Spagat zwischen Kindern und Karriere: Mütter heute
Job, Partnerschaft, Kinder und Haushalt unter einen Hut zu bringen ist eine Herausforderung, die sich täglich von Neuem stellt. Es bedeutet Stress pur, und das meist nicht nur in Ausnahmefällen, sondern Tag für Tag aufs Neue. Gerade bei jungen Müttern liegen häufig die Nerven blank. Die neuen Anforderungen treiben den Stresspegel allzuoft nach oben.
Fachleute bezeichnen Stress schon seit Längerem als »neue Volkskrankheit«, und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet Stress als »eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts«. Man ist sich weitgehend einig, dass seelischer Druck für ca. 70 Prozent aller Krankheiten mitverantwortlich ist. Das dürfte niemanden sonderlich erstaunen, denn schließlich sind viele Menschen – auch und gerade Mütter – mehr denn je fast rund um die Uhr mit dem Job und der Organisation des Alltags beschäftigt, wo Reizüberflutung und Hektik mittlerweile die Regel sind. All die tausend Dinge, die ständig zu bedenken und zu tun sind. All die Anforderungen, die erfüllt werden sollen. Bis irgendwann Körper und Psyche nicht mehr mitmachen. Vielen fällt es schwer, nach getaner Arbeit richtig abzuschalten, innezuhalten und Abstand zu finden.
Krankschreibungen geschehen zunehmend auch aufgrund von psychischen Störungen, und diese sind letztlich meist auf ein Zuviel an Stress zurückzuführen. Dieses Leben im Standby-Modus macht krank. Neuere Studien belegen, dass chronischer Stress den Hippocampus buchstäblich schrumpfen lässt. Das ist der Teil unseres Gehirns, der wichtig ist für die Informationsverarbeitung und das Gedächtnis. Wir können uns dann nicht mehr konzentrieren, machen vermehrt Fehler und werden vergesslich. Die Gefahr für Gehirn, Psyche und Körper erhöht sich umso mehr, wenn der Stress sich in alle Lebensbereiche hineinfrisst, wir also andauernd unter Druck stehen und uns nirgends Rückzugsfelder für Ruhe und Entspannung bleiben.
Grund genug, um uns klar darüber zu werden, wie Stress auf uns wirkt und wie wir ihm anders begegnen können als bisher.
Auf Stress reagieren wir alle unterschiedlich. Was für die eine belebende Spannung ist, kann für die andere schon eine krankmachende Überforderung sein, je nachdem, wo unsere persönlichen Talente und Fähigkeiten und wo unsere Schwächen angesiedelt sind. Stress an sich ist nichts Schlechtes. Mit kurzfristigen Stressmomenten kommen wir normalerweise gut zurecht, sie sind sozusagen das Salz in der Suppe. Wir können unter Stress viel Energie für die Bewältigung unserer Aufgaben mobilisieren.
Eine versalzene Suppe bekommt uns jedoch nicht. Für Dauerbeanspruchung und permanente Überlastung ist unser Organismus nicht gemacht. Dies mag eine Weile gut gehen, doch irgendwann greifen gängige Kompensationsversuche wie Fernsehen, Shopping, das Gläschen Rotwein am Abend oder einer Freundin das Herz ausschütten nicht mehr. Wer sich über einen längeren Zeitraum hinweg verausgabt, zu wenig schläft und kaum für echte Arbeitspausen und körperlichen Ausgleich sorgt, ist irgendwann einfach am Ende mit seinen Kräften.
Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf Stress. Einer Studie der Universität Michigan zufolge haben Frauen nicht nur ein stärkeres Stressempfinden als Männer – sie tendieren in der Reaktion auf alltagstypische Stressoren wie Termindruck, Ärger und Konflikte auch eher zu psychischen Symptomen. Die Stressfolgen bei Männern zeigen sich dabei deutlicher in Herz- und Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck und Übergewicht, bis hin zu Infarkt oder Schlaganfall. Häufiger bei Frauen zu finden sind Migräne, Neurodermitis, Angstzustände und auch Depressionen. Über zehn Prozent aller Krankenstände bei Frauen haben psychische Ursachen.
Wissenschaftler vertreten schon seit Längerem die These, dass die Mehrfachbelastung und die daraus entstehenden Rollenkonflikte einen großen Teil zu den psychosomatischen Problemen beisteuern, mit denen insbesondere Frauen besonders zu kämpfen haben.
Doch was sind Stressfaktoren, die Frauen – und insbesondere Müttern – psychisch so zu schaffen machen, dass sie sich irgendwann in einem Zustand chronischer Erschöpfung, dem Burnout, wiederfinden?
Wenn in den Medien von Burnout die Rede ist, bezieht sich das meist auf berufliche Überforderung, von Familienarbeit ist dabei nur selten die Rede. Als würde sich hier alles von selbst irgendwie regeln. Erst runde zehn Jahre ist es her, dass das Unwort Erziehungs»urlaub« durch den Begriff »Elternzeit« abgelöst wurde. Inzwischen ist es wohl auch beim Allerletzten angekommen, dass Pflege und Betreuung eines neugeborenen Babys herzlich wenig mit Urlaub zu tun haben, sondern dass diese Aufgabe weit mehr Energie, Konzentration, Koordination, Management und Verantwortung erfordert als die Leitung einer Lebensmittelabteilung oder einer Bankfiliale.
Doch es gibt noch weitere, schwer auszurottende Vorurteile, mit denen sich berufstätige Mütter konfrontiert sehen. Wenn eine Frau »nur« einen Halbzeitjob hat, so eine gängige Vorstellung, dann müssten Erwerbs- und Hausarbeit doch mit links zu vereinbaren sein, oder? Allen, die dieser Meinung sind, ist anzuraten, einmal vier Wochen mit Teilzeitjob und kleinen Kindern auf die Reihe zu kriegen und erst dann den Mund wieder aufzumachen. Und auch der Begriff »Rabenmutter« ist ungemein zählebig. Mütter, die nach der Geburt ihres Kindes wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren, müssen sich viele Fragen gefallen lassen. Ob ihnen ihr Kind denn so gar nicht fehlt? Ob sie auch genügend Zeit haben für die Förderung ihres Kindes, die Krabbelgruppe, das Baby-Schwimmen oder den Mini-Club …
Mütter sind immer im Dienst. Dies gilt für die Mütter von Babys ebenso wie für die Mütter von Schulkindern. Die Herausforderungen ändern sich, wenn ein Kind aus dem Gröbsten heraus ist, doch weniger werden sie dadurch keineswegs. Die Organisation des ganz normalen Alltags kann Stress pur sein. Oft ist es ein pausenloser Hürdenlauf durch den Tag: Frühstück machen, Kinder zur Kita bringen, dann zum Job, sich dort beweisen und allen Anforderungen gerecht werden, Kinder abholen, einkaufen, kochen, sich um größere und kleinere häusliche Sorgen kümmern, ein offenes Ohr haben für Sorgen, Kummer und Wehwehchen, dazwischen Hausarbeit, Reparaturen, Behördengänge usw. usw. Da ist ein 14-Stunden-Tag oft nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel.
Nicht von ungefähr ist inzwischen von der »Familienmanagerin« die Rede, denn die Aufgaben einer berufstätigen Mutter sind mindestens ebenso vielfältig wie jene, die im Management anfallen, und der Zeitdruck, unter dem sie steht, kann mit dem eines Angestellten in einer Führungsposition locker mithalten. Hinzu kommen die häufig fehlende Unterstützung durch den Partner und durch die Kollegen sowie die mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung der Mehrfachbelastung. Für Mütter geht es vielfach darum, sich selbst und ihrem Umfeld zu beweisen, dass sie genauso leistungsfähig und auch bereit sind, den gleichen Einsatz zu bringen, wie Frauen und Männer ohne Kinder (»… rückwärts und mit Stöckelschuhen …«).
Dieser Anspruch erzeugt natürlich auch immensen inneren Druck. Beruflich ebenso erfolgreich und belastbar zu sein wie vor der Mutterschaft, den Kindern eine liebevolle und aufmerksame Mutter sein, dem Mann eine attraktive und aufgeschlossene Partnerin bleiben und nebenbei den Haushalt stemmen, all das entpuppt sich oft genug als Illusion, denn dazu müsste der Tag wohl doppelt so viele Stunden haben.
Jede fünfte Mutter ist Burnout-gefährdet
Damit ist klar, dass Burnout nicht nur ein Problem für Manager, Lehrer, Sozialarbeiter, Pflegekräfte, Sportler, Ärzte und Polizisten ist. Die chronische Erschöpfung ist längst in den Familien angekommen. Burnout ist zum Problem der ganzen Gesellschaft geworden. Wie mittlerweile auch wissenschaftliche Studien belegen, trifft Burnout häufig berufstätige Frauen mit Kindern. Man schätzt, dass jede fünfte Mutter Burnout-gefährdet ist.
Oftmals kommen zum alltäglich zu leistenden Kraftakt noch zusätzliche Herausforderungen: Ein Kind wird krank, die eigenen Eltern immer hilfsbedürftiger, im Job fallen zwei Kollegen aus und die Arbeit wird auf wenigen Schultern verteilt, die dann mehr zu tragen haben usw. Mütter stehen meist unter enormen Zeitdruck. Die Hektik wird dadurch verschärft, dass sie sich ständig im raschen Wechsel um die verschiedensten Belange kümmern müssen. Diese vielfältigen Belange machen Erholung vom Alltag schwer. Unter Alltag verstehen wir ja normalerweise alle Werktage außer den Wochenenden, den Feiertagen und der Urlaubszeit. Dann ist Freizeit, Vergnügen und Entspannung angesagt. Doch für Familienmanagerinnen fallen diese Erholungsphasen meist aus. Nicht nur, dass die Gedanken um das Wohl der Lieben sich nicht per Knopfdruck einfach abschalten lassen: Als Hauptansprechpartnerin für Sorgen und Probleme der Kinder und oft auch für die des Partners ist eine Mutter immer im Dienst. Das lässt sich eine Zeit lang stemmen, doch auf Dauer geht es an die Substanz. Mit leisen Schritten macht sich die Lebensfreude davon und die Erschöpfung hält Einzug. Die permanente Mehrfachbelastung durch Beruf, Hausarbeit und Kindererziehung zehrt und zerrt an der Psyche und an der Gesundheit.