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Chemie der Kastanie: Schulrelevante Experimente mit Rosskastanien

AutorPhilipp Weber
VerlagExamicus Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl171 Seiten
ISBN9783656997641
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Didaktik - Chemie, Note: 1, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Begriff 'Rosskastanie' weckt unterschiedliche Assoziationen beim Menschen. Kinder denken vermutlich an die rotbraunen Früchte, die Möglichkeit, mit ihnen zu basteln und an die stacheligen Hüllen der 'Kastanie'. Erwachsene verbinden mit diesem Begriff vielleicht eher eine Pflanze, die sie durch ihre Früchte an den Herbst erinnert, oder einen großen einheimischen Baum, der im Sommer auffällige, weiße Blüten besitzt und als Schattenspender in Alleen und Parks verbreitet ist. Biologisch Interessierte wissen möglicherweise, dass dieser Baum nicht immer bei uns heimisch war, verwandtschaftlich nichts mit der Esskastanie zu tun hat und dass er Inhaltsstoffe besitzt, die in der Medizin Anwendung finden. Kaum jemand käme aber auf die Idee, die Rosskastanie und ihre Früchte direkt mit der Chemie oder gar mit Chemieunterricht in Verbindung zu bringen. Bei genauerer Betrachtung des Themenkomplexes 'Rosskastanie' ergeben sich jedoch verschiedenste Ansatzmöglichkeiten für die Einbeziehung dieser Thematik in den Chemie- bzw. NWA-Unterricht an Realschulen. Weshalb schäumt eine Straße mit überfahrenen Kastaniensamen bei Regen?* Warum sind diese Früchte für den Menschen ungenießbar und konnten dennoch in Krisenzeiten zum Backen verwendet werden? Welche Stoffe enthält Rosskastanienextrakt, dass es in Sonnenschutzmitteln zum Einsatz kommen kann und als Grundlage für die Entwicklung von Weißmachern diente? Im folgenden soll die Klärung dieser Fragen als Ausgangspunkt für die Entwicklung von schulrelevanten Experimenten mit Rosskastanien dienen. Dazu soll zunächst die Verbreitung der Rosskastanie in Mitteleuropa sowie ihre Inhaltsstoffe betrachtet werden. Ferner wird der Frage nachgegangen, welche historischen Verwendungen die Kastanie hatte und wozu sie heute genutzt wird.

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Leseprobe

4.1 Historische Aufzeichnungen und Überlieferungen


Die wohl am längsten in Europa bekannte Nutzungsmöglichkeit der Rosskastanie lässt sich bereits aus ihrem Namen ableiten. Von den Türken wurden ihre Früchte als Medizin gegen Husten und Dämpfigkeit bei Pferden angewendet. 1 Wahrscheinlich die umfangreichste Sammlung an Verwendungsmöglichkeiten zur Rosskastanie ist in der „Oeconomischen Encyclopädie“ (1773 - 1858), begründet von Johann Georg Krünitz (1728-1796), zu finden. Er hatte den Anspruch, das gesamte Wissen seiner Zeit zu dokumentieren und alleine seine Sammlung zur Gemeinen Rosskastanie füllt heute gut 26 DIN A4 Seiten. 2 Krünitz beschrieb in seinem Werk alle möglichen Anwendungsgebiete dieses Baumes, die im 18. Jahrhundert bekannt waren. Die Rinde der Rosskastanie konnte, mit Wasser oder verschiedenen Lösungen ausgezogen, zum Färben von Stoff, Holz oder zum Herstellen von Tinte verwendet werden. Farblich konnten die Auszüge, je nach verwendeter Rezeptur, von gelb über blau bis schwarz-grau variieren.

In der Medizin könne man, so Krünitz in Berufung auf Apotheker, Extrakte der Kastanienrinde bei der Bekämpfung von Fieber einsetzen. Dazu werden in der „Encyclopädie“ verschiedene Rezepturen beschrieben.

In den blühenden Kastanienbäumen sieht Krünitz einen großen Vorteil für die Bienenzucht, da sie recht früh blühen, muss der Mensch die Bienen im Frühjahr nicht so lange durchfüttern.

Das Holz wird in der „Oeconomischen Encyclopädie“ als weiß bis hellbraun, zart, leicht und brüchig beschrieben. Genutzt werden konnte es zur Herstellung von Tischblättern, Packkästen und Holzschuhen. Außerdem eignete es sich zum Schnitzen und in der Bildhauerei, jedoch sei es sehr anfällig für Fäulnis.

Zu Brennholz verarbeitet, wird es als sehr stark rauchend beschrieben. Auch zur Kohleherstellung sei es ungeeignet, so Krünitz.

Die Blätter wurde hauptsächlich als Futter für Nutztiere sowie für Hirsche und anderes Rotwild verwendet. Zudem dienten sie als günstiges Einstreu in Ställen und als guter Dünger.

Außerdem könne man nach der Beschreibung Krünitz’s sehr junge Blätter als Hopfenersatz beim Bierbrauen einsetzen.

Aus den harzigen Winterknospen sei es nach der „Oeconomischen Encyclopädie“ möglich, ein Wachs zu gewinnen, indem man diese in siedendes Wasser gibt. Die Rosskastanienfrüchte werden zunächst als ungeeignet für den menschlichen Verzehr beschrieben. Zur Mast von Vieh seien sie wegen ihrer Nährstoffe jedoch gut zu gebrauchen, so Krünitz. Rehe und Hirsche sind nach seiner Aussage im Winter sogar dringend auf diese Früchte angewiesen. Der bittere Geschmack wäre aber auch für die Nutztiere nicht sehr angenehm und sie fräßen die Samen nicht immer sehr gerne. Zur Abhilfe wird beschrieben, dass man sie in Wasser oder Kalkwasser einige Zeit einweichen lassen solle, so dass sie ihre Bitterkeit verlören und vom Vieh lieber gefressen würden. „Tiermedizinisch“ betrachtet, sollen die Samen verschiedene Tiere vor Seuchen schützen und Pferden beim „Keichen“ (Atembeschwerden) Abhilfe schaffen. Das bitterstoffhaltige Wasser von eingelegten Kastaniensamen wird auf dem Feld als Mittel gegen Erdflöhe empfohlen.

Die Versuche, Brennöl aus den Rosskastaniensamen zu gewinnen, werden als nicht sehr erfolgreich beschrieben. Das Öl soll sehr stinken, nach bestimmten Behandlungsmethoden jedoch genießbar und zur Zubereitung von Salat einsetzbar sein. Zudem wird ausgesagt, dass dieses Öl den Vorteil hat, nicht sehr kälteempfindlich zu sein und sich deshalb auch im Winter nicht zu verändern.

Die medizinischen Anwendungsmöglichkeiten beim Menschen werden wiederum sehr umfangreich beschrieben.

Zerriebene Samen, mit Branntwein vermischt, sollen gegen Kolikschmerzen helfen und bei „Frauenspersonen in hysterischen Zufällen“.

Der Sud aus gekochten Rosskastaniensamen wird als wurmtreibendes Mittel beschrieben, das jedoch aufgrund seines unangenehmen Geschmacks nicht gerne genommen wird.

Des Weiteren soll das Samenpulver den Schleim in der Nase abführen, die Hemieranie (?) stillen und bei Einschnupfen gegen „schweres Gehör“ wirken.

Um Rosskastanienmehl in Zeiten des Getreidemangels als nahrhafte Alternative ein- zu können, werden verschiedene Verfahren vorgestellt, wie die Bitterkeit entfernt werden könne. Rösten, wird als Möglichkeit genannt, den schlechten Geschmack zu mildern oder auch das Einweichen von Kastanienmehl in Wasser über mehrere Wochen mit regelmäßigem Wasserwechsel. Vorheriges Aufkochen soll die Einweichzeit noch verringern Ein essbares Mehl mit leichtem Bittergeschmack wird als Resultat vorgestellt. „Die Kastanien lassen sich auch in gute Stärke verwandeln,...“ so schreibt Krünitz in einem weiteren Abschnitt. Die Gewinnung erfolgt nach dem gleichen Verfahren, wie es auch bei vielen anderen stärkehaltigen Früchten durchgeführt wird. Die Rosskastaniensamen werden geschält, zerkleinert und eingeweicht. Nach dem Absetzen wird das Wasser abgeschüttet und der Brei durch einen groben Sack gedrückt. Das erhaltene weiße Stärkepulver wird getrocknet.

Laut der „Oeconomischen Encyclopädie“ kann aus dem Samenmehl auch Kleister gewonnen werden, der den Handwerkern hilft, das teure Speisemehl bei der Herstellung einzusparen. Dieser Kleister soll abweisend gegen Motten, Schaben und Bücherwürmer wirken und somit Bücher und Karten vor Fraß schützen.

Aufgrund des Stärkegehalts der Samen wird auch die Möglichkeit der Branntweinherstellung aufgeführt. Der erhaltene Alkohol soll jedoch einen bitteren Geschmack aufweisen.

Als Ersatz oder zur Streckung von Seife werden die Rosskastaniensamen auf mehreren Seiten beschrieben. Hierzu sind die Früchte zu schälen und hinterher zu zerstampfen. Das Mehl kann direkt als Waschpaste für die Hände oder in Wasser als schäumendes Seifenwasser verwendet werden. Wird Leinen mit „Kastanienwasser“ gereinigt, so hinterlässt es eine weiß-bläuliche Färbung. Aufgrund dieses Umstands kann es auch zum Bleichen des Stoffes verwendet werden.

Der Autor rät davon ab, Kugeln oder Würfel aus Kastanienmehl zu machen, da diese beim Trocknen zu harten Brocken würden.

Den größten Vorteil der Rosskastanien beim Waschen sah Krünitz damals in der Günstigkeit und leichten Verfügbarkeit der Samen und darin, dass selbst Kinder bei der Herstellung dieser Art der Seifen helfen könnten.

Die Schalen der Früchte können nach Aussage der „Ecyclopädie“ als guter Dünger in die Erde eingebracht werden.

Auch für die stachelige Schutzhülle der Früchte wurde eine Verwendung gefunden und von Krünitz beschrieben: Wasser, in denen diese gekocht wurden, wäre ein gutes Mittel gegen Wanzen in den Ritzen der Betten und Wände.

Zu guter Letzt wird der Artikel über die Rosskastanie mit folgendem Abschnitt beendet: „Wenn endlich die wilden Kastanien auch zu allem diesen nicht zu gebrauchen wären, würden sie doch von einiger Nutzbarkeit seyn, indem man die Oefen damit heitzen kann, wie man in Frankreich Proben damit gemacht hat. Die Asche davon ist zu einer guten Lauge dienlich.“

Das Brockhaus’ Konversations-Lexikon von 1895 schreibt zu den Nutzungsmöglichkeiten der Kastanie folgendes: „... besonders in Tiergärten, da die stärkereichen Samen eine gute Äsung für Rot-, Dammwild und Wildschweine abgeben. ...“ „... Die an Stärkemehl reichen Samen würden eine der Kartoffel ähnliche Speise geben, wenn sie nicht einen auf billige Weise nicht zu entfernenden Bitterstoff enthielten. ...“ Ursula Bühring beschreibt in ihren Freiburger Heilpflanzenblättern 1 über Benutzung der Rosskastanie in früherer Zeit, dass der Brauch bestand, Kastaniensamen in der Tasche zu tragen, um sich vor Rheuma zu schützen.

Des weiteren schreibt sie, dass aus den Früchten ein „öliges Mehl mit guter Reinigungskraft gewonnen“ werden konnte. Dieses wurde als Wasch- und Pflegemittel für Hände und Wäsche eingesetzt.

Gegen rheumatische Schmerzen und bei Nervenschmerzen wurde aus einem Sud der Samen ein Kastanienbad gemacht.

Die Webseite der „Wildhüter St. Hubertus e.V.“ 2 führt ebenfalls die Nutzung als Waschmittel an: „... aber auch eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung. Noch in der Nachkriegszeit haben Kinder Kastanien gesammelt und für die Waschmittelproduktion in Fabriken abgeliefert.“

Das gleiche Phänomen beschreibt Annette Kaminsky in „Illustrierte Konsumgeschichte der DDR“ auf Seite 14: „Zum Waschen wurden Kastanien verwendet.“

Die Internet-Publikation des Palmengartens Frankfurt 1 erwähnt die Möglichkeit der Her- von insektenabwehrendem Leim und Kleister ebenso, wie den Einsatz bei der Alkoholgewinnung.

Außerdem heißt es: „Gerade nach den Weltkriegen waren Öl und Mehl [aus Kastanienfrüchten] als Nahrungsmittel von großer Bedeutung. Auch als Kaffeeersatz mussten Kastanien herhalten.“

Auch die Nutzung der Reinigungswirkung findet hier Erwähnung: „Außerdem kann man dank ihnen [Saponine] aus Samenbrei gemischt mit kieselsaurer Tonerde, eine Seife, so...

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