2 IT-Recht
Bevor man zu den speziellen Anforderungen des IT-Rechts vorstößt, müssen zunächst die Grundlagen des allgemeinen Zivilrechts näher beleuchtet werden.
2.1 Zivilrechtliche Grundlagen
Die juristischen Grundlagen des Cloud Computings finden sich im Zivilrecht. Auch wenn es hier um eine moderne Anwendungsform geht, so kann sie aus rechtlicher Sicht durchaus zufriedenstellend mit den Mitteln geregelt werden, die uns der Gesetzgeber schon vor langer Zeit an die Hand gegeben hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), in dem die zivilrechtlichen Normen verankert sind, trat am 01.01.1900, also vor über hundert Jahren, in Kraft und wurde 2013 zuletzt der modernen Lebenswirklichkeit angepasst.
Zentraler Ausgangspunkt für zivilrechtliche bzw. vertragsrechtliche Regelung ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit, auch als „Privatautonomie“ bezeichnet. Dieser Grundsatz ist Teil der grundgesetzlich verankerten allgemeinen Handlungsfreiheit. Das bedeutet, dass hierzulande jeder grundsätzlich frei entscheiden darf, ob, wann, mit wem und zu welchen Bedingungen er einen Vertrag abschließen möchte oder eben auch nicht.
Vertragsschluss
Die Grundlagen des Vertragsschlusses sind im Zivilrecht festgelegt. Diese sind prinzipiell für Offline- bzw. Onlinevertragsschlüsse gleich. Allerdings sind bei Vereinbarungen via Internet bzw. E-Mail natürlich ein paar Besonderheiten zu berücksichtigen, die nun einmal in der Natur der Sache liegen. Auch juristischen Laien dürfte klar sein, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob ich meinem Vertragspartner beim Abschluss eines Vertrags persönlich gegenüberstehe und ihm sozusagen bei der Unterschrift in die Augen schauen kann, oder ob er sich am anderen Ende der Welt befindet und der Vertrag daher via E-Mail geschlossen wird. Zudem ist die schriftliche Fixierung eines Rechtsgeschäfts mit Blick auf eine später eventuell einmal notwendige Beweislage nach wie vor immer noch besser als das Vorliegen irgendwelcher elektronischen Dokumente. Denn diese sind wegen ihrer bekanntermaßen einfachen und guten Fälschbarkeit vor deutschen Gerichten noch immer nicht als Beweis im prozessualen Sinne anerkannt; sie dienen höchstens als Indiz. Kann man aber z. B. einen von beiden Parteien unterzeichneten Kaufvertrag vorlegen, so stellt dies einen so genannten Urkundsbeweis dar, der nur schwer zu widerlegen ist.
Grundsätzlich ist der Abschluss von Verträgen formlos möglich, so kann beispielsweise auch ein Händeschütteln oder ein Nicken zu einem gültigen Vertragsschluss führen. Das Gleiche gilt für entsprechende Äußerungen am Telefon oder in E-Mails. Der Klick auf den „Jetzt kaufen“-Button in einem Webshop wird ebenfalls als bindende Erklärung zum Abschluss eines Kaufvertrags gewertet. Vom Grundsatz der Formfreiheit gibt es aber selbstverständlich auch Ausnahmen. Das weiß jeder, der z. B. schon einmal ein Haus ge- oder verkauft oder eine GmbH gegründet hat. Denn in manchen Fällen, wie etwa der Veräußerung von Immobilien, bestimmt das Gesetz zwingend die Einhaltung der Schriftform bzw. der notariellen Beglaubigung. Das sind in aller Regel Rechtsgeschäfte mit großer Bedeutung, z. B. aufgrund der Höhe des Kaufpreises etc.
Jeder Vertrag, egal ob Kaufvertrag, Mietvertrag oder Werkvertrag, kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande, nämlich Angebot und Annahme. Zugleich müssen aber auch die wesentlichen Merkmale des jeweiligen Vertrags den Vertragsparteien bekannt sein. Außerdem darf keine Uneinigkeit bzw. kein Irrtum vorliegen. Es darf also nicht so sein, dass der eine „2 Euro“ sagt und der andere „3 Euro“ versteht. Am Beispiel eines Kaufvertrags lässt sich der Vorgang des Vertragsschlusses ganz gut skizzieren:
- Angebot: Verkäufer wendet sich an den (potenziellen) Käufer und teilt ihm seine Preisvorstellung mit
- Annahme: Käufer entscheidet, ob er das Angebot annimmt oder nicht
- Konsens: Käufer und Verkäufer sind sich bezüglich der entscheidenden Hauptbestandteile des Vertrags (Kaufsache, Preis) einig, und es gibt keine Missverständnisse
Die Hauptbestandteile, also Angebot, Annahme und Konsens, sind auch bei allen anderen Vertragsformen essenzielle Voraussetzungen. Darüber hinaus gibt es noch verschiedene Neben- bzw. Sorgfaltspflichten, wie etwa bestimmte Hinweis- oder Schadensminderungspflichten etc.
Vertragstypen
Im juristischen Alltag existieren viele ganz unterschiedliche Fallkonstellationen mit diversen Problemstellungen. Um dem entsprechend begegnen zu können, wurden verschiedene Vertragstypen geschaffen. Die praktisch bedeutsamsten Verträge sind u. a.
- Kauf
- Dienstleistung
- Werkvertrag
- Miete
- Leihe
- Pacht
Daneben gibt es aber auch „moderne“ Vertragstypen, wie etwa den Webdesign-Vertrag oder eben auch den Cloud-Vertrag. Letzterer wird derzeit leider noch nicht einheitlich bewertet, da sehr viele unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten bzw. Varianten möglich sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Cloud-Vertrag beispielsweise schon als Vertrag mit Mietcharakter klassifiziert, da oft eine entgeltliche Gewährung der Onlinenutzung für eine bestimmte Dauer vereinbart wird. Andere Juristen sehen in Cloud-Verträgen eher die Grundzüge von Dienstverträgen oder bisweilen auch Werk- oder Leihverträgen.
Die in Frage kommenden Vertragstypen lassen sich wie folgt beschreiben:
- Kaufvertrag: Lieferung von Waren gegen Zahlung eines Entgelts, Käufer bezahlt für eine bestimmte Sache Geld, kann sie danach behalten und (fast) nach Belieben über sie verfügen; Beispiel: Erwerb von Brötchen beim Bäcker, Zeitungskauf am Kiosk, Kauf von Standardsoftware
- Dienstvertrag (auch Dienstleistungsvertrag): Erbringung von bestimmten Tätigkeiten gegen Entgelt, es kommt nicht zwingend auf tatsächlichen Erfolg an; Beispiel: Untersuchung beim Arzt, Beratung beim Anwalt, zum Teil auch Cloud-Vertrag
- Werkvertrag (auch Werkleistungsvertrag): Erbringung von bestimmten Tätigkeiten und Erzielung eines konkreten Erfolgs gegen Entgelt, im Unterschied zum Dienstvertrag kommt es hierbei gerade auf den Erfolgseintritt an; Beispiel: nahezu alle Handwerkerleistungen, in einigen Fällen auch Cloud-Vertrag
- Mietvertrag: Bereitstellung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen zu Zwecken der Nutzung gegen Zahlung von Entgelt; Beispiel: Miete einer Wohnung, aber auch von Software, Onlinevideos o. Ä., gemäß BGH auch Cloud-Verträge
- Leihvertrag: Unentgeltliche Bereitstellung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen zu Zwecken der Nutzung, im Unterschied zur Miete erfolgt die Leihe ohne Zahlung eines Entgelts; Beispiel: Leihwagen als Ersatz des eigenen in Reparatur befindlichen Autos, zum Teil auch kostenlose Cloud-Angebote
Diese Auflistung ist natürlich nicht abschließend, denn es gibt noch einige weitere Vertragstypen. Sie alle aufzuführen, würde an dieser Stelle wohl den Rahmen sprengen und ist für das Cloud Computing auch nicht zwingend notwendig.
2.2 Besonderheiten im IT-Recht
Da es zurzeit noch strittig ist, wie genau Cloud-Verträge juristisch einzuordnen sind, gibt es in der Praxis leider zahlreiche Wertungsprobleme. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass in einem Cloud-Vertrag jedenfalls bestimmte Hauptbestandteile enthalten sein müssen. Dabei sind die Besonderheiten im IT-Recht und von Cloud-Dienstleistungen zu berücksichtigen. Daneben ist im Hinblick auf personenbezogene Daten auch immer das Datenschutzrecht zu beachten.
„Cloud-Vertrag“
Ein „typischer“ Cloud-Vertrag sollte zumindest die folgenden charakteristischen Hauptbestandteile aufweisen:
- Vertragsparteien: Normalerweise Cloud-Nutzer und Cloud-Dienstleister
- Cloud-Nutzer: Zahlung des Entgelts
- Cloud-Anbieter: Bereitstellung der Cloud-Dienstleistung
- Dritte: Unter Umständen Unterauftragnehmer auf Seiten des Cloud-Dienstleisters bzw. Dritte auf Seiten des Cloud-Nutzers (z. B. Telekommunikationsanbieter) möglich
- Analogie: Vergleich mit Teilen des IT-Outsourcings oder auch mit Application-Service-Provider-(ASP-)Verträgen
Fazit: In der Praxis besteht oftmals ein sehr kompliziertes Rechtsgebilde. So gibt es beispielsweise so genannte „Single Vendor“-Verträge, also einen Vertrag zwischen einem Cloud-Nutzer und einem Cloud-Dienstleister. Kommt auf Seiten des Cloud-Dienstleisters noch ein Subunternehmer hinzu, spricht man von „Multi Vendor“. Wenn mehrere Cloud-Dienstleister sozusagen gleichberechtigt nebeneinander stehen, weil sie z. B. unterschiedliche Aufgaben haben, besteht ein so genanntes „Vendor Management“-Verhältnis.
Die exakte Gestaltung von Cloud-Verträgen richtet sich nach den jeweils angebotenen Cloud-Leistungen, also u. a. nach der Bereitstellung von
- Speicherplatz
- Software
- Datenbanken
Anwendbares Recht
Eine in der Praxis ziemlich häufig auftauchende Frage ist die nach dem anwendbaren Recht, sprich, welches nationale Rechtssystem bei strittigen Fragen heranzuziehen ist. In der EU gibt es für derartige Fragestellungen die „Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht“ oder kurz:...