Üblicherweise wird die Seitenwindempfindlichkeit eines Fahrzeugs in Versuchen im Windkanal oder an einer Seitenwindanlage ermittelt. Da hierzu häufig Prototypen verwendet werden, erfolgen diese Versuche und Messungen zu einem späten Zeitpunkt im Produktentstehungsprozess. Oft ist es dann jedoch zu spät und zu teuer, eventuell nötige Verbesserungen in die Fahrzeugform einzubringen. Um hier zu einem frühen Zeitpunkt bereits belastbare Aussagen über Fahrzeugeigenschaften zu erlangen, setzt die Fahrzeugentwicklung vermehrt auf virtuelle Verfahren zur Eigenschaftsfrüherkennung. In der Aerodynamik hat sich hierfür vor allem die numerische Strömungsberechung (CFD: Computational Fluid Dynamics) etabliert. Bislang ist es allerdings nicht möglich, genaue Vorhersagen über die Aerodynamik und Strömungsbedigungen bei Schräganströmung und bei Fahrt unter Seitenwindeinfluss zu treffen. Zwar existieren der Fachliteratur zufolge Untersuchungen zu solchen Simulationen, jedoch werden darin meistens erhebliche Vereinfachungen getroffen, sodass eine übertragbarkeit der Ergebnisse in die reale Fahrzeugentwicklung strittig ist. Da dem Berechnungsverfahren eine zentrale Rolle für den Erfolg der Simulationen zukommt, erfolgt zunächst ein Überblick zu verfügbaren Berechnungsverfahren. Im Folgeschritt werden diese Verfahren erstmalig nach objektiven Gesichtspunkten bewertet und das am besten geeignete ausgewählt, welches sich besonders zur Berechnung von Schräganströmung und Seitenwind eignet. Im Anschluss wird das ausgewählte Verfahren anhand von Windkanalmessungen validiert. Dazu wird die Aerodynamik eines Serienfahrzeugs mit denselben Randbedingungen berechnet, wie sie im Windkanal vorliegen. Durch den Einsatz einer speziellen Vernetzungsstrategie für das Rechenvolumen und angepasster Randbedingungen kann dieses Fahrzeug mit angemessenem Ressourceneinsatz dann erfolgreich bei Schräganströmung berechnet werden. Der Fokus der Analyse ist das instationäre Verhalten der Umströmung, da verschiedene Untersuchungen zeigen, wie es die Fahrdynamik, das Fahrerverhalten und nicht zuletzt dessen subjektives Urteil beeinflusst, wie ein Fahrzeug zur Seitenwindempfindlichkeit bewertet wird. Zu diesem Zweck werden zwei aerodynamisch unterschiedliche Varianten eines Versuchsfahrzeugs bei Schräganströmung berechnet und verglichen. Von den beiden Varianten ist bekannt, dass eine davon subjektiv als seitenwindempfindlicher bewertet wird als die zweite, jedoch bei verschiedenen Messungen und Versuchen objektiv kein nennenswerter Unterschied zwischen ihnen festgestellt werden kann. Die zeitlich gemittelten Berechnungsergebnisse bestätigen diese Messungen: Die beiden Varianten verhalten sich nahezu gleich, jedoch sind signifikante Unterschiede der Strömungstopologie im Zeitbereich (ohne Mittelung) erkennbar. Sie können über das statistische Werkzeug der Standardabweichung quantifiziert werden. Eine genaue Zuordnung der Schwankungen zu bestimmten Frequenzbereichen, die fahrdynamisch und für die subjektive Beurteilung relevant sind, erfolgt anschließend unter Zuhilfenahme von Passfiliiiterung und spektraler Leistungsdichte. Auf diese Weise ist zum ersten Mal möglich, unter stationären Bedingungen kritische Bereiche, welche die Seitenwindempfindlichkeit maßgeblich beeinflussen, zu lokalisieren und deren Relevanz zu bewerten. Der zweite Berechnungsteil behandelt die Möglichkeiten, Seitenwindsituationen virtuell nachzustellen, wie sie bei der Fahrt auf der Straße unter natürlichen Bedingungen auftreten. Im ersten der beiden Szenarien, die hier vorgestellt werden, wird das Ein- und Ausfahren aus einem Seitenwindgebiet nachempfunden. Ein erneuter Vergleich der zwei Fahrzeugvarianten, die bereits unter stationären Bedingungen gegenübergestellt wurden, zeigt unter diesen Bedingungen nur geringe Unterschiede in den Fahrzeugreaktionen: Seitenkraft- und Giermomententwicklung, die im Allgemeinen zur Seitenwindbewertung herangezogen werden, fallen für die beiden Varianten beinahe zusammen. Diese Beobachtungen decken sich wiederum mit Versuchen, in denen die Reaktionen der beiden Fahrzeuge bei der Vorbeifahrt an einer Seitenwindanlage gemessen wurden und die daher das Pendant zur berechneten Situation darstellen. Im zweiten Szenario wird die Situation analysiert, bei der das Fahrzeug von einer plötzlich auftretenden Böe getroffen wird. Stellt man diesmal die Fahrzeugreaktionen der beiden Varianten gegenüber, sind deutliche Unterschiede auszumachen. Das maximale Giermoment des Modells, das auch im Feldversuch besser bewertet wird, liegt signifikant unter dem des zweiten, d. h. der Fahrer müsste in diesem Fall weniger korrigierend eingreifen. Dieser Unterschied resultiert hauptsächlich aus dem zeitlich veränderten Verlauf der Seitenkraft, der durch die unterschiedliche aerodynamische Modifikation bestimmt wird. Diese Wirkung kann deshalb bei stationären Versuchen nur unzureichend bestimmt werden. Der Unterschied zwischen stationärer Schräganströmung, wie sie im Windkanal eingesetzt wird, und dem zeitlich veränderlichen Seitenwindverhalten, wie es zumeist auf der Straße unter natürlichen Windbedingungen vorgefunden wird, ist Schwerpunkt im letzten Abschnitt. Dort wird gezeigt, dass die Annahmen, die aus stationären Versuchen stammen, nur bedingt das zeitabhängige Verhalten erklären. Da die Umströmung erst nach einer bestimmten Dauer konstanter Verhältnisse einen eingeschwungenen Zustand erreicht, ist auch bis dahin die weit verbreitete Annahme ungültig, dass ein linearer Zusammenhang zwischen Seitenkraft und Anströmwinkel besteht. Er ist vielmehr direkt abhängig vom zeitlichen Verlauf der Seitenkraft, also von deren Amplitude und Steigung. Da jedoch Messfahrten auf der Straße zeigen, dass sich der stationäre Zustand nur in seltenen Ausnahmefällen einstellt, kann somit das unterschiedliche Urteil der subjektiven Bewertung der beiden vorgestellten Varianten erklärt werden. Um die genaueste Vorhersage zum Seitenwindverhalten eines Fahrzeugs schon in der frühen Entwicklungsphase treffen zu können, muss seine instationäre Aerodynamik analysiert werden.
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