Seit der Liberalisierung des Energiemarktes im Jahr 1996 ist es den Betreibern deutscher
Kohlekraftwerke erlaubt, auch Importkohle zu verbrennen. Beim Einsatz von Importkohlen,
die sich in ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften von der ursprünglichen
Auslegungskohle stark unterscheiden, kann dies Betriebsprobleme in der jeweiligen Feuerung
verursachen.
Unterschiedliche Kohleeigenschaften in Verbindung mit einer nicht angepassten
Betriebsweise können zu einer erhöhten Verschmutzung, Verschlackung und
Korrosionsneigung an den Feuerraumwänden und den Berührungsheizflächen im konvektiven
Bereich der Feuerung führen. Die feuerraumseitige Korrosion an der Oberfläche von
Verdampferrohren ist zwar hinlänglich bekannt und die zugrunde liegenden
Korrosionsmechanismen erforscht, dennoch werden ca. 27 % [33] aller ungeplanten
Stillstände von Kohlenstaubfeuerungen durch feuerraumseitige Korrosion verursacht.
Eine Veränderung der Feuerungseinstellungen, beispielsweise im Zuge einer
Feuerungsoptimierung, sollte daher stets von Sauerstoffkonzentrationsmessungen im
wandnahen Bereich der Feuerraumwände begleitet werden um sicherzustellen, dass das
Korrosionspotenzial an den Feuerraumwänden dadurch nicht erhöht wird.
Reduzierende Bedingungen an den Feuerraumwänden gelten als Voraussetzung für das
Auftreten von Feuerraumkorrosion. Aus diesem Grund werden die Sauerstoffkonzentrationen
in wandnahen Bereichen der Feuerraumwände gemessen, um so Bereiche mit erhöhtem
Korrosionspotenzial zu identifizieren. In diesem Zusammenhang wird die
Gaszusammensetzung im wandnahen Bereich der Feuerraumwände auch als
Wandatmosphäre bezeichnet.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Wandatmosphäre einer Kohlenstaubfeuerung bei
unterschiedlichen Feuerungseinstellungen gemessen um Parameter zu identifizieren, die einen
maßgeblichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Wandatmosphäre haben. Weiterhin
wurde der Zusammenhang zwischen gemessener Wandatmosphäre und der
Materialabzehrung an Verdampferrohren aufgrund von Feuerraumkorrosion untersucht.
Die Untersuchungen erfolgten am Block 7 des Rheinhafendampfkraftwerks der EnBW
Kraftwerke AG in Karlsruhe. Die untersuchte Feuerung ist als Gegenfeuerung mit Low-NOx
Brennern ausgeführt. Die insgesamt 32 Stufenmischbrenner vom Typ SM I sind auf vier
Brennerebenen angeordnet. Jede Brennerebene ist mit 8 Brennern ausgerüstet, dabei sind je
vier Brenner auf der Vorderseite und der Rückseite installiert. Die Brenner einer
Brennerebene werden jeweils von einer Mühle versorgt. Der aus der Mühle austretende
Kohlenstaub wird mit Hilfe von so genannten Zwangsverteilern auf die entsprechenden
Brenner verteilt.
Im Rahmen einer geplanten Revision der untersuchten Anlage wurden
Wanddickenmessungen im gesamten Feuerraum durchgeführt. Die Bereiche mit den höchsten
festgestellten Materialabzehrungen stimmten dabei sehr gut mit den Bereichen überein, an
denen zuvor geringe Sauerstoffkonzentrationen gemessen wurden.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen belegen, dass die regelmäßige Überwachung der
Wandatmosphäre eine geeignete Methode darstellt, um kritische Bereiche im Hinblick auf
eine mögliche Feuerraumkorrosion zu identifizieren.
Zur Vermeidung von Feuerraumkorrosion ist es notwendig zu wissen, mit welchen
Parametern sich die Wandatmosphäre und damit die Sauerstoffkonzentrationen in wandnahen
Bereichen der Verdampferwände beeinflussen lassen.
Als maßgebliche Parameter unter diesem Gesichtspunkt wurden
_ der Luftüberschuss,
_ die Luftstufung am Brenner,
_ die Kohlenstaubverteilung auf die Brenner
_ und der Ausmahlungsgrad des Kohlenstaubes identifiziert.
Zur Bestimmung der Kohlenstaubverteilung wurde an jedem Brenner mittels einer
isokinetischen Absaugsonde die Kohlenstaubdurchflussmenge gemessen. Bei dieser
Messmethode wird ein Teilstrom aus der Kohlenstaubleitung abgesaugt und der Kohlenstaub
vom Traggas abgeschieden. Die so für jeden Brenner erhaltenen Kohlenstaubproben wurden
im Labor hinsichtlich der Korngrößenverteilung analysiert. Die Kohlenstaubleitungen aller 32
Brenner sind zusätzlich mit einem MIC Online-Kohlenstaubmessgerät ausgerüstet, das
kontinuierlich die Kohlenstaubverteilung auf die einzelnen Brenner einer Mühle misst und
aufzeichnet. Anhand der Signale dieses Messsystems können die Schwankungen der
Kohlenstaubmenge in jeder Kohlenstaubleitung erfasst und ausgewertet werden.
Die festgestellten Schwankungen der Kohlenstaubförderung in einigen Kohlenstaubleitungen
zeigen ein vergleichbares Verhalten wie die Schwankungen der gemessenen
Sauerstoffkonzentration an den entsprechenden Wandatmosphäremessstellen. Aufgrund der
vorhandenen Schwankungsbreiten sowohl bei der Kohlenstaubförderung als auch bei der
Primär- und Sekundärluft an den Brennern ist es sehr schwierig, den Einfluss der einzelnen
Parameter auf die Wandatmosphäre zu quantifizieren. Aus diesem Grund wurde das vom
Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen (IVD) der Universität Stuttgart und der
Firma RECOM Services entwickelte Simulationswerkzeug AIOLOS genutzt um
Parameterstudien durchzuführen.
Die Simulationsergebnisse der durchgeführten Parameterstudien ermöglichen es, die im
Hinblick auf die Zusammensetzung der Wandatmosphäre ermittelten Einflussparameter zu
verifizieren und zu quantifizieren. Darüber hinaus werden aber auch Informationen bezüglich
der Auswirkungen dieser Parametervariationen auf die Rauchgaszusammensetzung und den
Glühverlust erhalten.
Mit Hilfe der Simulationsrechnungen lässt sich anschaulich belegen, dass eine
ungleichmäßige Verteilung des Kohlenstaubes auf die Brenner einen maßgeblichen Einfluss
auf die Zusammensetzung der Wandatmosphäre besitzt. Mit der Einstellung einer
gleichmäßigeren Kohlenstaubverteilung auf die Brenner kann die Sauerstoffkonzentration im
wandnahen Bereich der Feuerraumwände erhöht werden. Ein weiterer positiver Aspekt zeigt
sich anhand eines geringeren Glühverlustes und niedrigerer primärer NOx-Konzentrationen
im Rauchgas. Die Untersuchungen zeigen weiterhin, dass eine ungleichmäßige
Kohlenstaubverteilung in den Verteilersystemen auch zu einer Korngrößenseparation führt.
Üblicherweise erhalten Brenner mit einer hohen Kohlenstaubbeaufschlagung auch einen
höheren Grobkornanteil, wodurch die negativen Auswirkungen einer ungleichmäßigen
Kohlenstaubverteilung noch verstärkt werden.
Mit Hilfe einer kontinuierlichen und zuverlässigen Erfassung der Kohlenstaubverteilung ist
eine brennerscharfe Anpassung der Verbrennungsluftmenge an die jeweilige Kohlemenge
möglich. Die dabei erreichbaren Verbesserungen entsprechen denen, die bei einer
Gleichverteilung des Kohlenstaubes erreicht werden können.
Die gewonnen Erkenntnisse zeigen auf, welche Maßnahmen zur Erhöhung der
Sauerstoffkonzentration an den Feuerraumwänden einer Kohlenstaubfeuerung zur Verfügung
stehen. Es wird dabei unterschieden zwischen Maßnahmen, die lediglich auf einer veränderten
Betriebsweise beruhen und Maßnahmen, die eine bauliche Veränderung der Anlage erfordern.
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