Zu diesem Buch
Zwei Jahre liegt das Erscheinen des ersten Buches zu Ellas Blog bereits zurück – zwei Jahre, in denen ich mich durch euer Feedback per Mail, über Kommentare oder bei Veranstaltungen reich beschenkt fühlte.
Positive Rückmeldungen motivieren natürlich, weiterzumachen und euch hiermit einen zweiten Band vorzulegen, in dem ihr viele weitere Informationen und Entwicklungen der letzten Zeit nachlesen könnt.
Für diejenigen, die das erste Buch (noch) nicht gelesen haben und vielleicht auch Ellas Blog (noch) nicht kennen, möchte ich einige einleitende Worte vorweg schicken.
Ellas Blog (www.ellasblog.de) entwickelte sich innerhalb einiger Jahre von einem kleinen privaten Tagebuch-Blog im Internet zu einem Online-Magazin, in dem sich regelmäßig Informationen, Erfahrungsberichte, Interviews und praktische Tipps rund um das Thema Autismus-Spektrum finden.
Die Webseite ist eine Anlaufstelle für Eltern, Fachleute und Autisten1, die sich einbringen möchten. Dabei strebe ich an, möglichst das gesamte Spektrum mit allen Facetten zu berücksichtigen. Zu behaupten, dass es immer gelänge, wäre sicherlich an der Realität vorbei. Aufgrund der Vielfältigkeit des Autismus-Spektrums kann gerade in einem Internetblog immer nur eine Momentaufnahme abgebildet werden, die im Augenblick des Erscheinens sofort weitere Fragen aufwirft, Assoziationen und Verknüpfungsmöglichkeiten fordert und in einem sozialen und digitalen Medium spontane Interaktion hervorruft, die dort auch gewünscht ist.
Das übliche „Du“ als Ansprache im Blog übernehme ich auch für dieses Buch.
Einige Beiträge wurden vom Online-Blog für dieses Buch aufgegriffen, umformuliert und erweitert. So findet sich die Dynamik unseres Lebens mit einem autistischen Kind auch in der Art und Weise meiner Veröffentlichungen wieder. Für mich ist das äußerst spannend, regt zu neuem Reflektieren und Denken in immer neuen Kontexten an. Ich hoffe, dass es auch für dich als Leserin oder Leser bereichernd ist.
Meine zentralen Anliegen sind aufzuklären, Verständnis zu vermitteln, Akzeptanz zu fördern und konkrete Anregungen für das Familienleben, die Verarbeitung prägender Ereignisse und die Zukunftsgestaltung zu geben.
In diesem Buch habe ich dabei vor allem die Eltern im Blick, da ich der Überzeugung bin, dass es autistischen Kindern und Jugendlichen dann am besten geht und sie optimale Entwicklungsmöglichkeiten haben, wenn ihr Umfeld gut informiert ist, sie versteht und akzeptiert. Dafür sollten Eltern für sie, wenn nötig, vermitteln und gemeinsam mit anderen Verantwortlichen für Rahmenbedingungen sorgen, die autistische Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung und Selbstständigkeit und nicht zuletzt in ihrem Selbstbewusstsein fördern und stärken.
Ich bin der Ansicht, dass Eltern dafür viele Informationen brauchen, die sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzen: Aufklärung durch Fachleute, Aufklärung durch Autisten und Aufklärung durch andere Eltern. Ich werde innerhalb dieses Buches genauer darauf eingehen, warum ich der Überzeugung bin, dass es nur mit einem solchen Miteinander gelingen kann, optimale Entwicklungen anzustoßen und zu unterstützen.
Das Verarbeiten der neuen Lebenssituation mit einem autistischen Kind verläuft für Eltern nicht linear, sondern ist immer wieder von besonderen Rückschlägen, aber auch schönen Momenten geprägt. Dieses Sichzurechtfinden in einem gemeinsamen Leben vollzieht sich in Spiralen, die ich skizzieren werde. Dabei wird klar werden, dass das Auf und Ab an Gefühlen völlig normal ist und Eltern damit nicht alleine sind.
In euren Zuschriften nehme ich vor allem den Druck der Gesellschaft wahr, der auf Familien mit autistischen Kindern und Autisten ausgeübt wird. Es beginnt im Kleinen bei Familien und Freundschaften und verläuft über gesellschaftliche Strukturen wie Kindergarten, Schule und später beim Übergang zum Berufsleben. Was dürfen wir von einer Gesellschaft erwarten? Was darf die Gesellschaft von uns erwarten? Wie kann ein guter Schulalltag gelingen? Das sind Fragen, die ich an entsprechender Stelle aufgreifen werde.
Immer wieder lenke ich dabei den Blick auf die Familie, die im Idealfall ein sicherer Rückzugsort für Kinder, Jugendliche und erwachsene Autisten ist. Sie sollte ein Ort sein, an dem gerade Menschen mit besonderen Bedürfnissen Verständnis, Rücksichtnahme, bedingungslose Akzeptanz und Empathie erfahren. Für Eltern ist es nicht immer einfach, das umzusetzen, da sie sich häufig in einem Geflecht aus Informationsbedarf und Informationsflut, Anforderung und Überforderung sowie Kraftakten und Ressourcenmangel wiederfinden. Oft gerät das System Familie ins Wanken, wenn einzelne Aspekte nicht mehr funktionieren oder kaum noch aufrechterhalten werden können. In vielen bewegenden Zuschriften lese ich daher darüber, dass Familien sich alleine gelassen fühlen und dringend mehr Unterstützung brauchen.
Gerade deshalb darf auch der eigenverantwortliche Blick auf persönliche Ressourcen nicht außer Acht gelassen werden. In einem extra Kapitel, das sich mit dem Empowerment von Eltern befasst, rege ich dazu an, auf sich selbst zu achten, damit wir unseren Kinder, solange es sinnvoll, notwendig und von ihnen gewünscht ist, zur Seite stehen können.
Dabei halte ich es für äußerst wichtig, sich in guten Zeiten und immer dann, wenn Kraftreserven frei werden, viel Wissen anzueignen, auf das in Krisen zurückgegriffen werden kann.
Hier schließt sich der Kreis zum ersten Teil des Buches, in dem der Aspekt der Wissensvermittlung und Aufklärung im Bereich Autismus eine große Rolle spielt. Dies ist als Grundlage wichtig, um Verständnis aufzubauen, Veränderungen anzustoßen und Ängste abzutragen. Wie Aufklärung gelingen kann und welche Perspektiven dabei eine Rolle spielen, wird dargelegt und dabei auch die besondere Rolle des ehrenamtlichen Engagements von Autisten und Eltern in den Blick genommen.
Was ich bei jeder meiner Veranstaltungen vorausschicke, soll auch hier seinen Platz haben: Ich kläre aus Elternsicht auf, habe Kulturwissenschaften mit den Fächern Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte studiert und auch unabhängig vom Thema Autismus Bücher und Beiträge publiziert.
Für die Veröffentlichungen im Bereich Autismus qualifiziert mich die Tatsache, dass ich als Mutter zweier Kinder, von denen eines autistisch ist, mitten im Leben zu dieser Thematik stehe und aus der Praxis berichten kann. Außerdem greife ich auf einen enormen Erfahrungsschatz zurück, der nicht nur unserem eigenen Alltag, sondern auch dem meiner Leserinnen und Leser entnommen ist. Eure Offenheit und das Vertrauen, mir aus eurem Leben zu erzählen, sind jeden Tag neu bewegend und Grundlage für Veröffentlichungen wie diese. Herzlichen Dank dafür.
Wie bereits im ersten Buch, sind die meisten Redewendungen und bildlichen Ausdrucksweisen mit (rw) gekennzeichnet, um das Leseverständnis zu erleichtern. Nach Erscheinen des ersten Buches kamen dazu viele positive Rückmeldungen, auch weil das Kennzeichnen dazu beitragen kann, sich seiner eigenen Verwendung von Sprache bewusster zu werden.
Was unbedingt gesagt werden muss: keine der Informationen und Erzählungen in diesem Buch sind dafür geeignet, Eigendiagnosen zu stellen. Für das Stellen von Diagnosen und das Einschätzen angemessener Medikation oder therapeutischer Vorgehensweisen bedarf es immer qualifizierter Beratung und Betreuung, die dieses Buch nicht leisten kann und auch nicht möchte.
Ich selbst bin Mutter eines inzwischen erwachsenen jungen Mannes, der eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum hat. Er hat einen sehr hohen Pflege- und Betreuungsbedarf und braucht lückenlose Aufsicht und Unterstützung in allen Lebensbereichen.
Da er nicht spricht, kommunizieren wir über Gebärdensprache. Diesen Weg wählte er selbst und zeigte ihn uns bereits im Kindergartenalter. Dafür bin ich ihm jeden Tag dankbar.
Gegen Ende des Buches werde ich über das Stück unseres Weges, das wir seit Veröffentlichung des ersten Buches weitergingen, erzählen. Die Pubertät hat uns inzwischen erreicht und bringt Herausforderungen, aber auch enorme Fortschritte mit sich. Außerdem wurde Niklas inzwischen volljährig und demonstriert uns täglich, dass er nun ein erwachsener junger Mann ist.
Der stetige Wandel, den ein Leben mit autistischem Kind mit sich bringt, und der Fluss an Ereignissen, die manchmal unvorhersehbar sind, spiegeln sich auch in dieser Veröffentlichung wider.
Einige Themenbereiche überschneiden sich mit der ersten Buchveröffentlichung zu Ellas Blog, werden aber durch neue Materialien, Zusammenfassungen und Informationen, die das Verständnis zum Themenbereich Autismus-Spektrum weiter fördern sollen, ergänzt. Andere Themenbereiche führen das fort, was im ersten Buch an Fragen offen blieb, und wieder andere greifen völlig neue Aspekte auf. Manches wird nicht mehr angesprochen, weil es ein Faden bleiben darf, der seit...