweite Präsident der USA bei seiner Antrittsrede am 08. Dezember 1801 den humanitären Grundgedanken des Asylrechts. Auch in Europa gab es zu dieser Zeit Fälle von Asylgewährung, die über Einzelfälle hinausgingen. Im Besonderen ist hier die Aufnahme ungarischer Flüchtlinge durch die Türkei im Jahre 1848 zu nennen.[20]
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte der europäische Kontinent eine noch nie da gewesene Flüchtlingsschwemme. Allein 1,6 Mio. Flüchtlinge zog die Oktoberrevolution in Russland nach sich. Mit dem Exodus ganzer Bevölkerungsteile nach dem 1. Weltkrieg richtete der Völkerbund das Amt des „Hochkommissars für Flüchtlinge“ ein[21]. Diverse Konventionen zum Schutz der Flüchtlinge am Vorabend des 2. Weltkriegs waren durch die rigorose Vernichtungspolitik des nationalsozialistischen Regimes unbrauchbar geworden. Deportationen und Umsiedlungen betrafen in den Kriegsjahren bis 1945 rund 30 Mio. Europäer[22].
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs und dem Wideraufbau in Europa übernahm die UNO die Aufgaben des Völkerbundes.[23]
Mit der 1951 geschlossenen „Magna Charta“ oder auch „Genfer Flüchtlingskonvention“ (GFK) verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten erstmals gemeinsam eine Lösung für das Flüchtlingsproblem zu finden.[24]
Mit der Ausarbeitung des Grundgesetzes 1949 durch den Parlamentarischen Rat wurde ein für Europa einzigartiger Akt vollzogen. Erstmals fand das Asylrecht in Form von Artikel 16 GG Einzug in eine nationale Verfassung. Die Aufnahme des politischen Asyls ins Grundgesetz war nicht zuletzt begründet, durch die persönlichen Erfahrungen einiger Mitglieder des Rates unter der nationalsozialistischen Herrschaft.[25]
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