Studienarbeit aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - 1848, Kaiserreich, Imperialismus, Note: sehr gut, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Seminar für Neuere Geschichte), Veranstaltung: Parlamentarische Gegner Bismarcks 1847-1890, 23 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Am 19. September des Jahres 1878 schrieb das Mitglied des Reichstages Hans von Kleist-Retzow in einem Brief an den Reichskanzler Otto von Bismarck: 'Lieber Bismarck ! Laß Dir kurz vor meiner Abreise von hier während der Reichstagsferien noch von ganzem Herzen dafür danken, daß Du mir nach so langer schmerzlicher Entbehrung neulich wieder Deine Hand reichtest. Mit großer Freude erkenne ich darin den Ausdruck Deines Wunsches: das alte Freundschafts- und Verwandtschaftsband und den früheren häuslichen Verkehr zwischen uns wieder herzustellen, und werde nach Deiner und meiner Rückkehr davon gern Gebrauch machen. In alter Treue Dein H. v. Kleist-Retzow' Zwei Tage zuvor, am 17. September 1878 während der ersten Lesung des zweiten Sozialistengesetzes im Deutschen Reichstag war Bismarck unmittelbar nach der Rede Kleist-Retzows auf diesen zugegangen und hatte ihm die Hand geschüttelt. Dieser Akt öffentlicher Versöhnung beendete die beinahe ein Jahrzehnt andauernde erbitterte politische und auch private Gegnerschaft der beiden vormals eng befreundeten und verwandtschaftlich verbundenen Wohnungsgenossen aus früheren Tagen. An sich stellt eine Versöhnung zweier alter Freunde nach einem langen Streit nichts ungewöhnliches dar. Aber in diesem Fall handelt es sich um zwei wichtige, ihre Zeit maßgeblich prägende Personen der politischen Öffentlichkeit - dies gilt freilich in erster Linie für Bismarck, aber auch Kleist-Retzow erfreute sich als Vertreter des preußisch-protestantischen Konservatisvismus einem hohen Maß an Bekanntheit und Ansehen in der Öffentlichkeit. Die Ursachen des Streits waren zum größten Anteil politischer Natur gewesen, daher ist kaum anzunehmen, daß die Versöhnung sich gerade im Rahmen einer derartig hochbrisanten innenpolitischen Debatte ausschließlich auf private Motive stützte. Dazu kommt der besondere Charakter der Versöhnung durch ihren Vollzug vor den Augen der Öffentlichkeit, was den Verdacht einer politischen Inszenierung nahe legt. Dieser Frage soll die vorliegende Arbeit nachgehen, ob sich aufgrund der vorhandenen Quellen nachweisen läßt, daß es sich bei diesem Akt nicht nur um eine private Versöhnung, sondern um eine bewußte politische Inszenierung gehandelt hat.
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