Zum Lust bekommen
Was gibt es zu sehen?
Den Grand Place fotografieren; die Gemälde im Musée Magritte bestaunen; das Atomium besuchen und dabei über die ganze Stadt blicken. Danach noch ein paar Bruegels in den Königlichen Museen der Schönen Künste betrachten; Pralinen kaufen und eine große Portion Pommes mit einem starken Bier hinunterspülen. Ja, diese Aktivitäten sollten fürwahr beim ersten Brüsselbesuch auf der Tagesordnung stehen.
Wer allerdings das Glück hat, öfter nach Brüssel zu kommen – oder sich gar für einen längeren Zeitraum hier aufhalten zu dürfen –, wird schnell merken, dass das wahre Brüssel andernorts zu finden ist: in den kleinen, verwinkelten Gassen abseits der touristischen Wege, in unterirdischen Gängen und auf versteckten Dachterrassen. In den Wohnvierteln, in den Hinterhöfen vergessener Palais und hinter verfallenen Jugendstil-Fassaden.
Wer den Blick vom Manneken Pis und den Goldfassaden des Grand Place löst und ihn schweifen lässt, wird erkennen, dass Brüssel eine Stadt der verborgenen Schätze ist. Im Stadtteil Schaerbeek etwa, in das sich die wenigsten Touristen verirren, gibt es Jugendstil-Gebäude, die zu den schönsten der Stadt zählen. Wer genug von den Schnörkeln und Blumen hat, wird wiederum die beeindruckende Art-déco-Architektur der Villa Empain oder des Museum Van Buuren genießen. Wie verlockend ist es da, sich danach mit einem Architekturführer (oder auch mit diesem Reiseführer) unter die Apfelbäume des Parc Tournay-Solvay in der Gemeinde Boitsfort zu legen.
Belgische Spezialität Gueuze im Scheerbaeker Biermuseum
Durch belgische Parks sollte man immer mit wachsamen Augen streifen, denn hier versteckt sich so manches Kunstwerk: Wem der mexikanische Olmekenkopf im Parc Tournay-Solvay zu exotisch ist, der wird vielleicht an dem „Schnitter“, der Figur eines fleißigen Arbeiters von Bildhauer Constantin Meunier, im Parc du Cinquantenaire mehr Gefallen finden.
Brüssel, die Stadt, die so oft mit den sperrigen EU-Gebäuden in Verbindung gebracht wird, schafft es wie kaum eine andere, ihren Bewohnern im Alltag Natur, Architektur und Kunst zu bieten. Dabei sind die kleinsten Museen oft die feinsten: In den Ausstellungsräumen der Brauerei Cantillon lernt man etwa – in sehr familiärer Atmosphäre – die belgischen Spezialitäten Gueuze und Lambic kennen, während das kleine Musée Marc Sleen, das gleich gegenüber dem großen, bekannten Comic-Zentrum liegt, einen intimen Einblick in das Leben eines berühmten flämischen Comickünstlers bietet. Es zahlt sich aus, sich genau einzulesen – und dabei nicht ähnlich klingende Namen zu verwechseln: Denn das René-Magritte-Museum, das einstige Wohnhaus des Surrealisten im Stadtteil Jette, ist nicht gleichzusetzen mit dem großen, oftmals überlaufenen Musée Magritte in der Innenstadt. Und das Schaerbeeker Biermuseum hat viel mehr Charme als das Biermuseum auf dem Grand Place im Zentrum.
Aufgrund seiner Einwohnerstruktur (siehe oben) ist Brüssel eine Stadt, die ständig im Wandel ist. (An wenigen anderen Orten gibt es eine so hohe Baukran-Dichte wie im Brüsseler EU-Viertel.) An Wochenenden verwandeln sich einzelne Straßen in belebte Festmeilen: Ob mit einem Flohmarkt, Straßenfest oder Bauernmarkt – die Stadt erwacht zum Leben. Kaum sind die Temperaturen im Plusbereich und die Tische vor den Bistros trocken, spielt sich das Leben vor den Bars und Cafés und in den Parks ab. Dabei trotzen die Brüsseler jeder Regenwolke: Denn mit ihrer offenen, entspannten Art bringen sie gute Laune in jeden noch so grauen Tag.
Wie entdecke ich die Stadt?
Am besten in Turnschuhen. Nicht nur, dass ein Großteil der historischen Altstadt mit Kopfsteinpflaster belegt ist – man muss in Brüssel auch immer wieder mit dem einen oder anderen Schlagloch oder einer abgebrochenen Gehsteigkante rechnen. Der Laissez-faire-Stil, der den Alltag in Brüssel zu etwas Besonderem macht, weil er entspannt und locker ist, hat eben auch Kehrseiten. So steht man in Brüssel vor dem Dilemma: Nach unten auf den Boden schauen, um nicht zu stolpern; oder lieber nach oben blicken, um nicht die vielen architektonischen Schmuckstücke – z. B. die geschwungenen Eisen- und Glasverzierungen der Jugendstil-Bauten – zu versäumen. Mein Tipp: Wenn man sich ein wenig an die holprigen Gehsteige gewöhnt hat, dann schafft man es, nach oben zu blicken – auch ohne zu stolpern.
Die Brüsseler Innenstadt entdeckt man am besten zu Fuß. Seit 2015 ist das Zentrum rund um den Boulevard Anspach sogar eine auto- und busfreie Zone. Wer Zeit und ein wenig Energie hat, kann von der Innenstadt sogar bis in die Stadtteile Ixelles und Etterbeek (wo auch die EU-Institutionen liegen) schlendern. So bekommt man ein gutes Gefühl für die Stadt. Wer einen Tag lang zu Fuß unterwegs ist, wird rasch merken, dass Brüssel keineswegs eine so flache Stadt ist, wie man zunächst vermuten würde. Fahrradfahrer brauchen demnach unbedingt ein Rad mit Gangschaltung – und einen guten Helm. Denn Brüssel ist keine Stadt für Fahrradfahrer. Radwege, die neben und nicht auf der normalen Fahrbahn angelegt sind, sind selten. Der Fahrstil der belgischen Autofahrer passt sich an den hiesigen Lebensstil an: Man möchte sich nicht zu sehr von Regeln einschränken lassen. Wer also mit zwei Rädern unterwegs ist, lebt in gewisser Weise risikoreich.
Natürlich gibt es Tage, an denen die Füße schmerzen – vielleicht weil man über ein Schlagloch gestolpert ist – oder an denen man eine Destination erreichen möchte, die weiter entfernt liegt. Brüssel hat ein kleines, feines Metro-Netz (mit vier Linien), das recht zuverlässig ist. Mehr Geduld braucht man in Belgien als Busfahrender: Auf den Fahrplan kann man sich nur bedingt verlassen. Es gehört quasi zum Brüsseler Straßenbild, dass plötzlich – nach langer Wartezeit – drei Busse derselben Linie hintereinander an der Bushaltestelle auftauchen. Auch sollte man sich darauf einstellen, dass man nicht immer am eigentlichen Ziel ankommt. Deviation ist wohl eines der häufigsten Wörter, die man auf den Straßenschildern liest. Wenn irgendwo eine Straße aufgegraben wird, dann ändert der Bus seine Route – im Bus wird die neue Strecke aber meist nicht erwähnt. (Lieber also zur Sicherheit den Busfahrer fragen, ob er heute auch tatsächlich Ihre Station anfährt!) Dieses Chaos mag zunächst abschreckend klingen. Hat man sich aber nach einem kurzen Aufenthalt in der Stadt daran gewöhnt, nimmt man es mit Humor und sieht es positiv: Man macht unverhofft neue Entdeckungen, und beim gemeinsamen Warten und Rätseln an der Bushaltestelle kommen die Leute schnell ins Gespräch.
Was gibt es zu essen?
Pommes frites, Waffeln und Schokolade – diese Lebensmittel werden in den meisten Reiseführern angepriesen. Und ja, sie sind in Brüssel an jeder Ecke zu finden. Selbst in den kleinen Vororten werden Sie ein Fritkot (eine Frittenbude) und die Filiale eines Chocolatiers finden. Aber selbstverständlich ist es auch möglich, sich in Brüssel ausgewogen zu ernähren. Man könnte sagen, dass sich die belgische Küche an das hiesige Klima anlehnt. Leichte Sommersalate sind seltener als wärmende Suppen und Eintöpfe. „Comfort Food“ wie Stoemp (Kartoffelpüree meist mit einem Gemüse verfeinert, zum Beispiel mit Karotten, Brokkoli oder Lauch) hebt auch an grauen Tagen die Laune. Leichtere Speisen gibt es wiederum bei den vielen modernen Ketten – etwa Exki oder Foodmaker –, die vegetarische und vollwertige Gerichte anbieten. Die Brüsseler versuchen die Fast-Food-Ketten im Zaum zu halten. Lieber stellen sie sich bei der Pommesbude an.
Als Hauptstadt Europas sind in Brüssel alle Küchen vorhanden. Es gibt natürlich – wie in jeder Großstadt – zahlreiche italienische, griechische, englische, polnische und spanische Restaurants. Am besten beraten ist man, einen Expat aus dem jeweiligen Land zu fragen, wo sein Lieblingslokal ist. Dann wird man die authentischsten Restaurants entdecken. Selbstverständlich findet man in dieser Millionenstadt nicht nur die europäische Küche vor – im Gegenteil: Brüssel ist ein Schmelztiegel, der kulinarische Weltenbummler glücklich stimmen wird. Wer es exotisch mag, sollte unbedingt einen Spaziergang durch das Viertel Matongé (im Stadtteil Ixelles) unternehmen. Hier wohnen zahlreiche Afrikaner, viele von ihnen kamen nach der Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo in den 1960er-Jahren nach Brüssel. Der Name Matongé leitet sich dabei von einem gleichnamigen Stadtteil in der Hauptstadt Kinshasa ab. In den kleinen Geschäften entlang der Chaussée de Wavre kann man die exotischsten Obst- und Gemüsesorten entdecken. Die Lebensmittelgeschäfte...