Bevor ich dir in den folgenden Kapiteln verschiedene CAD-Programme vorstelle, soll es in diesem Kapitel um die Grundlagen der gehen. Wir werden uns erst einmal damit beschäftigen, was CAD überhaupt ist. Darüber hinaus wirst du auch Antworten auf folgende Fragen erhalten: Warum gibt es zum einen kostenlose CAD-Systeme und zum anderen solche, die bis zu sechsstellige Beträge pro Arbeitsplatz kosten? Wie entstehen 3D-Modelle? Gibt es fertige Modelle zum Download? Welche Datenformate brauche ich, wenn ich Teile fertigen lassen will? Und wenn ich fertigen lassen möchte: An wen muss ich mich wenden?
3D-Modellierung ist gar nicht so komplex, wie sie zunächst aussieht. Allerdings muss man wissen, was man tut – und das in zweifacher Hinsicht. Zum einen muss man wissen, wie das verwendete CAD-System funktioniert, zum anderen muss man eine Vorstellung davon haben, was man modellieren will – und vor allem, wie man zum gewünschten Ergebnis kommt. Dieser Lösungsweg wiederum hängt von der Art des CAD-Systems ab. Über die verschiedenen Vorgehensweisen beim Modellieren an sich werden wir dann in Kapitel 3 sprechen.
Grundsätzlich existieren zwei unterschiedliche Arten von 3D-Software: die CAD-Software (Computer-Aided Design, zu Deutsch rechnerunterstütztes Konstruieren) und die 3D-Modelliersoftware. Der Unterschied bezieht sich sowohl auf die Entstehung als auch auf die Nutzung der Modelle.
Bei CAD-Anwendungen geht es vor allem um das Definieren technischer Formen, genauer Abmessungen und von Zusammenhängen zwischen Objekten und Bauteilen (Bild 2.1). Oft wird eine sogenannte Baugruppenstruktur aufgebaut. Mehrere Bauteile ergeben dabei eine Baugruppe. Dies kann beispielsweise die Baugruppe eines Kolbens mit Pleuel und Kolbenringen sein, die wiederum zur Überbaugruppe „Kurbeltrieb“ gehört. Die Hierarchie einer solchen Baugruppe geht weiter bis zum Motor, zum Antrieb und schließlich zum gesamten Auto. Im 3D-Modell werden technische Zusammenhänge (z. B. „Pleuel dreht sich auf Kurbelwelle“) oder auch geometrische Abhängigkeiten definiert, die technische Ursachen haben (z. B. „Maß A soll immer doppelt so groß sein wie Maß B“). Das Modell besitzt Metadaten wie Material, Gewicht oder Größe.
Bild 2.1 CAD-Modelle enthalten technische Formen mit exakten Maßen und Zusammenhängen
(© Siemens PLM Software; Zumex „Soul“ designed in Solid Edge).
3D-Modelliersysteme hingegen werden üblicherweise genutzt, wenn komplexe, beispielsweise organische Formen entstehen sollen. Beispiele sind Tiere oder Roboter für computergenerierte Filmszenen (Bild 2.2) oder auch eine Fantasy-Rüstung, die in einem Theaterstück getragen werden soll. Hier steht die Formgebung im Vordergrund. Oft existiert zwar ein Gerüst, das die Bewegungsmöglichkeiten der Arme oder Beine definiert, aber keine weitergehende „Intelligenz“ beziehungsweise Hierarchie im Modell.
Natürlich ist dies keine feste Unterteilung. Es gibt auch CAD-Systeme, die komplexe Formen (beispielsweise eine Autokarosserie) definieren können. Ebenso lassen sich in Modelliersystemen technische Bauteile erzeugen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass 3D-Modelliersysteme die größeren gestalterischen Freiheiten bieten. Teils kann man das Objekt am Bildschirm wie einen Tonklumpen kneten und drücken. Beim CAD-Modell sind komplexe Formen schwieriger zu erzeugen, aber es werden viele Zusatzdaten definiert, die in weiteren Schritten des Produktentstehungsprozesses noch genutzt werden können.
Bild 2.2 Bei 3D-Modelliersystemen stehen organische Formen im Vordergrund, wie hier beim 3D-Computeranimationsfilm „Drachenzähmen leicht gemacht“ (© Autodesk).
Im Prinzip können wir also beide Arten von Programmen nutzen. Da es in diesem Buch jedoch eher um technische Bauteile gehen soll, werden überwiegend CAD-Systeme zum Einsatz kommen.
2.2 | Vom Zeichenbrett zum digitalen Modell: Die Erfolgsgeschichte von 3D-CAD |
Als ich Anfang der 90er-Jahre Maschinenbau studierte, gab es noch das geflügelte Wort „Die Zeichnung ist die Sprache des Ingenieurs“. Bis zu dieser Zeit saßen Konstrukteure noch am Zeichenbrett und legten mit Tusche auf Transparentpapier ihre Ideen in technischen Zeichnungen nieder. Oft waren für ein Produkt ganze Ordner von Zeichnungen notwendig. Für ein Auto oder gar ein Flugzeug oder ein Kraftwerk sprechen wir von ganzen Schrankwänden.
Technische Zeichnungen sind eine hochkomplexe Repräsentation der tatsächlichen Geometrie, die meist nur von geschulten Personen verstanden werden kann (Bild 2.3). Der Betrachter muss sich das dreidimensionale Gebilde auf Basis der verschiedenen Ansichten und Schnitte in der Zeichnung im Kopf „zusammenbasteln“, was umso schwieriger ist, je komplexer die Geometrie des Bauteils ist. Ein 3D-Modell dagegen ist genau das – ein dreidimensionales Modell eines dreidimensionalen Bauteils. Der Betrachter sieht also direkt, was er sehen soll.
Bild 2.3 Technische Zeichnungen waren lange Zeit der Standard, um Konstruktionen festzuhalten
(© Ralf Steck).
Die technischen Zeichnungen wurden nach der Fertigstellung der Konstruktion in die Fertigung gegeben und mussten dort erst einmal interpretiert werden. Oft zeigten sich dann Probleme, die man in die Konstruktion zurückmeldete. Dort kratzte der Konstrukteur mit einer Rasierklinge die falschen Striche vom Transparentpapier und änderte die Zeichnung, woraufhin der Kreislauf von Neuem begann.
Der große Vorteil eines 3D-Modells ist, dass es maschinenlesbar ist und beispielsweise direkt für die Programmierung der Werkzeugmaschine genutzt werden kann. Das 3D-Modell läuft durch den gesamten Prozess durch, Daten und Geometrien werden immer wieder weiterverwendet und eine Änderung des Modells in der Konstruktion wird unmittelbar auch in den anderen Bereichen sichtbar. So lässt sich das CNC-Programm (Computerized Numerical Control), das eine CNC-Fräse steuert, in einer CAM-Software (Computer-Aided Manufacturing, zu Deutsch rechnerunterstützte Fertigung) mit einem Klick auf die neue Geometrie anpassen (Bild 2.4).
Bild 2.4 Die CAM-Software (hier: hyperMILL von Open Mind) erzeugt aus einem 3D-CAD-Modell Programme für Fertigungsmaschinen (© Open Mind).
3D-Modelle werden erst seit einigen Jahren flächendeckend eingesetzt, was sehr viel mit der Rechenleistung der Computer zu tun hat. Bis Mitte der 90er-Jahre waren DOS- beziehungsweise Windows-PCs einfach nicht leistungsfähig genug, um 3D-Modelle flüssig darstellen zu können. Bis mit SolidWorks 1996 das erste echte, für Windows entwickelte 3D-CAD-System herauskam, liefen 3D-Systeme fast ausschließlich auf sehr teuren und exotischen UNIX-Workstations. Das hatte zur Folge, dass ein CAD-Arbeitsplatz mit Hard- und Software mehrere Hunderttausend Euro beziehungsweise Mark kostete.
Heute kostet ein gut ausgestatteter CAD-Rechner mit Profi-Grafikkarte um die 3000 Euro. Die Lizenz eines Profi-CAD-Programms wie SolidWorks oder Autodesk Inventor bekommt man ab etwa 5000 bis 6000 Euro. Der komplette Arbeitsplatz wird etwa 10 000 Euro kosten. Damit war es Unternehmen möglich, viel mehr Arbeitsplätze zu kaufen, woraufhin sich 3D-Modellierung in der produzierenden Industrie schnell verbreitete.
Heute laufen alle Profi-CAD-Systeme unter Windows (Bild 2.5) und bis auf spezielle Grafikkarten und einige Peripheriegeräte wird Standard-Hardware eingesetzt – allerdings eher aus dem oberen Leistungsspektrum. Trotzdem lassen sich Systeme wie Inventor, Solid Edge oder SolidWorks auch auf potenteren Laptops benutzen, vor allem, wenn diese eine zusätzliche Grafikkarte besitzen.
Preiswertere CAD-Systeme besitzen im Bereich der Modellierung inzwischen praktisch keine Nachteile mehr gegenüber teureren High-End-Systemen. Die Unterschiede liegen eher in der Einbindung der Modellierung in weitere Prozesse, die aber für den Maker weniger interessant sind.
Bild 2.5 Inzwischen laufen alle Profi-CAD-Systeme unter Windows (© SolidWorks).
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