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E-Book

Das Geheimwissen der Kelten

AutorHelmut Birkhan
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783843804257
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Die Kelten gelten heute oft als ebenso geheimnisvolles Barbarenvolk Alteuropas, das man gerne als die eigenen Ahnen ansieht. Sehr oft verbindet man sie auch mit einem ganz speziellen, angeblich sehr naturnahen Geheimwissen. Das Buch untersucht die allfälligen kulturellen und historischen Spuren dieses Geheimwissens, dessen Träger im Altertum der Priesterstand der Druiden war. Als das Druidentum mit der Christianisierung obsolet wurde, erscheinen vor allem die Barden als Verwalter geheimen Wissens, das sich besonders in Wales geradezu zu einer Art Bardenideologie und -theologie entwickelte. Diese leben bis heute in nationalwalisischen Veranstaltungen, bei denen dann auch wieder Druiden' als historistische Reminiszenz auftreten, aber auch in bestimmten Freimaurerorden weiter.

Prof. Dr. Helmut Birkhan wurde 1938 in Wien geboren. Der Autor ist Wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sowie Auswärtiges Mitglied der Akademien in Heidelberg und Oslo. Seine Spezialgebiete umfassen die Keltologie, der er sich vor allem in seiner Habilitationsschrift 'Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur' widmete, die Germanistik mit dem Schwerpunkt auf der Deutschen Literaturen des hohen und späten Mittelalters und der Germanischen Sprache vom Indogermanischen bis ins Mittelhochdeutsche. Nach seiner Emeritierung im Herbst 2006 lehrt er weiterhin an der Universität Wien.

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Leseprobe

Das Geheimwissen der Druiden,
Magier und Seher im Altertum


»no species of superstition was ever

more terrible than that of the Druids«

(David Hume, The History of England,

London 1761, I, 4)

Zunächst stehen uns schriftliche Quellen zur Verfügung. Sie kommen ganz überwiegend von antiken Autoren (etwa ab dem 2. Jh. v. Chr.) und gehören daher in die Kategorie der objektiven Esoterik, es sei denn, sie berufen sich tatsächlich glaubhaft auf keltische Meinungen. Die insulare Tradition liefert dagegen eher problematische Zeugnisse, die zwar nicht zu vernachlässigen, aber doch mit Vorsicht heranzuziehen sind, weil sie ja schon aus christlicher Zeit stammen. Daneben gibt es natürlich eine Fülle archäologischer Funde, die sich im Gegensatz zu den schriftlichen ständig vermehren, aber einer besonderen Interpretation bedürfen und kaum jemals zweifelsfrei auf druidischen Zusammenhang weisen.

Poseidonios von Apameia und C. Iulius Caesar


An prominentester Stelle unter unseren Informanten aus dem Altertum über den exklusiven Druidenorden steht C. Iulius Caesar (100–44), der sich allerdings nicht als erster antiker Autor für die gallischen Lebensumstände und für die Druiden, Seher und Dichter interessierte.

Ein Menschenleben älter war der stoische Philosoph Poseidonios aus dem syrischen Apameia am Orontes, der in Athen studiert und eine Reihe von Forschungsreisen durchführt hatte, wobei er sich längere Zeit im keltischen Gebiet der Gallia Narbonensis aufhielt. Er bekleidete 87/86 v. Chr. ein hohes Staatsamt und wirkte zuletzt als Lehrer in Rhodos, wo ihn auch M. Tullius Cicero im Jahr 77 besuchte. Seine Universalgeschichte in 52 Bänden ist allerdings weitgehend verloren. Im 23. Buch dieses Werkes befand sich ein Exkurs über die Kelten, dem vor allem die südgallischen Verhältnisse zugrunde lagen. Darin bemüht er sich um eine objektive Darstellung, die jedoch alles andere als keltophil ist, ja an mehreren Stellen durchaus voll Abscheu über das Barbarentum der Kelten herzieht. Exzerpte aus seinem verloren gegangenen Werk finden wir besonders beim Historiker Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.), dem Geographen Strabon (ca. 63 v.Chr.-19 n. Chr.) und dem Rhetor Athenaios (Ende des 2.-Anfang des 3. Jh.s). Im Gegensatz zu Caesar, der seinen Rechenschaftsbericht »Über den gallischen Krieg« (De bello Gallico) im Winter 52/51 als Stratege und Feldherr verfasste, aber dennoch erstaunlich viel Interesse für Land und Leute aufbrachte, wobei er das aussparte, was schon bei Poseidonios stand, schrieb dieser mit durchaus philosophisch-ethnologischem Interesse.

Wie ein Zeugnis des Poseidonios aussieht und wie es sich in der antiken Ethnographie entwickelte, möchte ich zunächst am Beispiel der Kopfjagd veranschaulichen, die den griechischen Philosophen durchaus befremdete. Wenn sie auch da und dort bei anderen Barbarenstämmen vorkam, so galt und gilt sie doch als ein keltisches Spezifikum, wobei mir allerdings der Begriff »Kopftrophäe« angemessener scheint, weil die Erbeutung des Hauptes als Siegeszeichen angesehen wurde, aber nicht Selbstzweck war.

So zitiert Diodor Poseidonios (5, 29,4f.): »Den gefallenen Feinden schneiden sie die Köpfe ab und hängen sie ihren Pferden um den Hals.« [So in der Schlacht bei Clusium (295 v. Chr.), wie Livius berichtet (10, 26,11; H2 168)]. »Die noch blutverschmierte Beute geben sie ihren Dienern, die sie als Trophäe herumtragen. Sie stimmen den Paian an und singen ein Siegeslied. Diese Erstlingsopfer der Schlacht nageln sie an ihre Häuser, als hätten sie auf der Jagd wilde Tiere erlegt. Die Köpfe der vornehmsten Feinde konservieren sie und bewahren sie sorgfältig in einer Truhe auf, zeigen sie dann den Gastfreunden und führen große Reden darüber, dass für diesen Kopf da einer der Vorfahren oder der Vater oder er selbst viel Geld geboten bekommen und nicht angenommen hätte. Man sagt, dass sich einige von ihnen rühmten, dass sie für einen solchen Kopf ein gleiches Gewicht Gold nicht angenommen hätten.« Diese natürlich religiös begründete Sitte war für Poseidonios befremdlich, und wie Strabon in seiner Geographica (4, 4,5) berichtet, habe er das vielerorts selbst gesehen, zuerst als »erstaunlich« empfunden, aber danach infolge der Gewöhnung ruhigen Sinnes ertragen (H1 130–132, 143–146) – wie es eben einem Stoiker wohl ansteht. Wobei die Konservierung mit Zedernöl vorgenommen worden sein soll, im Norden vielleicht mit Wacholderöl. Irgendwann scheinen jedoch auch diese Trophäen in den Abfallgruben gelandet zu sein, wie man es in Manching (Bayern) beobachten kann (Sievers [2003], 102).

Hochberühmt ist die Heldentat der Chiomara, der schönen Frau des Galaterfürsten Ortiagon. In Gefangenschaft geraten und von einem lüsternen Zenturio vergewaltigt, überlistete sie diesen, ließ ihm den Kopf abschlagen und überbrachte denselben, nachdem sie sich befreit hatte, ihrem Mann (Liv. 38, 24,2–10).6 Gelegentlich wurde auch das Haupt mitsamt dem Helm fortgetragen (H2 446). Diese sogenannten »têtes coupées« sind auch in den archäologischen Zeugnissen omnipräsent, ob sie sich nun als Bildmotiv oder realiter im Boden finden, umso erstaunlicher, dass Caesar ihrer an keiner Stelle gedenkt. Lediglich im anonymen »Spanischen Krieg« (bellum Hispaniense 32,2) werden sie kurz erwähnt (vgl. H2 56–58): die Keltiberer stecken die erbeuteten Köpfe auf die Spitze der Schwerter und stellen diese, um die Feinde zu schrecken, dem oppidum zugewandt auf. Hier beobachten wir eine der Hauptfunktionen der têtes coupées, nämlich die apotropäische. Es ist den Römern übrigens nicht gelungen, das Sammeln der Kopftrophäen abzustellen: Es war noch im alten Irland und Britannien ganz alltäglich, ja entwickelte sich zu einer Art »Schädelmystik«, wie sie noch in der Baukunst des Mittelalters weiterlebt, wo die têtes coupées nun als Skulpturen, zumeist am Äußeren der Kirche angebracht, das Böse fernhalten sollen, wie man gewöhnlich annimmt.

Die Herstellung von Schädelbechern – übrigens auch den Germanen geläufig, wie wir aus der Wielandsage ersehen – ist gut bezeugt (Livius 23, 24,12): Die Boier fassten 216 v. Chr. das abgeschnittene Haupt des Feldherrn L. Postumius Albinus »wie es bei ihnen Sitte ist« in Gold und verwendeten es »als heiliges Gefäß, aus welchem sie bei religiösen Feiern Trankopfer spendeten; auch diente er [der Schädel] dem Priester und den Tempelvorstehern als Trinkgefäß.«7 Dieser Vorgang blieb keineswegs auf die Schädel von Feinden beschränkt: 1961 habe ich im Quellheiligtum des hl. Declán (5. Jh.) in Ardmore (Co. Waterford) noch einen solchen angeketteten Trinkschädel im Gebrauch gesehen.

Neben den Köpfen gehörten manchmal auch die abgeschlagenen Hände zu den Trophäen, wie z.B. Diodoros (13, 57, 3) bezeugt: »Einige trugen Bündel von Händen an ihren Körpern umher, andere Köpfe, die sie zuvor auf Wurfspieße oder Speere aufgespießt hatten« (H2 70).8 Die iberischen Lusitanier, deren Keltentum aus linguistischer Sicht freilich zweifelhaft ist, weihten die den Gefangenen abgehackten rechten Hände (Strabon, geogr. 3, 3,6; H2 210f.). Wenn sich bei den Einwohnern der keltiberischen Stadt Numantia zwei Männer um ein Mädchen bewarben, gab sie der Brautvater jenem, der zuerst die rechte Hand eines Feindes brachte (Liber de viris illustribus urbis Romae 59,2; H3 253).

Neben den beiden Hauptquellen Caesar und Poseidonios gibt es noch eine große Anzahl weiterer Autoren, denen wir einzelne Bemerkungen über die altkeltische Religion entnehmen, freilich nicht alles ist im Hinblick auf unser Thema relevant. Zunächst werde ich dem Leser vor Augen führen, was Caesar allgemein an Kulturhistorischem über die Kelten berichtet und in den folgenden Abschnitten dann genauer auf jene antiken und frühmittelalterlichen Zeugnisse eingehen, die ein bestimmtes sakrales Geheimwissen implizieren könnten.

In De Bello Gallico 6 (13,1) lesen wir: »In ganz Gallien gibt es zwei Arten von Menschen, die überhaupt an hervorragender und ehrenvoller Stelle stehen. Denn das Volk wird fast wie Sklaven behandelt, es wagt nichts von sich aus und wird zu keiner Beratung hinzugezogen.

(13,2) Da die meisten entweder durch Schulden, die Höhe der Abgaben oder die Ungerechtigkeiten der Mächtigen bedrängt werden, begeben sie sich in die Sklaverei.

(13,3) Ihnen gegenüber haben die Adeligen dieselben Rechte wie Herren gegenüber Sklaven. Von diesen zwei Arten [scil. der Herren] aber ist die eine die der Druiden, die andere die der Ritter.

(13,4) Jene nehmen an den göttlichen Angelegenheiten teil, sie besorgen die öffentlichen und privaten Opfer und interpretieren die religiösen Vorschriften. Zu ihnen kommt eine große Zahl von jungen Männern in die Lehre und sie stehen bei...

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