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Coaching zu Führungsthemen

Modelle und Anregungen für die Praxis

AutorMaren Fischer-Epe, Martin Reissmann
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783644400696
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Anschaulich, praxisnah und systematisch - was hilft Führungskräften im Coaching? Wie kann ein Coach Führungskräfte sinnvoll bei der erfolgreichen Gestaltung ihrer Rolle unterstützen? Die Autoren widmen sich zentralen Fragen zum Thema Führung, stellen Vorgehensmodelle und Werkzeuge für das Coaching zur Verfügung und illustrieren sie mit Fallskizzen aus ihrer langjährigen Coachingpraxis. Die Ergänzung zum Bestseller «Coaching: Miteinander Ziele erreichen».

Maren Fischer-Epe ist Expertin für Lern- und Veränderungsprozesse. Sie arbeitet mit einem interdisziplinären Team in der Personal- und Organisationsentwicklung und leitet Ausbildungsprogramme zu Führungs- und Dialogkompetenz, Coaching und Persönlichkeitsentwicklung. Ihre Bücher über Coaching und Selbstcoaching sind Standardwerke in der Aus- und Weiterbildung von Beratern, Trainern und Führungskräften.

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Leseprobe

1. Rollen- und Führungsverständnis entwickeln


1.1 Führungsanforderungen klären


Die Anforderungen und Erwartungen zu klären, die mit einer übernommenen Führungsverantwortung verbunden sind, ist zentraler Bestandteil beinahe jedes Coachings zu Führungsthemen.

Je besser Führungskräfte wissen – und kommunizieren können –, wofür sie da sind, wofür sie verantwortlich sind, welche Anforderungen sie erfüllen müssen und welche Einflussmöglichkeiten und Handlungsspielräume sie haben, desto besser gelingt die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten. Insofern sollte die Reflexion über die eigene Rolle grundsätzlich bei jedem Coaching zu Führungsthemen gefördert werden.

Besonders bei der Übernahme neuer Führungsrollen kann ein Coaching individuell und effektiv helfen, sich über die mit der neuen Rolle verbundenen Anforderungen klarzuwerden und ein eigenes Führungsverständnis zu entwickeln. Manche Coachees sind bereits durch interne Führungstrainings und Instrumente der Personalentwicklung gut auf die neuen Anforderungen vorbereitet oder kommen mit klaren Fragestellungen. Wenn der Coachee jedoch diffuse oder idealisierte Vorstellungen seiner Führungsrolle hat, ist der Coach zu Beginn stärker als Sparringspartner und Experte gefragt.

In unserer Coaching-Praxis haben sich dafür unterschiedliche methodische Schritte bewährt, wobei die Reihenfolge variabel sein kann und nicht immer alle Schritte notwendig sind:

  • ein Zielbild entwickeln,

  • Führungsvorbilder und -werte bewusst machen,

  • Führungsaufgaben und Rollenanforderungen verstehen,

  • die Rollen- und Erwartungslandschaft reflektieren,

  • eine Selbsteinschätzung vornehmen.

Im Folgenden stellen wir Ihnen unser Vorgehen vor und illustrieren es an drei Fallskizzen:

 

Frau Neumeier wird Abteilungsleiterin für ein 15-köpfiges Team, in dem sie bisher mit hoher Akzeptanz als Kollegin gearbeitet hat.

 

Frau Rechtling soll nach einer Fusion die fachlich stark verunsicherten Mitarbeiter eines großen HR-Bereichs führen.

 

Herr Scheumann kommt als Externer in ein Traditionsunternehmen und übernimmt mit der Leitung einer Versandabteilung mit 20 älteren «Haudegen» zum ersten Mal eine Führungsrolle.

Zielbild entwickeln

Zur Einstimmung möchten wir erfahren, welche Ideen und Zielvorstellungen der Coachee von seinem neuen Verantwortungsbereich, seinem Team und seiner neuen Rolle mitbringt. Hier geht es noch nicht um ausgearbeitete Visionen, Ziele und Strategien, die wir in Kapitel 2 behandeln, sondern um erste Gedanken und Bilder des Coachees. Wir starten also mit einem kleinen Zukunftsentwurf:

  • Wenn Sie sich vorstellen, es sind zwei Jahre vergangen und die Abteilung hat sich unter Ihrer Leitung prächtig entwickelt: Was haben Sie bis dahin erreicht? Wie steht Ihre Abteilung da? Was haben Sie gemeinsam fachlich erreicht? Wie arbeiten Sie im Team zusammen? Wie verhalten sich die Kollegen untereinander und Ihnen gegenüber? Wie funktioniert Führung und Zusammenarbeit?

Diese kurze Selbstbesinnung soll den Coachee in einen motivierenden Kontakt mit der neuen Führungsrolle bringen. Gleichzeitig erhält der Coach hier bereits erste Hinweise auf das Rollen- und Führungsverständnis des Coachees sowie auf die anstehenden Entwicklungsaufgaben:

 

Frau Neumeier stellt sich vor, dass das zurzeit stark demotivierte Team in zwei Jahren sehr harmonisch zusammenarbeitet, jeder jedem hilft, sie als Führungskraft im Team und im Kollegenkreis akzeptiert ist und sich beim Inhaber niemand mehr beschwert.

 

Im Zielbild von Frau Rechtling können und wollen die HR-Referenten auch komplexe Fälle selbst entscheiden und sind akzeptierte Gesprächspartner von allen Führungskräften. Sie selbst sieht sich als strategische Diskussionspartnerin der Geschäftsleitung, die ihrem Team Orientierung gibt und effiziente Prozesse in der Personalabteilung installiert hat.

 

Herr Scheumann sieht sich in zwei Jahren als akzeptierte Führungskraft, die den alten Logistik-Haudegen auch mal Paroli bieten und ihre Standpunkte auch dem Chef gegenüber selbstbewusst vertreten kann. Der Versand ist dann auf dem neuesten Stand der Technik und damit deutlich effizienter geworden. Die Mitarbeiter haben diese Veränderungen akzeptiert und sich entsprechend qualifiziert.

Führungsvorbilder und -werte bewusst machen

Im nächsten Schritt regen wir den Coachee an, sich über die eigenen Kriterien und Werte für erfolgreiche Führung klarzuwerden und eigene Erfahrungen mit positiv und negativ erlebten Vorgesetzten zu reflektieren. Wir stellen Fragen zur Selbstreflexion und visualisieren die Antworten auf dem Flipchart:

  • Wenn Sie zurückschauen auf die Vorgesetzten und Führungskräfte, die Sie selbst bisher erlebt haben oder an Menschen, bei denen Sie Führung erlebt haben (Eltern, Großeltern, Trainer, Lehrer …): Wo gab es da positive Erfahrungen/gelungene Führung?

  • Wer hat Sie besonders beeindruckt/gefordert/gefördert/begeistert?

  • Unter wessen Führung haben Sie besonders gern und motiviert gearbeitet?

  • Was hat Ihnen daran besonders gefallen/war Ihnen angenehm?

  • Und wo haben Sie Führung erlebt, von der Sie heute sagen würden: «Schlimmer geht’s nimmer»? Was haben Sie dort erlebt? Was haben Sie daraus gelernt?

  • Wenn Sie heute ein Fazit ziehen: Welche persönlichen Werte sollen Ihr Führungshandeln leiten? Wofür wollen Sie stehen?

Beim Abholen dieser sehr persönlichen Bilder und Ideen erhält man weitere Hinweise darauf, welche Rollenaspekte und -anforderungen vom Coachee gesehen werden und welche möglicherweise idealisiert oder auch ausgeblendet werden:

 

Frau Neumeier hat es immer sehr gutgetan, wenn Vorgesetzte ansprechbar waren, gut zuhören konnten und sie sich gefördert fühlte. Sie betont: Führungskräfte müssen sich für ihre Mitarbeiter einsetzen!

 

Frau Rechtling erinnert sich an Vorbilder, die genau wussten, was und wohin sie wollten. Bei Vorgesetzten mit tollen Ideen und großer Durchsetzungsstärke fühlte sie sich motiviert und hatte dann das Gefühl, an «etwas Großem» mitzuarbeiten.

 

Herr Scheumann hat bisher keine positiven Führungsvorbilder erlebt und berichtet, dass er sich gewünscht hätte, dass Vorgesetzte weniger aufbrausend und stattdessen besonnen und tolerant gewesen wären. Für ihn sollte das Sachlich-Fachliche im Vordergrund stehen und nicht so sehr persönliche Beziehungen und Sympathien.

Führungsaufgaben und Rollenanforderungen verstehen

Erst nach dieser persönlichen Einstimmung sprechen wir mit dem Coachee über den Sinn und die Kernaufgaben von Führung. Zunächst fragen wir danach, welche Vorgaben und Modelle er dazu aus dem Unternehmen bekommt und ergänzen vielleicht um weitere Punkte, die nach unserer Vorstellung dazugehören.

Führungskräfte werden in der Regel eingesetzt, um mit ihren Mitarbeitern Unternehmensziele zu erreichen. Entsprechend vielfältig sind die Rollenanforderungen. Sie sollen:

  • Mitarbeitern eine strategische Orientierung geben und die Verbindung zum Sinn und Zweck des Unternehmens lebendig halten,

  • komplexe Prozesse gestalten und steuern,

  • die Qualität und Effizienz von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen sicherstellen,

  • Mitarbeiter fordern und fördern und

  • ein Klima schaffen, in dem Menschen im Sinne der Aufgabenstellung konstruktiv zusammenarbeiten können.

Diese Anforderungen sind übergeordnet und gelten sowohl für die Führung in der Linie, im Projekt oder wenn lateral geführt wird. Sie sind also unabhängig davon, ob eine stark steuernde Führung erwartet wird oder eher eine unterstützende Führung, wie es z.B. bei agilen Teams der Fall ist.

Dann übersetzen wir diese Kernanforderungen in ein Rollenmodell. Das Modell vom «Inneren Führungsteam» bietet eine einfache Systematik zum besseren Verständnis der unterschiedlichen Rollen- und Führungsanforderungen und veranschaulicht die verschiedenen inneren «Teamspieler», die man in sich vereinen muss, wenn man als Führungskraft erfolgreich sein will. Die unterschiedlichen Rollenanforderungen werden als innere «Teil-Personen» dargestellt, die alle unter einen Hut zu bringen sind und wie ein Team geführt werden müssen (vgl. Fischer-Epe 2007/2010, in Anlehnung an Schulz von Thun 1998 und Redlich 2000).

Vier Anforderungen unter einen Hut bringen

[Bild vergrößern]

Während wir das Bild vom Inneren Führungsteam am Flipchart entstehen lassen, erklären wir dem Coachee:

 

Stellen Sie sich vor, dass Sie als Führungskraft diese Rollenanforderungen, die hier im Inneren der Führungskraft dargestellt sind, mit Leben füllen müssen:

  • Als Vertreter des Unternehmens müssen Sie den wirtschaftlichen Erfolg und die Interessen des Unternehmens im Blick behalten...

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