Der Begriff Contracting hat seinen Ursprung in dem lateinischen Wort contrahere, das in der Übersetzung zusammenziehen bzw. in „Einklang bringen“ bedeutet. Der sprachliche Ursprung macht ein wesentliches Charakteristikum des später mit diesem Begriff verknüpften Modellansatz deutlich: die vertraglich zwischen zwei oder mehreren Kooperationspartnern vereinbarte Übernahme von bestimmten Aufgaben. Aus Anbietersicht handelt es sich beim Contracting um ein produktpolitisches Marketinginstrument, bei dem ausgehend von den Kundenbedürfnissen ein entsprechendes Leistungsangebot zusammengestellt und umgesetzt wird. Dabei bietet das Contracting-Unternehmen ein variables Bündel von Teildienstleistungen an und tritt gegenüber dem Kunden als Generalunternehmer auf. Aus Nachfragersicht ergibt sich mittels Contracting eine grundsätzliche neue Handlungsmöglichkeit. Aufgaben, welche bisher in Eigenverantwortung wahrgenommen wurden, an einen externen Dienstleiter zu übertragen.
In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre verfestigte sich der Begriff Contracting zum Oberbegriff eines Instrumentes energieeffizienzsteigernder Technologien. Die Besonderheit von Contracting-Lösungen im Energiebereich besteht darin, dass sich die Vergütung der erbrachten Leistungen ganz oder teilweise aus den realisierten Energiekosteneinsparungen finanziert.
Um eine Dienstleistung in das Segment des Contracting einordnen lassen zu können sollten fünf Kriterien erfüllt sein.
1 Contracting-Konzepte dienen der Realisierung von wirtschaftlich sinnvollen Effizienzverbesserungen bei der Energieerzeugung, -umwandlung und –nutzung.
2 Contracting-Konzepte sind prinzipiell in sämtlichen Verbrauchsbereichen und auf allen Ebenen der Energieversorgung einsetzbar.
3 Bei den Anbietern von Contracting-Lösungen handelt es sich zumeist um privatwirtschaftliche Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsichten.
4 Die aus den energieeffizienzsteigernden Maßnahmen resultierenden Energieeinsparungen bzw. die erlöse aus der Energiebelieferung eines oder mehrer Nutzer (Contracting-Nehmer) werden zur Rückzahlung der Investitions- und Finanzierungskosten sowie der Abgeltung der übrigen vom Contracting-Geber erbrachten Leistungen und dessen Gewinnanspruch eingesetzt.
5 Als Investor übernimmt der Contracting-Geber einen Großteil der spezifischen Risiken energieeffizienzsteigernder Maßnahmen. Hierzu gehört in der Regel auch das Erfolgsrisiko.
Contracting-Konzepte, die den vorangestellten Kriterien entsprechen, unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich der angebotenen Leistungstiefe und des Leistungsschwerpunktes. Darüber hinaus richten sich bestimmte Contracting-Angebote an jeweils unterschiedliche Kundengruppen. Auf der Basis dieser Unterscheidungsmerkmale lässt sich eine Typologie von Contracting-Konzepten erstellen.
Tabelle 2: Typologie Contracting-Konzepte
Die klassische und bislang verbreitetste Contracting-Variante ist das Anlagen-Contracting oder auch Energieliefer-Contracting. Hierbei werden energieerzeugungsseitige Maßnahmen geplant, finanziert, durchgeführt und in der Regel auch betrieben. Nach der jeweils vorgesehenen Energieanwendung werden unterschieden:
Wärme-Contracting
Kälte-Contracting
Beleuchtungs-Contracting sowie
Mischformen, z.B. Wärme/Kälte-Contracting
Druckluftcontracting
Contracting-Lösungen, welche eine gekoppelte Produktion von Wärme und Strom vorsehen werden abgekürzt als KWK-Contracting bezeichnet. Eine Erweiterung erfährt das Anlagen-Contracting durch die Integration nutzenergieeinsparender Maßnahmen, wie beispielsweise Wärmedämmungen oder den Einbau automatischer Temperaturregelungssysteme, in ein energetisch optimiertes Investitionsprogramm. Die Regelgrößen werden hierbei objektbezogen festgelegt.
„Der Neubau der Europäischen Zentralbank auf dem Gelände der bisherigen Großmarkthalle machte einen neuen Standort für die Versorgung von Frankfurt/M. und Umland notwendig. Der Frischemarkt versorgt rund 4,5 Mio. Einwohner in einem Umkreis von 200 km mit frischen Lebensmitteln. Maßgeblichen Anteil an Mitgestaltung und Umsetzung des Betreibermodells hatte die Techem Energy Contracting GmbH mit ihrem Konzept für den Betrieb der Energieumwandlungsanlagen und –verteilersysteme und darüber hinaus für das gesamte Technische Gebäudemanagement.
Kernleistung ist die Versorgung des Frischezentrums mit den notwendigen Nutzenenergien für die Vertragsdauer von 10 Jahren. Techem versorgt das Frischezentrum mit Kälte für die Kühlzellen der Händler, allesamt Mieter und gleichzeitige Mitgesellschafter der Betriebsgesellschaft.
Gegen ein zuviel an Kälte – Lebensmittel ebenfalls unzuträglich – liefert Techem Heizwärme, dies natürlich auch für den Verwaltungstrakt. Die Contracting-Leistungen schließen die Beleuchtung der Immobilie und die Gewährleistung der Funktionstüchtigkeit der Aufzugsanlage ein.
Ganz „klassisch“ im Sinne der DIN 8930-5 beschafft Techem die Endenergien Gas und Strom, wandelt sie in Nutzenergien um und trägt dabei uneingeschränkt das Effizienzrisiko der Umwandlungsprozesse. Ebenso „klassisch“ wird die Erhaltung der Analgentechnik durch eine umfassende Reparatur- und Erneuerungsgarantie gewährleistet. Dazu kommen alle Not- und Stördienstleistungen im Rahmen definierter Verfügbarkeitsbedingungen. Geschäftsführer Raimund Luger äußerte sich über das große Aufgabenspektrum in der Großmarkthalle: „Die insgesamt übernommene Verantwortung geht jedoch weit über die sonst bei Energieliefercontracting üblichen Pflichten hinaus. Techem ist auch in vollem Umfang als Contractor für die Verteilersysteme und deren Komponenten (Pumpen, Leitungen, Lüftungsanlagen, Leuchten) in der Pflicht. Deswegen wurden die übrigen Aufgaben des Technischen Gebäudemanagements ebenfalls in den beauftragten Dienstleistungsumfang integriert.“
Vom Betreiber FRIBEG wurden nur noch die Müllentsorgung, der Bewachungsservice und die Reinigungsdienstleistungen an andere Unternehmen übertragen. Organisatorisches Dach ist die BFM Building + Facility Management GmbH. Ihr obliegt die kaufmännische Verwaltung im Auftrag der FRIBEG und unter anderem die übergeordnete Steuerung und Kontrolle der eingesetzten Unternehmen. Sie bedient sich dazu des EDV-Systems Keylogic, das auch da Rückgrat für die Steuerung der Betriebsaufgaben und zur Überwachung des Leistungserbringungsgrades abgibt. Durch die Integration von Contracting-Leistungen mit denen des Technischen Gebäudemanagements werden schwer handhabbare technische und organisatorische Schnittstellen vermieden, Synergiepotentiale genutzt und Verantwortungsgrauzonen ausgeschaltet.
Eine besondere Bedeutung hat die Gebäudeleittechnik. Sie dient Steuerungszwecken, der Verbrauchserfassung und einem effektiven Energiecontrolling als Basis für zielgenaue technische Optimierung der Anlagen und deren Betriebszustände im Sinne eine Lastenmanagements. Das Konzept lebt schließlich davon, Einsparpotentiale aufzuspüren und umzusetzen. Techem stellt dazu regelmäßig den Energieverbrauch der Mieter fest und vergleicht den normierten, klimabereinigten Verbrauch mit dem des Vorjahres. Wird Energie eingespart, werden die Nutzer in Form eines Bonus daran beteiligt. Handlungsspielräume eröffnen sich genügend: Dazu gehören bewusstes Öffnen und Schließen der Hallentore und Kühlellen, Verzicht auf Kühlung bei offen stehenden Kühlzellen. Laut Raimund Luger ist es hierdurch gelungen „klassischen Ingenieursdienstleistung mit kaufmännischem Contracting-Verstand und den Ansätzen des Technischen Gebäudemanagements in einer Art zu verbinden, die heute noch nicht alltäglich ist.“ (Aus FACILITY MANAGEMENT 3/2005 S.6)
Als »Energieliefer-Contracting« werden Vorhaben bezeichnet, bei denen der Contractor die Energieerzeugungsanlage entweder plant, finanziert und errichtet oder eine vorhandene Energieerzeugungsanlage übernimmt und für die Dauer des Vertrages die volle Anlagenverantwortung trägt, also den Betrieb führt, die Anlage wartet, Instand setzt und bedient, die Einsatzenergie einkauft und die Nutzenergie verkauft. Vorhaben, bei denen es um Energieliefer-Contracting geht, werden teilweise auch als »Anlagen-Contracting« oder »Nutzenergie-Lieferung« bezeichnet.
Abbildung 1: Schema Energieliefer-Contracting
Als »Einspar-Contracting« werden Vorhaben bezeichnet, bei denen der Contractor nicht nur Energieerzeugungs-, sondern auch...