Einführung
Die Anfrage
Meine persönliche Geschichte mit diesem Thema geht zurück auf eine Anfrage, die mich im Frühling 2014 erreichte: ob ich bereit sei, im kommenden Jahr beim Frauen-Impuls-Tag (FIT) im schweizerischen Wetzikon das Hauptreferat und einen Vertiefungsworkshop zum Thema Blühe dort, wo du gepflanzt bist zu halten.
Ich war hin- und hergerissen. War es angebracht, über blühendes Leben zu sprechen, wenn sich mein eigener Lebensgarten ernüchternd trostlos präsentierte? So fühlte es sich zumindest in meinem Inneren an. Von außen betrachtet meinten Einzelne, in meinem Lebensgarten durchaus Blumen zu erkennen. Ihre Sicht bezog sich aber vor allem auf äußere Erfolge. Solch flüchtige Momentaufnahmen schienen mir wenig mit der viel tieferen Natur des Blühens gemeinsam zu haben, die ich mir für mein Leben ersehnte.
Seit mich zwei Jahre zuvor gesundheitliche Probleme aus der Bahn geworfen hatten, kämpfte ich darum, wieder Herrin der Lage zu werden. Der Kampf sah allerdings nicht sonderlich vielversprechend aus. Im Spannungsfeld verschiedener Lebensrollen und dem Bemühen, es allen recht zu machen, blieb ich selbst viel zu oft auf der Strecke. Gehetzt. Fremdbestimmt. Niedergeschlagen. Erschöpft. Enttäuscht – von mir selbst, aber auch von anderen.
Als ich meine Bedenken äußerte, ob ich tatsächlich die geeignete Referentin für dieses Thema sei, sprach man mir Mut zu. Es gehe auch um Grenzen und darum, dass wir aufhören sollten, sehnsüchtig auf die scheinbar blühenden Lebensgärten anderer zu schielen. Wir sollten uns vielmehr darauf konzentrieren, die Möglichkeiten, die Gott in unser Leben gelegt hat, zu nutzen und verantwortungsbewusst unseren eigenen Lebengarten zu pflegen. Meine Neugier war geweckt. Ich wollte dem Geheimnis blühenden Lebens unbedingt auf die Spur kommen. Also sagte ich gespannt zu.
Das Referat und die Folgezeit
Fast ein Jahr lang bewegte ich das Thema Blühe dort, wo du gepflanzt bist, bis der Frauen-Impuls-Tag 2015 endlich herangerückt war. Im Hauptreferat sowie im Vertiefungsworkshop gab ich den Frauen Anteil an Gedanken, die mir im Vorfeld wichtig geworden waren. Viele dieser Gedanken sind in diesem Buch in vertiefter Version zu finden. Ich spürte, dass dies nur der Anfang meines Weges mit dieser Thematik sein würde. Kein Zweifel: Dieses Thema birgt Lernstoff für ein ganzes Leben!
Die Aufforderung Blühe dort, wo du gepflanzt bist! löste nicht nur bei mir etwas aus. In der Folgezeit erreichten mich viele Anfragen für Referate zu diesem Thema. Es schien einen Nerv im Leben vieler Frauen zu treffen.
So sprach ich im Frühling darüber, als die Natur auf geheimnisvolle und berührende Weise zu neuem Leben erwachte und neue Lebenshoffnung weckte. Im Sommer, als sich das Auge an den kräftigen, satten Farben kaum sattsehen konnte und blühendes Leben so greifbar nahe war. Im Herbst, als sich goldene und stürmische Tage die Hand reichten und das Wechselbad der Natur auf das Gemüt der Menschen abfärbte. Im Winter, als die Dunkelheit und Kälte in vielen Herzen belastend Einzug hielt und der Gedanke an blühendes Leben zur Zumutung wurde. Mit jedem Referat – und zu jeder Jahreszeit – berührte mich das Thema wieder neu und wuchs mein Anliegen, meine Zuhörerinnen zu einem blühenden Leben zu ermutigen – unabhängig von der Jahreszeit, in der sich die Natur oder ihre Seele gerade befand.
Der Traum
Zu Beginn des Jahres 2017 willigte ich in dieses Buchprojekt ein. Wenig später träumte ich eines Nachts, wie ich in einem Krankenbett am Vorwort dieses Buches schrieb. Ich fand den Traum seltsam. Mit der Zeit geriet er wieder in Vergessenheit. Die Monate, die dem Traum folgten, waren schwierig. Meine Hoffnung, dass sich die gesundheitliche Situation, die mich seit vier Jahren herausforderte, entspannen würde, zerschlug sich. Neue Probleme traten auf und ein weiteres Jahr war von Arztbesuchen, Untersuchungen, schlaflosen Nächten, Schmerzen und der Einnahme von Medikamenten geprägt. Eine Operation sollte Linderung bringen. So lag ich im Oktober 2017 im Zimmer eines Krankenhauses und wartete auf einen Eingriff, der für den nächsten Tag geplant war. Ich war allein im Zimmer, da meine Bettnachbarin an jenem Tag operiert wurde. Das Krankenhausfenster gab den Blick frei auf einen wunderschönen Park. Die farbenprächtigen Herbstblätter schienen mit dem intensiven Blau des Herbsthimmels zu wetteifern. Die herrliche Farbenpracht wirkte wie Balsam auf meine wunde Seele. Die milde Herbstsonne warf lange Schatten auf die Grünflächen des Parks. Patienten und Besucher schritten langsam über die gepflegten Fußwege. Jeder trug seine eigene Geschichte, sein eigenes Schicksal, wie ein unsichtbares Gepäckstück mit sich. Einigen setzte die Last sichtlich zu.
Als ich so in meinem Bett lag, und mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf gingen, erinnerte ich mich plötzlich an den Traum. Ich griff nach einem leeren Notizbuch, das bereits darauf wartete, Gedankensplitter festzuhalten, die mich während meines Krankenhausaufenthaltes beschäftigten. Indem ich im Krankenbett einige Gedanken für dieses Vorwort niederschrieb, wurde der Traum, den ich einige Monate zuvor gehabt hatte, Wirklichkeit.
Im Krankenhaus – 5. Oktober 2017
„Angespannt liege ich in einem Schweizer Krankenhaus. Ich hoffe und bete, dass die morgige Unterleibsoperation gelingt und dadurch meine gesundheitlichen Beschwerden der letzten Wochen und Monate gelindert werden.
Wenn ich an die vergangenen fünf Jahre zurückdenke, bin ich einmal mehr froh darüber, dass uns der Blick in die Zukunft verwehrt ist. Hätte ich vor fünf Jahren gewusst, was auf mich zukommen würde, hätte mich die Angst davor vielleicht zu einer Verzweiflungstat getrieben, um all dem auszuweichen. Doch dann hätte ich auch nicht erlebt, dass Zeiten des Zerbruchs, des Leidens, der körperlichen und seelischen Schwäche zu außergewöhnlichen Glaubenserfahrungen führen und auf besondere Weise zu Segenszeiten werden können. Sie sind Teil eines bedeutenden Prozesses – des inneren Werdens, Wachsens und Reifens.
Eine Blume wird auch durch Sturm und Regen zu dem, was sie ist, nicht nur durch Sonnenschein. Die Wurzeln der Wettertannen dringen umso tiefer und kraftvoller in den Boden, je heftiger die Unwetter und Stürme wüten. So sind Aushalten, Stillhalten und Warten auch im menschlichen Leben Teil eines Prozesses, der uns verändert und uns mit Gottes Hilfe über unsere menschlichen Begrenzungen hinauswachsen lässt. Am Rande der Überforderung und Erschöpfung hat der Schöpfer seine schützenden und segnenden Hände über mich gehalten und mir, wie einer zarten Pflanze, neue Lebenskraft und junge Triebe geschenkt. Er hat mein verletzliches Wesen fest in seiner Liebe verwurzelt.
Das Krankenhaus mag ein seltsamer Ort sein, um ein Buch über blühendes Leben zu beginnen. Doch vielleicht könnte er auch passender nicht sein, da auf diese Weise gleich zu Beginn Missverständnisse und falsche Vorstellungen ausgeräumt werden. Blühendes Leben ist nicht abhängig von Lebensumständen, die unserer Ansicht nach ideal sind. Wie sonst könnte sich eine Blume mitten in der kargen Wüste entfalten? Ein Kaktus Blüten bekommen? Eine Christrose mitten im kalten Winter aufblühen? Wie könnte ein Löwenzahn kraftvoll Asphalt durchbrechen? Wie könnte eine Mohnblume zwischen Kieselsteinen überleben? Eine uralte Rose von Jericho zu neuem Leben erwachen? Blühen ist ein Wunder. Umso mehr, als Blühen oft in krassem Widerspruch zu den Lebensumständen steht. Doch genau dieses Wunder ist es, das mich mitten im hektischen Alltag innehalten lässt. Erst vergangene Woche blieb ich verblüfft stehen, als ich eine kleine Blume entdeckte, die aus einer Hausmauer ragte. Wie kann das sein, fragte ich mich, dass eine so zarte Blume eine Mauer durchdringen kann? Das ist doch gar nicht möglich? Und trotzdem geschieht es. Die Kraft des Blühens scheint jenseits der Naturgesetze zu liegen.
Wie ist das möglich? Diese Frage geht mir auch durch den Kopf, wenn ich das Leben von Menschen beobachte, die allen Grund hätten, aufgrund von Schicksalsschlägen verbittert zu sein, die aber trotzdem – mitten in schwierigsten Lebensumständen – ihrem Wesen entsprechend aufblühen und anderen Menschen zum Segen und Vorbild werden. Solche Menschen sind wie eine Blume in der Wüste. Ich halte inne und staune. Ich spüre, dass ich Zeugin eines Wunders bin, das mit rein menschlicher Logik nicht erklärt werden kann.
Ich stelle mir vor, wie berührend es wäre, wenn andere Menschen auch bei mir denken würden: Wie ist das möglich? Wie kann sie trotz einer schwierigen Lebenssituation Zufriedenheit, Freude und Frieden ausstrahlen? Gleichzeitig spüre ich, wie weit ich hiervon oft entfernt bin. Ich möchte lernen, weniger nach perfekten Lebensumständen zu streben und mich vielmehr nach demjenigen auszustrecken, der Blühen überhaupt erst möglich macht: Jesus Christus! Ich möchte lernen, ihm immer mehr zu vertrauen, dass er mich in schwierigen Zeiten näher an sein Herz zieht und mich mitten in den Stürmen und offenen Fragen des Lebens seine Liebe spüren...