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Einführung
1.1 Ihre beruflichen Tätigkeitsbereiche
Im Vorwort dieses Lehrbuches wird die hohe fachliche Qualifikation hervorgehoben, durch die die Ausbildung von technischen Assistenten in der Medizin und in der Biologie geprägt ist. Mit dieser Ausbildung werden die Grundlagen für die anspruchsvolle Tätigkeit an sehr unterschiedlichen Arbeitsplätzen und in vielfältigen Aufgabenbereichen geschaffen.
Der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit von medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten (MTLA) liegt auf dem Gebiet der Laboratoriumsmedizin in den Laboratorien von Universitätskliniken und Krankenhäusern, ebenso wie in zahlreichen niedergelassenen Laborgemeinschaften. Hinzu kommen Tätigkeiten an Universitätsinstituten und in Untersuchungsämtern sowie an allen Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik, deren Forschungsarbeiten im Bereich der Medizin und der Lebenswissenschaften (Life Sciences) liegen.
Darüber hinaus arbeiten MTLA in der pharmazeutischen Industrie im Rahmen der Arzneimittel-Forschung, in der kosmetischen Industrie und in der Lebensmittelindustrie.
In einigen dieser Arbeitsbereiche sind auch biologisch-technische Assistenten (BTA) tätig, die zudem in der chemischen Industrie sowie in vielen Biotechnologie (BioTec)-Firmen arbeiten.
Die Auswertung von Stellenangeboten zeigt, dass MTLA und BTA bei einer Reihe von beruflichen Tätigkeiten sowohl vonseiten industrieller Arbeitgeber als auch von staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen und Laboratorien gleichermaßen angesprochen und als qualifiziert für eine verantwortungsvolle Tätigkeit angesehen werden. Dies trifft vor allem für die Gebiete Molekularbiologie, Zellbiologie und Mikrobiologie zu.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, in welchen Bereichen Ihrer Ausbildung und beruflichen Tätigkeit Sie Chemie-Kenntnisse anwenden. An zahlreichen Beispielen lässt sich zeigen, dass von Ihnen weitreichende Chemie-Kenntnisse erwartet werden – vielfach auch auf Arbeitsgebieten, die zunächst nicht „nach Chemie aussehen“.
Für medizinisch-technische Assistenten liegen die umfassendsten Anwendungen ihrer Chemie-Kenntnisse auf den Gebieten der Klinischen Chemie und der Molekularbiologie.
Im klinisch-chemischen Labor untersuchen sie Körperflüssigkeiten, insbesondere Blut und Harn, und bestimmen den Gehalt an denjenigen Bestandteilen, die im Rahmen der vorgegebenen Aufgabenstellung von Bedeutung sind. In der Regel sind dies chemische Verbindungen (Metabolite), die bei den Stoffwechsel-Reaktionen im menschlichen Körper gebildet werden, wie Glucose (Blutzucker), Cholesterin und Harnsäure, oder sie bestimmen die Aktivität von Enzymen, die wichtige Stoffwechsel-Reaktionen katalysieren.
Vielfach bestimmen sie auch den Gehalt von körpereigenen Hormonen oder von solchen Metaboliten, die im Körper aus eingenommenen Arzneimittel-Wirkstoffen gebildet worden sind (zur Kontrolle des Verlaufs einer Arzneimittel-Behandlung) oder sie prüfen in einem Speziallabor, ob Dopingmittel oder Drogen verwendet worden sind.
In einem an das klinisch-chemische Labor gerichteten Vordruck gibt der behandelnde Arzt an, welche Bestandteile im Blut des Patienten quantitativ bestimmt werden sollen. Abbildung 1.1 beinhaltet eine Zusammenstellung von
- Elektrolyten (Kationen und Anionen; in diesem Zusammenhang sind unter den Namen der Metalle ihre Ionen zu verstehen, z. B. bedeutet „Natrium“ Natrium-Ionen) und
- Stoffwechsel-Produkten (organischen Verbindungen) sowie von
- Enzymen, deren Aktivität gemessen werden soll.
Die erhaltenen Werte werden dann mit den Normwertbereichen verglichen. Die ermittelten Enzym-Aktivitäten sind für die Diagnose von Erkrankungen bestimmter Organe von Bedeutung.
Für biologisch-technische Assistenten sind der chemische Aufbau von Verbindungen und Strukturen in allen lebenden Organismen, der Stoffwechsel und die Bestimmung von Enzym-Aktivitäten in biologischem Untersuchungsmaterial jeglicher Art von Interesse. Des Weiteren sind sie auf den Gebieten der Molekularbiologie, der Biotechnologie und der Zellkultur-Technik tätig.
Abb. 1.1 In einem allgemeinen Untersuchungsantrag (hier als Ausschnitt wiedergegeben) wird von dem behandelnden Arzt angegeben, welche Bestandteile im Blut des Patienten im klinisch-chemischen Labor quantitativ bestimmt werden sollen. Die erhaltenen Werte werden dann mit den Normwertbereichen verglichen.
Für das qualifizierte Arbeiten mit pflanzlichen, tierischen und menschlichen Zellen, wie auch mit Mikroorganismen (Bakterien und Pilzen) und mit Viren, ist es erforderlich, bei ihrer Kultivierung hinsichtlich der Zusammensetzung der Nährmedien und der Wachstums-Parameter optimale Bedingungen einzuhalten.
Hinzu kommt, dass auch die Durchführung jedes biotechnologischen und gentechnologischen Verfahrens in der Vorbereitung, dem Ablauf und der Aufarbeitung fundierte Chemie-Kenntnisse erfordert. Hier gibt es viele Beispiele von Verfahren, deren Ziel darin besteht, einen durch ein gentechnisches Verfahren hergestellten Wirkstoff aus der erhaltenen Kulturbrühe zu isolieren und in höchster Reinheit zu gewinnen, was für die vorgesehene therapeutische Verwendung unerlässlich ist.
1.2 Ihre berufsbezogene Chemie-Ausbildung
Ihre Ausbildung umfasst viele Fächer, in denen entweder Chemie-Kenntnisse vorausgesetzt werden oder in denen diese in dem fachlichen Zusammenhang direkt vermittelt werden:
Ausbildungsfächer für MTLA und BTA
- Molekularbiologie
- Mikrobiologie
- Histologie und Zytologie
- Immunologie
- Gentechnologie
- Toxikologie
- Genetik und Molekulargenetik.
Spezifische Ausbildungsfächer für
Pharmakologie | Biotechnologie |
Die während Ihrer Ausbildung erworbenen Chemie-Kenntnisse werden sich in mehrfacher Hinsicht als nutzbringend erweisen: zum einen im beruflichen Bereich, zum anderen auch im „täglichen Leben“ im Hinblick auf Gesundheit, Ernährung und Körperpflege.
Chemie-Kenntnisse tragen zum Verständnis der Zusammensetzung und der Wirkungsweise von Arzneimitteln bei und ermöglichen eine Beurteilung zahlreicher Ernährungsratschläge und Diät-Empfehlungen, in denen uns ständig Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Omega-3-Fettsäuren, freie Radikale und Polyphenole begegnen.
Nachstehend sind einige Beispiele zusammengestellt, die zeigen sollen, in welchen Ausbildungsfächern einschlägige Chemie-Kenntnisse erforderlich sind:
Klinische Chemie
- Herstellung von Reagenzlösungen und von Puffer-Lösungen
- Eigenschaften und Anwendung von Enzymen (Biokatalysatoren)
- Bestimmungen des Gehalts an anorganischen Stoffen (Elektrolyten) und an Stoffwechsel-Produkten sowie der Aktivität von Enzymen
Physiologie
- Wasser-Haushalt des Organismus/osmotischer Druck
- Elektrolyt-Haushalt (Salze, Mineral-Stoffwechsel)
- Säure-Basen-Haushalt (pH-Wert des Blutes)
- Zusammensetzung der anorganischen Knochensubstanz
- Hormone
- Bestandteile der Nahrung/Proteine, Kohlenhydrate, Fette, Vitamine
- Stoffwechsel-Wege
- Zwischenprodukte und Endprodukte des Stoffwechsels
Hämatologie
- Aufbau und Funktion des roten Blutfarbstoffs
- Blutgerinnungsfaktoren
Immunologie
- Glycoproteine
- Struktur von Antikörpern
Mikrobiologie
- Antibiotika (chemische Struktur, Wirkungsweise und Verwendung)
Histologie
- Farbstoffe zum Anfärben von Zellen und Gewebeschnitten
- Herstellung von Fixierungslösungen aus anorganischen und organischen Chemikalien
Molekularbiologie
- DNA und RNA
- Enzyme, welche die Synthese und den Abbau von Nucleinsäuren sowie chemische Reaktionen mit Nucleinsäuren katalysieren
- Polymerase-Kettenreaktion
Zellbiologie
- Nährlösungen für Zellkulturen und Gewebekulturen
Hygiene
Pharmakologie/Toxikologie
- Wirksamkeit neuer chemischer Verbindungen
- Schwermetalle mit toxischer Wirkung.
1.3 Wie ist dieses Lehrbuch aufgebaut?
Dieses Buch umfasst Lehrinhalte aus den Gebieten:
I.
Allgemeine Chemie
Anorganische Chemie
Organische Chemie
II.
Biochemie
Biotechnologie
Arzneimittel.
Für die Fachschülerinnen und Fachschüler besteht der Nutzen dieses in einem Band vorliegenden Lehrbuches darin, dass sie zum Verständnis der in Teil II beschriebenen chemischen Strukturen und Stoff-wechsel-Reaktionen unmittelbar auf ihrem in Teil I...