Gutes vom Land direkt in den Mund
»Be country« ist das neue »be basic«: Wir besinnen uns auf Feines vom Feld, aus dem Wald und dem See und gehen damit das ganze Jahr über auf genießerische Entdeckungsreise.
Was haben ein knackiger Löwenzahnsalat mit Speck, ein Stapel Tomato Pancakes, ein Pastinakengröstl mit Pilzen und ein Glas voll mit fruchtigem Zwetschgenmus gemeinsam? Es sind alles echte Country Basics – regionale und saisonale Spezialitäten und Originalitäten, die beim Essen sofort ein großes Wohlgefühl auslösen und damit tiefe Geschmackserinnerungen hinterlassen. Und genau das ist der Trumpf einer unverfälschten lokalen Küche.
Die Landküche ist gerade in den letzten Jahren so richtig in Mode gekommen. Zum einen, weil mit ihr fast vergessene beste Zutaten und Zubereitungen wiederentdeckt und geschätzt werden; zum anderen, weil mit ihr ein frisches Gespür für die Regionen und die Lebensmittel der Saison entstanden ist, das zu ganz neuen Kombinationen am Herd führen kann. Die Essenz von beidem haben wir in den Rezepten in diesem Buch versammelt.
Dabei sind wir die Sache ländlich leger angegangen und dem Lauf der Jahreszeiten mit je einem Kapitel für Frühling, Sommer, Herbst und Winter gefolgt. In jedem finden sich Kleinigkeiten und Salate, Suppen und Ragouts, Süßes und Kuchen der Saison. Dazu gibt es zwischendrin noch ein paar handfeste Tipps, etwa wie man die fruchtigsten Erdbeeren erntet, was alles mit Tomaten gemacht werden kann oder warum auch im Winter gegrillt werden darf. Ansonsten haben wir uns mit der Theorie zurückgehalten – nach dem Motto »Net lang rede, lieber schaffe!« – und dafür zum Schluss lieber noch ein Kapitel »Die fünfte Jahreszeit« drangehängt, in dem Eingekochtes, Selbstgemachtes und Geräuchertes für den Vorrat zu finden sind.
Es tummeln sich also in diesem Basics extra viele Rezepte, die vor allem mit dem zubereitet sind, was es in der Heimat gibt – mit viel Grünem im Frühling, leuchtenden Aromen im Sommer, Nachhaltigem im Herbst und Wohlfühlfutter im Winter. Aber auch aus den berühmten Regionalküchen Frankreichs und Italiens sowie aus der Countryside Englands kommt einige Würze. An alles haben wir gedacht, auf dass man sich auch in der Stadt jederzeit so richtig »in the country« fühlen kann.
So gut schmeckt das Land
Liebe geht durch den Magen, und die zum Land ganz besonders. Denn sie ist richtig nah dran am guten Essen. Folgen wir ihr dahin.
Feierabend? Wochenende? Ferien gar? Dann nichts wie ab aufs Land mit uns, wo die Kornblumen blühen und die Kühe muhen, wo das Brot besonders gut schmeckt und in jedem Bauern ein echter Naturbursche steckt. Das ist natürlich völlig übertrieben, aber meine Güte, so ein bisschen träumen darf man wohl noch. Und es ist ja tatsächlich so, dass unsere Erinnerungen an wahre Geschmackserlebnisse ganz oft mit Gerichten verbunden sind, die wir in ländlicher Umgebung mit Genuss gegessen haben.
Die sehr aromatischen Stachelbeeren aus dem Garten der Vogelsberger Tante. Der feine Semmelduft beim Bäcker am Neusiedler See. Der frisch gefangene Karpfen vom Grill der Brandenburger Eltern-Freunde, der so gut geschmeckt hat wie keiner zuvor und danach. Und wie die Sonne an diesem Septemberabend durch die Bäume schien; wie die Tochter der Freunde, Gabi hieß sie, einfach ein paar Kräuter für den Fisch pflückte; wie das gute Stück dann samt Alufolie mitten auf den Campingtisch gelegt wurde, alle erst einmal applaudierten und man dann den zarten Fisch in aller Ruhe direkt von der Folie gegessen hat.
Solche Erinnerungen werden einem für immer bleiben; und weil sie so einmalig sind, werden wir nie wieder exakt die gleiche Situation erleben. Da kann man jetzt darüber trauern oder sich daran freuen. Man ahnt es wohl schon, dass wir hier klar für Letzteres sind. Denn diese Freude ist eine gute Basis dafür, Neues entdecken zu wollen, Lust auf neue Geschmackserlebnisse zu haben und weitere genussfrohe Erinnerungen zu sammeln, die einem selbst, den Freunden oder auch der Familie später wieder viel bedeuten werden. Und für so etwas ist es auf dem Land immer noch am schönsten.
Zum Beispiel Rüben
Wir leben doch in einer tollen Zeit, oder? Auch was das Essen betrifft. Ob im Supermarkt, im Bioladen oder beim Türken – überall können wir frisches Obst und Gemüse in reicher Auswahl kaufen. Avocados, Ingwer, Granatäpfel ...
Die Zeit, als im Lebensmittelgeschäft nur Kraut und Rüben lagen, und die Apfelsorten bloß »Grün« und »Rot« hießen, die ist noch gar nicht allzu lange her. Und wir wollen sie auch gar nicht mehr zurück haben. Wozu denn – das Allerbeste von ihr haben wir ja schon längst wieder.
Zum Beispiel die Rüben. Die gab es bei uns schon, als Amerika und Asien noch ganz weit weg waren mit ihren Tomaten- und Basilikumsorten. In jeder Region zog man ein anderes Wurzelgemüse aus der Erde und kostete es.
Hätte es damals schon das Internet gegeben, wäre rasch eine hundertsortige Rüben-Community zusammengekommen. So waren aber irgendwann von den unzähligen Sorten nur noch die Mohrrübe und die Rote Bete übrig; vielleicht auch noch ein bisschen Sellerie für die Brühe.
Dann kamen die Ökos und die neue deutsche Küche, aus Good Old Europe der Landhausstil und aus den USA der Shabby Chic – und seit kurzem treffen sich plötzlich alle in der Mitte bei der neuen Lust am Landleben. Ein Leben, das heute mehr offen als verschroben ist, mehr realistisch statt nur romantisch. Auch dass »Land« nicht nur Landschaft ist, sondern vor allem Landwirtschaft, wissen wir inzwischen. Aber gerade diese Verbindung von Natur und Arbeit könnte es sein, die uns so fürs Landleben begeistert. Und die Küche ist der beste Ort, um das zu erfahren.
Vom Land in den Mund
Was ist es, dass das Kochen so entspannend macht? Zum einen, dass wir dabei Flora und Fauna so nah kommen können wie selten im Alltag. Zum anderen, dass wir dabei etwas von Anfang bis Ende selbst machen und bestimmen können. Ok, sehr wahrscheinlich haben wir die Pastinaken, die da jetzt vor uns auf dem Teller liegen, nicht selbst gezogen und geerntet. Aber wir haben sie selbst am Erzeugermarkt zwischen all den anderen neuen alten Wurzelgemüsen entdeckt, die es jetzt wieder gibt (mehr dazu auf >). Und wir haben den Bauern ausgefragt, was wir alles damit machen können.
Dann haben wir sie gewaschen, geschält, geschnitten und gebraten und anschließend noch etwas von der Salami dazugegeben, die wir am Nachbarstand erstanden haben.
Zum Essen rufen mussten wir gar nicht mehr, weil das schon der gute Küchenduft erledigt hatte. Wie von selbst kamen alle aus ihren Ecken, sogar der Tisch war gedeckt, als die Pfanne mit dem Pastinakengröstl in die Mitte kam.
Wann erlebt man das schon mal – alles selbst machen zu können, dabei ungefragt Hilfe zu bekommen und zu guter Letzt zusammen das Ergebnis zu genießen? (Das Erfolgsrezept dafür steht übrigens auf >).
Vorbild Bilderbuchbauernhof
Und jetzt mal bitte vorstellen, dass das alles in einem schönen alten Bauernhaus im bayrischen Voralpenland passiert, das eine große Küche hat, einen langen Tisch und einen verwunschenen Schrebergarten vor der Tür sowie einen Hausherrn, der seine Fische noch selbst fängt. Ganz schön kitschig, was? Aber auch ein bezauberndes Vorbild dafür, wie es sein könnte; zumindest ein bisschen; wenigstens für ein paar Stunden.
Und weil es diesen Ort wirklich gibt, und weil dort unser Fotograf lebt und die Autoren ganz in der Nähe, erzählen wir die Geschichte in diesem Buch von dort aus. Nicht streng geordnet nach Kapiteln, sondern dem Jahreslauf entsprechend – und unter einem Apfelbaum, jeweils im »Kleid der Jahreszeit«. Mit dabei ist ein Ausflug aufs Erdbeerfeld, ein Picknick im Grünen und natürlich eine Kiste voller Saisongemüse. Dazu gibt es selbstverständlich zahlreiche Rezepte, mit denen wir uns die Landküche jeden Tag ins eigene Heim holen können – ob das nun ein alter Bauernhof am See ist oder eine Mietwohnung im städtischen Altbau. Was sonst noch dabei hilft, damit das Land leichter zu uns kommt – bitte umblättern.
So holen wir das Land zu uns
Nur das Beste zu kaufen, ist schon mal ein guter Plan. Folgen wir noch Region, Saison und unserem Geschmack, wird alles besser.
Morgens raus zum Erdbeerbeet und nichts als den Tau von den Früchten wischen, bevor sie dann ins Müsli kommen; mittags ein bisschen Borretsch im Kräutergarten zupfen, um den Gurkensalat aufzupeppen; abends hinterm Haus ordentlich Senf aus eigener Herstellung zu den Grillwürstchen vom Landmetzger meines Vertrauens auf den Teller geben. Klingt toll, bleibt aber wohl für 99 Prozent aller Genießer ein Traum. Doch ein gutes Stück von all dem können wir uns in unsere Küche holen, wenn wir beim Einkaufen ein bisschen »country« sind.
Die Vorstellung von ländlicher Idylle spukt wohl hauptsächlich in den Köpfen von Stadtbewohnern herum, gespeist von einer Sehnsucht nach stressfreier Ferienzeit, nach dem einfachen und ursprünglichen Leben. Was Leuten, die in solch einer Umgebung leben und arbeiten, eher fremd ist:...