Dieser Abschnitt soll einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand in Hinblick auf die erste Forschungsfrage geben. Die recherchierte Literatur wird kritisch gewürdigt, um auf die entsprechenden Theorien aufbauen zu können. Zu Beginn wird der Untersuchungsgegenstand beschrieben und die Herangehensweise der Untersuchung begründet. Im zweiten Teilkapitel wird eine Klassifizierung von Performance Kriterien aus unternehmensinterner Sicht erstellt, während im dritten Teil ein externer Blickwinkel eingenommen wird. Speziell die erarbeiteten Indikatoren aus Sicht von Investoren sollen anschließend im empirischen Teil als Argumentationsgrundlage zur Erstellung einer Rangliste dienen. Im vierten Teilkapitel folgt eine zusammenfassende Klassifizierung und somit die Beantwortung der ersten Forschungsfrage. Im letzten Teilkapitel werden ausgewählte CEO Charakteristiken theoretisch abgeleitet und Hypothesen formuliert.
Welche Rolle spielen CEOs in Hinblick auf die Unternehmensleistung? Um diese Frage zu beantworten, hat die Management-Forschung in den letzten Jahrzehnten eine beträchtliche Menge an Forschungsoutput produziert, der auf der Upper-Echelon-Theorie (UET) aufbaut. Diese besagt, dass CEO-Merkmale sich in strategischen Handlungen und auf diese Weise in der Zukunft in der Unternehmensperformance manifestieren (Wang/Holmes/Oh et al., 2016). Laut dieser Theorie gewinnen persönliche Management-Charakteristiken wie zum Beispiel das Alter, die Amtszeit oder der Ausbildungshintergrund der CEOs mit zunehmendem Komplexitätsgrad einer Entscheidung an Bedeutung. Strategische und strukturelle Entscheidungen eines Managers werden somit beeinflusst, dies hat in weiterer Folge wesentliche Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie und die Performance der Organisation (Nielsen, 2010). Darüber hinaus betont die UET, dass Führungskräfte, die sich durch begrenzte Rationalität auszeichnen, Entscheidungen treffen, die auf ihren kognitiven, sozialen und physiologischen Eigenschaften basieren (Ting/Azizan/Kweh, 2015). Da Kognitionen, Werte und Wahrnehmungen schwer zu messen sind, beruft sich die UE-Perspektive auf frühere Demographieforschung und verwendet Eigenschaften der Führungskräfte als angemessene Stellvertreter. Die folgende Abbildung fasst zusammen, wie sich die Eigenschaften des Managements auf die strategischen Entscheidungen der Unternehmen auswirken.
Abbildung 1: Upper Echelon Perspektive
(Quelle: Hambrick/Mason, 1984)
Die linke Seite des Modells von Hambrick und Mason (Abbildung 1) zeigt die interne und externe Situation der Organisation. Managementmerkmale wie Alter, Funktionshintergrund und Bildungserfahrungen werden als beobachtbare Proxys für die psychologischen Konstrukte verwendet, die die Interpretation der internen und externen Situation des Teams formen und die Formulierung geeigneter strategischer Alternativen erleichtern. Die herausragende Rolle von psychologischen Konstrukten, wie Werten und Wahrnehmungen, wird auf eine beschränkte Rationalität der Führungskräfte zurückgeführt. Mit anderen Worten, angesichts Entscheidungsherausforderungen wie Informationsüberflutung, mehrdeutigen Hinweisen und konkurrierenden Zielen wird die Wahrnehmung diversester Reize durch kognitive Grundlagen und Werte der Führungskräfte gefiltert und interpretiert. Folglich postulieren Hambrick und Mason, dass sich der Einfluss der Demographie auf kognitive Prozesse in strategischen Entscheidungen bzw. Ergebnissen zeigt. Die dritte Box enthält daher eine Reihe strategischer Variablen, von Innovation bis zur Reaktionszeit, von denen erwartet wird, dass sie die Eigenschaften des Führungsteams widerspiegeln. Schließlich prognostiziert das Modell, dass die sich daraus ergebende organisatorische Leistung, die sich entlang einer Reihe von Faktoren von der Rentabilität bis zum grundlegenden Überleben des Unternehmens misst, letztendlich beeinflusst wird.
Die ursprüngliche UE-Perspektive zeichnet sich durch eine Reihe wichtiger Merkmale aus. Das zugrundeliegende UE-Framework ist ein lineares, das Management entscheidet wie auf eine bestimmte Situation reagiert werden soll, die Überlegungen des Managements führen zu strategischen Entscheidungen, diese Entscheidungen beeinflussen die Performance. Die Verknüpfungen, die die Situation direkt mit den Merkmalen und strategischen Entscheidungen der UE verbinden, werden nicht explizit angesprochen, obwohl ausgewählte Vorschläge Kontingenzvorhersagen enthalten, die diese beiden letzten Pfeile implizit einbeziehen (Carpenter/Geletkanycz/Sanders, 2004).
Im Rahmen der Arbeit sollen auf Basis der Upper-Echelon-Theorie Kennzahlen der Unternehmensperformance zur Messung der Leistung von CEOs herangezogen werden. Dies ist insbesondere von Relevanz, da bis dato keine derartigen Untersuchungen für Österreich und Deutschland durchgeführt wurden. Zuvor sollen die unterschiedlichen Sichtweisen (intern vs. extern) auf die Performance der CEOs beleuchtet werden.
In einem Artikel im Harvard Business Review schildert Stephan Kaufmann seine Eindrücke aus der Zeit als CEO von Arrow Electronics. Laut Kaufmann schockierte ihn der Umstand, dass er während er die Karriereleiter aufstieg, intensive Beurteilung durch Vorgesetzte bekam, als er jedoch CEO wurde, die Beurteilung plötzlich rasch und oberflächlich ausfiel (Kaufman, 2008). Ebenso liefert eine Metastudie von Tosi et al. (2000) Hinweise, dass die Gesamtvergütung der CEOs nur zu einem sehr geringen Anteil von der Performance abhängt (<5%) und vielmehr von der Größe des Unternehmens (>40%). Als objektiviertes Mittel, um den Vorstand zu bewerten bzw. die Leistung zu messen, schlagen Welge und Eulerich (2014) eine Management Scorecard vor. Die Intention bei der Management-Scorecard ist das Verhalten und die Aufgaben des Vorstands zur Führung des Unternehmens und zur Erfüllung der Stakeholder-Interessen vorzugeben. Interpretationsmöglichkeiten, inwieweit Erfolg oder Misserfolg auf die persönliche Leistung des Vorstands oder auf externe Faktoren zurückzuführen sind, werden somit nahezu eliminiert. Demnach ist auch der Vorstand alleine für die Erreichung der im Vorfeld mit dem Aufsichtsrat vereinbarten Ziele verantwortlich. Der Aufsichtsrat kann die Vorstands-Scorecard zur Evaluation des Managements nutzen, um über dessen Entlohnung, Weiterbeschäftigung oder Abberufung zu entscheiden. Anzumerken ist, dass die Autoren jedoch keine speziellen Kennzahlen oder Parameter empfehlen.
Wissenschaftler der Stanford Universität in den Vereinigten Staaten wurden konkreter und befragten im Dezember 2015 bzw. im Jänner 2016 107 CEOs und Non-Executive Directors von Fortune 500 Unternehmen bezüglich ihrer Wahrnehmung im Hinblick auf die Leistungsbeurteilung. Eine der gestellten Fragen war, welche die geeignetste Kennzahl zur Messung der Unternehmensperformance sei. Die zusammengefassten Ergebnisse dieser Umfrage zeigt Abbildung 2. Der Total Shareholder Return stand mit 51% an der Spitze der Antworten bei den Non-Executive Directors, gefolgt von Return on Capital (18%) und Operating Income (13%). CEOs selbst empfinden operative Kennzahlen als das bessere Mittel zur Leistungsmessung. So geben 28% der befragten CEOs an, den Free Cash-Flow (FCF) als bestes Maß einzustufen, gefolgt von Total Shareholder Return mit 26%.
Abbildung 2: Wichtigste Performancekennzahl aus Sicht des Aufsichtsrates
(Quelle: Larcker/Thompson/Donatiello et al., 2016)
Während es schwierig ist, den Beitrag eines CEOs zur Performance zu messen, vertreten die Non-Executive Directors die Ansicht, dass CEOs maßgeblich am Erfolg oder Misserfolg einer Organisation beteiligt sind. Diese Ergebnisse machen nachvollziehbar, warum die Bezahlung der CEOs der größten US-Unternehmen so hoch ist. Bei der Frage, welcher Anteil der Performance eines Unternehmens direkt den Bemühungen des CEO zuzuschreiben ist, schreiben sämtliche der Befragten den CEOs einen beträchtlichen Teil für die Unternehmensergebnisse zu. Die Non-Executive Directors zollen den CEOs mehr Anerkennung für deren Leistung, als diese es selbst tun. Sie glauben, dass die CEOs direkt für 40 Prozent der Leistungsergebnisse verantwortlich sind, verglichen mit 30 Prozent aus Sicht der CEOs selbst (Larcker/Thompson/Donatiello et al., 2016).
Eine weitere Befragung der Hay Group in Zusammenarbeit mit der Plattform Agenda untersuchte die Hauptelemente der Bewertung der CEO-Leistung in der „2015 CEO Performance Evaluation Study“. Es wurde Feedback von 147 Management Vertretern aus globalen Unternehmen über einen Online-Fragebogen eingeholt. Die Umfrageteilnehmer arbeiten für Unternehmen aller Größen, wobei der durchschnittliche Umsatz der Organisationen der Befragten über 1 Milliarde US-Dollar betrug. Die Studie ergab, dass sich die Vertreter der Unternehmen hauptsächlich auf Finanzkennzahlen verlassen, gleichzeitig streben jedoch viele eine bessere Balance zwischen quantitativen und qualitativen Leistungskennzahlen an. Insgesamt gaben 98 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass sie Kennzahlen der finanziellen Performance als Maß verwenden,...