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E-Book

Das Glücksprojekt

Wie ich (fast) alles versucht habe, der glücklichste Mensch der Welt zu werden.

AutorAlexandra Reinwarth
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783864151705
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Ein Jahr - ein Projekt: Wie wird man der glücklichste Mensch der Welt? Alexandra Reinwarth ist eigentlich ganz zufrieden. Sie hat einen guten Job. Einen netten Mann. Gute Freunde. Aber manchmal, wenn sie einschläft, fragt sie sich: Bin ich wirklich glücklich? Also wagt sie ein ungewöhnliches Experiment. Sie macht ein Jahr lang alles, um wirklich glücklich zu werden. Sie besucht einen Glückscoach, unternimmt eine Wallfahrt, fängt mit Sport an, singt in der Dusche, kümmert sich um ihre Freunde, kauft sich ein Haustier, entrümpelt ihre Wohnung, probiert allerlei Glücksdrogen und fahndet ausgiebig nach dem Sinn des Lebens. Alles, was es über Glück zu wissen gibt, steht in diesem Buch. Der ultimative Glücksratgeber!

Alexandra Reinwarth, geboren 1973, lebt seit 2000 in Barcelona, wo sie als Produzentin und Autorin tätig ist.

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Leseprobe

Einleitung


Dies ist kein Glücksratgeber. Ratgeber bringen überhaupt nichts, glauben Sie mir, ich habe viele davon. Manche habe ich auch gelesen. Wenn es nach meinem Bücherregal ginge, wäre ich schon längst schlank im Schlaf geworden, ich wäre die perfekte Liebhaberin und ein Kommunikationsprofi, ich wüsste Wege in die Entspannung, es wäre egal, wen ich heirate, denn ich würde mich selbst lieben, und ich würde mich nicht sorgen, sondern leben.

Dies ist ein Erfahrungsbericht. Ich habe mich auf den Weg gemacht und es tatsächlich versucht: das Glück zu finden. Schritt für Schritt. Wie ich auf dieses schmale Brett gekommen bin? Ich hatte da mal einen lichten Augenblick …

Manchmal hat man die größten Lichtblicke in den blödesten Momenten. Eine ganz wichtige Erkenntnis kam mir zum Beispiel, als ich spätnachts vor meiner Toilette kniete und kotzte, was das Zeug hielt. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich mit L. die Liebe meines Lebens getroffen hatte. Die Liebe meines Lebens kniete dabei neben mir und reichte mir Klopapier. Zugegeben, das war nicht exakt die Situation, die ich mir für so eine Erkenntnis vorgestellt hatte. In meiner Fantasie spielten eine sternenklare Sommernacht, ein Vollmond und eine Laube im Park die tragenden Rollen – und nicht eine Porzellanschüssel von Ideal Standard mit lila Kloumpüschelung. Außerdem sollte ich zu dieser Gelegenheit ein traumhaftes Kleid tragen und meine Blahniks, die ich dann ausziehen könnte, wenn wir ›total verrückt‹ in den nächsten Springbrunnen stiegen. L. würde mich verliebt ansehen und mir eine Strähne meines fluffigen, aber kraftvollen Haars aus dem Gesicht streifen. In der Realität sah mich L. verliebt an, während er mir den Pferdeschwanz hielt, damit der nicht ins Klo hing. Auch romantisch, aber anders.

Meiner Freundin Jana dämmerte während eines Einkaufs im Supermarkt, dass ihr Markus, der gerade verzweifelt versuchte, eine von diesen Obst- und Gemüsetüten aus dem Spender auseinanderzufalten, der Mann ihres Lebens war. Was folgte, war eine rührende Szene vor dem Kopfsalat. Auch Jana hatte sich diesen Moment anders vorgestellt. »Mit weniger Obst und Gemüse im Hintergrund«, sagt sie. Kurzum: Erkenntnisse kommen, wann sie wollen. Wie Pickel.

Das war bei der folgenden Erkenntnis nicht anders. Es war wieder so weit. Ich besuchte meine Oma im Altenheim. Sie ist die beste Oma der Welt. Sie ist klein und zart, wie ein Vogel, der aus dem Nest gefallen ist. Wenn ich sie drücke, bin ich sehr vorsichtig, um ihr nicht aus Versehen das Rückgrat zu brechen. Sie freut sich sehr über meine Besuche und bereitet immer einen Kaffeetisch vor. Es muss sie viel Zeit und Kraft kosten, den Tisch zu decken und Kaffee zu kochen, aber wenn ich ihr am Ende meines Besuchs helfen will, wieder abzuräumen, lässt sie mich nicht. »So kann ich deinen Besuch noch ein bisschen nachschmecken«, sagt sie, und dann kullern ihr ein paar Tränchen aus den Augen, weil ich gehe, und mir kullern ein paar Tränchen aus den Augen, weil die Oma heult. So laufen meine Besuche normalerweise ab.

Als wir dieses Mal auf dem Oma-Sofa sitzen, sagt sie plötzlich: »Weißt du, Kind, ich habe heute in den Spiegel geschaut und ich sehe aus wie eine alte Frau.« (Sie ist 83.) Und noch bevor ich altklug darauf hinweisen kann, dass das in diesem Alter gar nicht so unwahrscheinlich ist, sagt sie: »Aber ich fühle mich gar nicht anders als früher! Ich fühle mich nicht alt.« Und dann sagt sie noch: »Nütz’ die Zeit, sie geht so schnell vorbei.«

Als ich mich verabschiede und nach unserem Traditionsheulerchen mit der Tram nach Hause fahre, kommt sie, die Erkenntnis. In der Tram, während sich im Gang neben mir ein paar Halbstarke Halbsätze zubrüllen, die alle mit »Ey« anfangen, ist sie plötzlich da. Sie kennen doch auch diesen Satz aus Kindertagen: »Wenn ich mal groß bin …« Das impliziert irgendwie die Vorstellung, es gäbe einen gewissen Zeitpunkt, ab dem alles anders ist. Man wäre irgendwann jemand anderes, jemand Großes, jemand, der sich so viel Gummibärchen kaufen kann, wie er will, und auch über die Bettgehzeit selbst entscheiden darf. So groß! Meine Vorstellung davon, wann genau es so weit sein würde, war als Fünfjährige verschwommen. Vielleicht, wenn ich endlich in die Schule käme. Aber nein. Es stellte sich heraus, dass man noch nicht groß war, wenn man statt einem Kindergartenkind ein Schulkind war, obwohl einem im Kindergarten die Schulkinder wie die coolsten Typen der Welt vorgekommen waren. Und das ging immer weiter so. Groß genug war man irgendwie nie. Mit den Jahren veränderte sich nur die Vorstellung davon, was wäre, wenn man dann groß wäre. Und es änderte sich auch die Vorstellung, was groß überhaupt ist: In der Pubertät dachte ich, wenn ich groß wäre, müsste doch dieses Gehangel und Dahingewurstel und diese Unsicherheit und dieses Schwierige vorbei sein. Ich würde wissen, wie der Hase läuft, und das Leben, das zweifelsohne für mich etwas ganz Spezielles in petto hätte, könnte endlich beginnen. Ich wäre vermutlich groß, wenn ich:

  • Überweisungsformulare ausfüllen könnte und Auto fahren,
  • eine schicke Wohnung hätte und jede Nacht durch die Clubs zöge,
  • eine festen Freund hätte,
  • Ulysses verstünde,
  • so etwas wahnsinnig Erwachsenes tun würde wie eine Putzfrau engagieren oder
  • verheiratet wäre und ein Kind hätte.

Schließlich konnte ich Auto fahren und Überweisungsformulare ausfüllen und es änderte sich überhaupt nichts. Das soll nicht heißen, dass ich in meiner Entwicklung stehen blieb, zum Glück, aber ich fühlte mich kein bisschen anders. Alles war immer noch schwierig und undurchsichtig. Ich war immer noch ich. »Überraschung«, werden Sie jetzt vielleicht sagen und mit den Augen rollen.

In dem Moment, als meine Oma sagt, sie habe im Spiegel eine alte Frau gesehen, fühle sich aber gar nicht so, verstehe ich, dass »Wenn ich groß bin« nicht kommen wird. Es gibt keine Haltestelle in meinem Leben, die »Sie sind jetzt groß« heißt. Es wird weitergewurstelt und die Tage vergehen, bis ich auch einmal vor dem Spiegel stehe und mir denke: Ich sehe aus wie eine alte Frau.

Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas versteht oder fühlt. Als ich mit 6 Jahren meinen Hamster beerdigen musste, lernte ich, dass alles Leben vergeht und dass aller Wahrscheinlichkeit nach meine Eltern und vielleicht sogar ich irgendwann sterben müssen. Das habe ich verstanden. Aber auf meiner Heimfahrt in der Tram fühle ich es zum ersten Mal. Ohne den Verkehrsbetrieben da irgendeinen Vorwurf machen zu wollen.

Das jagt mir einen mordsmäßigen Schreck ein und ich erinnere mich an all die Filme und Bücher, in denen jemand von einer hammermäßig tödlichen Krankheit erfährt, um dann in der verbleibenden Zeit endlich was aus seinem Leben zu machen. Am Ende wird gestorben oder alles war ein Irrtum. So oder so, ich finde diesen Stoff überstrapaziert. Ich will trotz meiner Erleuchtung nicht alles stehen und liegen lassen, um drehbuchartig ans Meer zu fahren, einmal einen Berg zu besteigen, an einer Orgie teilzunehmen, oder was den Leuten sonst so einfällt,was sie in ihrem Leben verpasst haben. Nein. Ich habe die einmalige Gelegenheit, mein Leben vor der schockierenden Diagnose zu ändern. Ich möchte, wenn einmal der Sensenmann kommt, nicht sagen: »Wie, jetzt schon?« Ich möchte sagen: »Schön war’s!« Wenn ich mir meinen Alltag so ansehe, bin ich viel zu oft nur damit beschäftigt, gleichzeitig Job, Beziehung, die Buntwäsche, die Oma und den ganzen Rest unter einen Hut zu bekommen. Das kann doch nicht alles gewesen sein!

Mein Entschluss steht fest: Ich will aus meinem Leben das Größtmögliche herausholen. Ich will größt-glücklich-möglich sein.

Und zwar ab: Jetzt.

Es heißt immer und überall, Glück sei erlernbar. Da bin ich ja mal gespannt. Es hieß in der Schule auch, Latein sei erlernbar, und ich weiß, das ist es definitiv nicht. Kann man in Glück durchfallen? Und was heißt erlernbar? Muss ich vier Mal am Tag sagen: »Das Leben ist schön, ich fühle mich gut«, und dann bin ich schon glücklich? Oder wie geht das? Ich werde es herausfinden. Die gute Nachricht für Sie: Sie müssen sich nicht alle Ratgeber kaufen, die einem beibringen sollen, wie man glücklich wird. Das habe ich nämlich schon gemacht.

Wenn man sich so umsieht auf dem Glücksmarktplatz, dann verliert man schnell den Überblick. Jede Menge Tipps à la »Akzeptiere dich selbst«, und wenn ich noch einmal diese Parabel vom griechischen Fischer am Strand höre, übergebe ich mich aus dem Stand. Sie wissen schon, die hier:

Ein reicher Industrieller macht Urlaub in einem südlichen Land und sieht schon am Vormittag einen einheimischen Fischer ruhend unter einem schattigen Baum:

»Warum sind Sie nicht auf dem Meer beim Fischen?«

»Ich war schon draußen.«

»Warum fahren Sie nicht nochmals?«

»Warum sollte ich?«

»Damit Sie mehr Fische und mehr Geld bekommen!«

»Warum sollte ich?«

»Damit Sie sich ein weiteres Boot anschaffen können und Leute...

Blick ins Buch

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