Gitarrenmusik in Barcelona
In der Region zwischen den Flüssen Llobregat und Besos benutzten schon die Neandertaler Saiten, um Töne zu erzeugen. Sie befestigten einen Knochen an einer Sehne und ließen ihn in Kreisen um den Kopf schwirren. Die Luft begann zu schwingen und zu klingen. Solche „Urgitarren“ bestanden nur aus einer Saite und hatten noch keinen Schallkörper. Je nach Drehgeschwindigkeit wurden verschiedene Tonhöhen erzeugt, so dass einfache Melodien komponiert und eine einfache Tonsprache entwickelt werden konnte. Schon in der Steinzeit stellten sich die Menschen mit diesen Schwirrern gern auf erhöhte Plätze, um über weite Strecken kommunizieren zu können. Der Gipfel des 16,9 Meter hohen Monte Tàber im Herzen Barcelonas könnte also die erste Bühne dieser Gegend gewesen sein. 30.000 Jahre später benutzten auch die Foner auf den Balearen das Prinzip der Schwirrer, allerdings zum Schleudern von Steinen und nicht zur Audiokommunikation. Die am Anfang des 19. Jahrhunderts gebaute Prachtstraße Via Laietana verläuft von der Plaça de Urquinaona im Stadtzentrum zum Mittelmeer und erinnert an die Laietani, ein Ibererstamm, der vor über 2000 Jahren im heutigen Stadtgebiet Barcelonas lebte. Die Iberer musizierten ebenfalls schon mit Saiteninstrumenten. Eine Terrakottafigur aus dem 3. Jahrhundert vor Christus zeigt eine iberische Frau, die ein harfenähnliches Zupfinstrument spielt. In dieser Zeit eroberten mehrmals Griechen, Karthager und Römer Teile der iberischen Halbinsel und prägten mit eigenen lautenähnlichen Musikinstrumenten die Musikkultur. Die Römer gründeten die Stadt Barcino, befestigten sie mit einer Stadtmauer und versorgten sie über mehrere Aquädukte mit frischem Wasser. Mit der Via Augusta entwickelte sich das römische Barcino zu einem wichtigen Handels- und Kulturzentrum. Dessen geistliches Zentrum war der Templo Augusto, wahrscheinlich das erste große, teilweise noch erhaltene Gebäude, in dem regelmäßig die römische Citara erklang. Noch zur Römerzeit entstand im Carrer Marlet, ganz in der Nähe des Tempels, eine Synagoge, in der ein biblisches Saiteninstrument, die Kinnor, gespielt wurde. In der Gegend der alten Kathedrale an der Pla de la Seu entstand zu dieser Zeit auch ein frühchristliches Glaubenszentrum, aber ohne Saitenspiel. Nach dem Untergang des Römischen Reiches blieben dann die Westgoten dreihundert Jahre lang in Barcelona. Sie zeigten ihre Vorliebe für große, laute Blasinstrumente, lernten aber auch noch die Saiteninstrumente der alteingesessenen Bewohner Barcinos kennen. Im Stadtteil Gòtic erinnert der Straßenname Carrer d'Ataülf an den Westgotenkönig Athaulf. Im Jahr 718 drangen dann die Mauren aus dem Süden in die Stadt ein und brachten die arabische Laute Ud mit. Obwohl sie nur etwa einhundert Jahre in Barcelona herrschten, entwickelte sich zu dieser Zeit die Musik der Saiteninstrumente besonders erfolgreich. Im Gegensatz zu den früheren Herrschern erlaubten die Mauren nämlich den Stadtbewohnern das Saitenspiel in ihren Gotteshäusern und ermöglichten so eine intensivere Kultivierung der ursprünglichen Gitarren. Als im Jahr 801 die Karolinger die Stadt einnahmen, bildeten sie einen wichtigen Brückenschlag zwischen der maurischen und der europäischen Kultur. Barcelona wurde in Grafschaften gegliedert und dem Frankenreich angeschlossen. Nach wenigen Jahren erstarkte die katalanische Bevölkerung, übernahm die Grafschaften und erweiterte mit eigenen Königen ihren Machteinfluss im Mittelmeerraum. In dieser Blütezeit der Wirtschaft und des Handels trafen sich Troubadoure auf dem Born, dem Ritterplatz Barcelonas, und dichteten und sangen zu den Ritterturnieren. Die katalanische Oberschicht ließ sich hier im Carrer de Montcada Paläste bauen. Im selben Stadtteil, La Ribera, entstand im 14. Jahrhundert auch die gotische Kirche Santa Maria del Mar. Einige Kunsthandwerker nutzten die kulturellen Hinterlassenschaften ihrer Vorgänger, erweiterten ihre Kenntnisse im Instrumentenbau und entwickelten im 15. und 16. Jahrhundert die Vihuela, mit der eine Blütezeit der polyphonen Zupfmusik begann. Unter der alten eisernen Markthalle des Centre Cultural sind Ruinen einer Saitenmacherstraße aus dieser Zeit zu sehen. Im Jahr 1493 empfingen die Königin Isabel la Catòlica und der König Ferran d'Aragó den Seefahrer Cristòfor Colom in Barcelona, der Legende nach im Salón del Tinell, einem prachtvollen Saal in ihrem Königspalast, heute zu sehen an der Plaça Reial. Zu dieser Zeit begannen viele spanische Komponisten wie Luis de Narváez und Luis de Milán für die Vihuela zu schreiben. Im Verlauf der Inquisition und der Kolonisierung Amerikas erlebte die Gitarre einen weiteren Evolutionsschub, erkennbar auch am Lehrwerk „Instrucción de Música sobre la Guitarra Española“ von Gaspar Sanz. Dieser spielte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf einer Barockgitarre. Zusammen mit den französischen Truppen im spanischen Erbfolgekrieg kamen die Vorfahren von Fernando Sor nach Barcelona. Er bekam im Kloster Montserrat und vom Kapellmeister der städtischen Kathedrale eine professionelle Musikausbildung, die es ihm ermöglichte, erfolgreiche Opern und das wohl romantischste Repertoire für Gitarre in der Zeit der Klassik zu komponieren. Modisch, als Dandy gekleidet, trat Fernando Sor nicht nur als Konzertgitarrist, sondern auch als Bolerosänger in den neu entstandenen Palästen, Bürgerhäusern und Theatern auf. Obwohl seine Gitarre noch etwas kleiner war und etwas zarter klang als heutige Konzertgitarren, stieg mit dem Erfolg des Gitarristen aus Barcelona die Beliebtheit der Gitarre in allen Teilen Europas. Die Blütezeit Sors endete mit dem Einzug lauter Dampfmaschinen und dem Vormarsch vieler technischer Erfindungen. Im Industriezeitalter entwickelte sich schließlich die Konzertgitarre mit ihrer vertrauten Form und ihrem typischen und kräftigen Klang. In der Zeit von 1840 bis 1939 kamen zwei herausragende Linien von Konzertgitarristen in Barcelona zum Vorschein: José Broca (1805–1882) mit vielen Schülern und Nachfolgern wie Domingo Bonet (1841–1939), dem ersten Gitarrenlehrer des Musikkonservatorium Liceu und seinem Duopartner José Ferrer (1835–1916) und der außerordentlich erfolgreiche Komponist und Konzertgitarrist Francisco Tárrega (1852–1909), ebenfalls mit zahlreichen Schülern und Schülerinnen, darunter Miguel Llobet (1878–1938), Emilio Pujol (1886–1980) und Josefina Robledo (1897–1972). Sie waren schon ganz im 20. Jahrhundert angekommen, machten Plattenaufnahmen und gaben Konzerte in allen Teilen der Welt. Mit der Ausbreitung einer facettenreichen Musikindustrie zog sich das Handwerk im Umfeld der Gitarrenmusik zurück. Es entstanden moderne Verfahren der Saitenherstellung, die die jahrhundertelang andauernde Tradition der handwerklichen Saitenherstellung in Barcelona beendeten. Neu angesiedelte Gitarrenbauer haben das alte Handwerk des Instrumentenbaus in letzter Zeit wieder aufleben lassen. Aktuell sind bei ihnen und in Fachgeschäften wieder hervorragende Gitarren und viel Zubehör erhältlich. Neue Musikverlage, Musikhochschulen, ein Musikmuseum und viele Bildungsinstitutionen fördern und pflegen die Gitarrenmusik mit Kursen, Unterricht, neuen Publikationen, internationalen Wettbewerben und Meisterkursen. Aktuell finden in Barcelona nicht nur im bekannten Palau de la Música und dem Auditorì, sondern in zahllosen Theatern, Kirchen und Kulturzentren im ganzen Stadtgebiet täglich Konzerte statt. Neben der klassischen Konzertgitarre werden auf verschiedensten historischen Saiteninstrumenten, wie der Laute, der Vihuela und der Barockgitarre Werke aus fünfhundert Jahren Musikgeschichte gespielt. In den Tablaos im Gebiet der Altstadt, der Ciutat Vella, begleiten virtuose Flamencogitarristen elegante Tänzer und Tänzerinnen in ihren bunten Trachten. In Clubs und Nachtlokalen, wie dem Harlem Jazz Club, improvisieren Jazzgitarristen Melodien vor begeisterten Zuhörern. Immer wieder stimmen Liedermacher mit ihren Gitarren und den Besuchern in Musikkneipen und Musikcafés Gesänge aus allen Teilen der Welt an und Rock- und Popmusiker bringen Massen an Konzertbesuchern mit ihren E-Gitarren in Diskotheken und sogar in Fußballstadien, wie dem Estadi Olímpic, zum Tanzen.
Eine Iberin spielt auf einem Saiteninstrument. (F. Morales und S. García: „El cabecico del Tesoro“)
Menschenströme in Barcelona - Nischensuche Anfang des Jahres 2011 berichtete das Online-Magazin „www.netzwelt.de“ von einem Besucherrekord auf dem Mobil World Congress. Zu der wichtigsten Messe im Mobilfunkbereich kamen 60.000 Menschen aus 200 Ländern nach Barcelona. Die „Zeit-Online“ spricht von elf Millionen Städte- und Geschäftstouristen, die jedes Jahr in der Gourmet-Stadt Barcelona durch die längste Einkaufsstraße der Welt...