1.1 „Erfolg macht glücklich“ oder „Glücklichsein macht erfolgreich“?
Sicher haben Sie schon mal das Sprichwort gehört „Erfolg macht glücklich!“. Hört sich ja total schlüssig an. Denn wenn man tage- oder wochenlang an etwas gearbeitet hat, sei es beruflich oder privat, dann freut man sich schon, wenn man dann erfolgreich ist und alles so läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Sei es ein erfolgreich abgeliefertes Projekt im Job oder ein gewonnener Kunde, an dem man lange Zeit intensiv gebaggert hat, oder der geschaffte Segelschein, den man sich mit fleißigem Lernen erkämpft hat. Solche Situationen machen glücklich, man verspürt ein Hochgefühl und dieses lässt, das wird Sebastian Spörer in Kapitel 3 noch ausführlich beschreiben, drogenähnliche Stoffe durchs Gehirn fließen. Und diese lassen einen eben schon mal etwas glückseliger durch den Tag wandern.
So weit, so gut, das kurze Glücksgefühl wollen wir dem Erfolg nicht absprechen. Drehen wir das Sprichwort aber einmal um: „Glücklichsein macht erfolgreich!“ Hört sich das für Sie richtig an, würden Sie das unterschreiben wollen?
Wenn nein, dann liegen Sie falsch! Denn 2009 haben Sonja Lyubomirsky, Laura King und Ed Diener in einer Metastudie1 an der Universität Harvard und in vielen weiteren Studien die Fakten dazu publiziert. Und diese sprechen eine eindeutige Sprache: 225 Studien in 35 Jahren haben widerlegt, dass Erfolg zum Glück führt, und gezeigt, dass es genau andersherum ist: Glückliche Menschen sind erfolgreicher. In der Metastudie wird dies auch mit Zahlen belegt: sind um 31 % produktiver, verkaufen um 37 % mehr und sind dreimal kreativer etc. Und diese Eigenschaften führen unweigerlich zum Erfolg, beruflich und privat. Deshalb sind die o. g. kurzfristigen Glücksgefühle nicht falsch beobachtet, der Unterschied scheint mir, dass Erfolg eben kurzfristig zum Glück führt und umgekehrt ein glücklicher Mensch einen dauerhaft laufenden Antriebsmotor in sich trägt. Wer glücklich ist, dem stehen vom Glücksgefühl gesteuerte Verhaltensweisen und innere Antriebe leichter, kräftiger und permanenter zur Verfügung. Halten wir als Zwischenfazit also einmal folgende valide Annahme fest: Glückliche Menschen sind erfolgreicher!
In der Literatur wird dem Glücksgefühl häufig das englische Wort „Happiness“ vorgezogen. In der deutschen Sprache ist Glück eben auch mit „Glück haben“, also einem nicht verursachten zufälligen positiven Ereignis verbunden, während es uns in unserem Zusammenhang ja um das Glücksgefühl, also einen inneren Zustand und Wohlbefinden geht. Wie sich das für einen anfühlt, müssen wir noch analysieren. Dazu mehr im Kap. 2.1.
Die o. g. Metastudie hat herausgefunden, dass Happiness bzw. das eben erwähnte subjektive Wohlbefinden von drei Faktoren abhängig ist:
den Genen,
den Lebenserfahrungen und
der inneren Einstellung.
Neuro-agile-Tipp
Zu Happiness gibt es weitere Zahlen:
Etwa 50 % der Zufriedenheit hängen von unseren Genen ab.
Etwa 10 % hängen von äußeren Faktoren wie unserem Partner, Geld, Schönheit etc. ab.
Die restlichen 40 % lassen sich verändern durch Maßnahmen wie ein Dankbarkeitstagebuch, das jeden Abend geführt wird. Wie stark der Einfluss des „Kopfes“ auf unser Wohlbefinden ist und wie stark unsere Gesundheit davon abhängt, ist sehr lesenswert beschrieben im Buch „Warum Gedanken stärker sind als Medizin“ der Ärztin Lissa Rankin.
Diese 40 % sind es wert, in diesem Buch weiterzulesen.
Für Ersteres können wir ja wohl nichts, Gene sind drin in uns, ob gut oder schlecht, werden bei der Geburt praktisch mitgeliefert und dann müssen wir damit klarkommen.
Zweiteres, die Lebenserfahrungen, können wir suchen, wir können uns aktiv in Situationen begeben, in denen wir Erfahrungen sammeln, über unseren bisherigen Tellerrand schauen und unser Erfahrungsspektrum erweitern können. Wir können uns an Themen, Herausforderungen und Probleme heranwagen, für die wir noch keine gefestigten Erfahrungen abgespeichert haben. Oder wir bleiben in unserer Komfortzone bereits gemachter Erfahrungen und fühlen uns da sicher und geborgen.
Ganz entscheidend ist in diesem Zusammenhang der dritte. o. g. Punkt, unsere innere Einstellung. Sie bestimmt auch unsere Fähigkeit, Erlebtes im Nachhinein zu analysieren, zu interpretieren und als neue und wertvolle Erfahrung abzuspeichern. Gerade dem Part des Interpretierens von Erlebtem auf Basis unserer inneren Einstellung fällt dabei eine sehr entscheidende Rolle zu, denn es liegt an uns, ob wir etwas als schlechte oder gute Erfahrung, als Reinfall oder Lernerfolg, als schmerzhaft oder lehrreich interpretieren. Die Welt ist immer schon Abbild unserer Wahrnehmung und der Interpretation gewesen, wir sind also selbst die Gestalter unseres Erfahrungsspektrums, mit dem wir unsere zukünftigen Erlebnisse und deren Einfluss auf unsere Happiness bestimmen werden. Die innere Einstellung wird vielfach deutlich unterschätzt, ist aber offensichtlich sehr bedeutend für unser Glück.
Goldene Management-Regel
Helfen Sie Ihren Mitarbeitern, Erfahrungen bewusst zu suchen, zu machen und das Positive darin zu finden. Initiieren Sie Lessons-learnt-Runden, sowohl für Einzelne als auch für Teams nach Erlebnissen (z. B. Projekten, Workshops, Trainings). Geben Sie nicht so leicht auf, wenn Sie einen „Negativ-Menschen“ als Mitarbeiter haben. Ein stetiger Positiv-Virus steckt irgendwann an.
Und trennen Sie sich konsequent von den allzu renitenten „Unglücklich-Enthusiasten“.
Äußere Faktoren, wie Haus, Auto etc., bei denen man sicher einen hohen Einfluss auf unser Wohlbefinden vermuten würde, sodass jedermann mit ganzer Kraft danach strebt, spielen laut der Studien eine nur sehr bescheidene Rolle.
Irgendwie hat man diese Ergebnisse gespürt. Insbesondere der Mammon, all die materiellen Dinge, nach denen wir streben und mit denen wir uns umgeben, kosten nicht nur Kraft bei dem Streben danach, sondern sie rauben uns auch während des Besitzes oft die Kraft, sich noch gut zu fühlen. O.k., auf einer schicken Yacht in den Sonnenuntergang zu segeln bei einem leckeren Drink, das kann uns schon mal glücklich machen. Aber meistens denkt man in dem Moment danach, wie man die nächste Rate aufbringen kann, ob im nächsten Hafen wohl ein bezahlbarer Liegeplatz vorhanden sein wird und dass der 20 Jahre alte Single Malt in der Bordbar von den Bagaluten-Gästen an Bord nicht immer mit Cola getrunken werden sollte.
Genauso entspannt und wahrscheinlich mit einem viel größeren Wohlbefinden würde man wohl auch auf einer Charteryacht den Moment verbringen, selig in den Sonnenuntergang segelnd, mit einem nur 12 Jahre alten Whisky im Glas (egal ob mit Cola oder Eis), wohl wissend, dass man den Kahn einfach abgibt, wenn das Ende des Urlaubs naht.
Gerne würde ich als Praktiker den Ergebnissen der obigen Metastudie noch ein paar mit GMV (Gesundem Menschenverstand) abgeleitete Thesen hinzufügen. Entscheiden Sie selbst nach dem Lesen, ob Sie meine Thesen unterstützen wollen.
Meine acht Thesen zu glücklichen Menschen lauten: Glückliche Menschen …
… sind produktiver, weil sie viel mehr Spaß am Arbeiten haben,
… sind gesünder und fehlen dadurch weniger im Unternehmen,
… stecken andere mit ihrem Glücklichsein an,
… ziehen andere an, die auch glücklich bleiben wollen (beruflich insbesondere Bewerber und privat glückliche Freunde),
… suchen das Positive, auch in schwierigen Situationen und bei schwierigen Menschen,
… kämpfen für ihr Glück und geben sich nicht mit Mindestmaß zufrieden,
… sind viel angenehmere Kollegen,
… haben mehr Erfolg (siehe o. g. Metastudie)!
Diese Thesen leite ich aus meinen Beobachtungen aus der Praxis ab. Ich kann sie nicht wissenschaftlich beweisen, möchte sie aber gerne noch etwas anschaulicher belegen.
Während ich dieses Kapitel schreibe, habe ich gerade nicht das Gefühl zu arbeiten. Es strengt mich nicht an und die Seiten füllen sich schnell, weil mir das Thema und Bücherschreiben im Allgemeinen richtig viel Spaß bereiten. Müsste ich aber anstatt hier gemütlich im Garten am Laptop zu sitzen Rasen mähen, Unkraut jäten oder sonstige hobbygärtnerische Dienste leisten, würde sich jeder Handgriff in die Länge ziehen. Ein Gartenfreund könnte mir gar nicht zuschauen, ohne in Rage zu geraten. Genauso wenig könnte ich wahrscheinlich ihm über die Schulter schauen, wenn er sich an dem Verfassen eines Fachartikels versuchen würde, ohne daran Spaß zu haben. Spaß lässt Arbeit leichter und schneller und sicher besser von der Hand gehen. Dass ich diesen Spaß empfinde, hat viel damit zu tun, dass ich ein glücklicher Mensch bin, wozu ich mich im Vorwort geoutet habe, und weil ich lebe, was ich im zweiten Kapitel beschreibe.
Als im Personalmanagement häufig tätiger Consultant und Experte für HR-Controlling habe ich auch regelmäßig mit HR-Kennzahlen zu tun. Der Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit und den Fehlzeiten ist dabei ein Klassiker. Man nennt das auch „intangible KPI-Ketten“ (KPI = Key Performance Indicator), also Kennzahlen-Ketten, bei denen die Veränderung einer Kennzahl ein Warnsignal für die Veränderung einer anderen, mit dieser verbundenen...