EINLEITUNG
Wir dürfen nicht hoffen, eine bessere Welt zu erbauen, ehe nicht die Individuen besser werden.
–Marie Skłodowska–Curie (1867–1934)
„Das Wunderbare an uns Menschen ist, dass wir zwei Vererbungssysteme besitzen – ein chemisches und ein kulturelles. … Unser chemisches System erhebt uns kaum über andere Tiere, doch unser kulturelles System ist in der Natur ohne Beispiel. Seine formende Kraft schenkt uns Sprache, Kunst, Wissenschaft und sittliche Verantwortung.“
–Gottfried Schatz:
Jenseits der Gene: Essays über unser Wesen, unsere Welt und unsere Träume, 2008
Wir Menschen sind verantwortlich für alle Entwicklungen unserer Zivilisation, ob gut oder schlecht, wir haben sie durch unser Handeln ermöglicht. Und deshalb können wir diesen Kurs auch in neue Richtungen lenken. Dies kann nur geschehen, wenn wir lernen ganzheitlich zu denken und die volle Kapazität unseres Gehirns bewusst zu nutzen.
Unsere Gedanken sind kraftvoll und bestimmen unser Leben:
• Unsere Gedanken beeinflussen unsere Körperzellen und sind wesentlich verantwortlich für unsere Gesundheit.
• Unsere Gedanken bestimmen, wie wir mit technischen Entwicklungen umgehen und ob wir die Folgen abschätzen.
• Unsere Gedanken bestimmen, ob wir unseren Reichtum teilen oder nur am eigenen Gewinn interessiert sind.
• Unsere Gedanken bestimmen unsere Beziehungen und unser Miteinander im privaten und beruflichen Bereich.
• Unsere Gedanken bestimmen, wie wir unsere Kinder erziehen und wie sie die Zukunft gestalten werden.
• Unsere Gedanken bestimmen, ob wir unsere Energie für Fachwissen oder Gefühle und Intuition verwenden – oder für beides.
• Unsere Gedanken bestimmen, ob wir uns frei oder eingeschränkt fühlen und ob wir uns als Dirigent unseres eigenen Orchesters fühlen oder darunter leiden, dass andere uns vorgeben, was zu tun ist.
• Unsere Gedanken bestimmen, ob wir an unsere Fähigkeiten und Talente glauben und ob wir bereit sind diese inneren Schätze zu erforschen.
• Unsere Gedanken bestimmen, ob wir an ein freundliches oder unfreundliches Universum glauben und sie bestimmen in welche Richtung wir unsere Kräfte, unser Wissen und unsere Talente einsetzen.
Es gibt sehr viele Wissenschaftler, die diese Richtungen beschreiben. Das Problem ist, dass alle Richtungen zusammenwirken und sich gegenseitig beeinflussen. Es braucht ganzheitlicheres Denken, ganzheitliches Lehren und Lernen, um die Visionen für eine gesunde Erde und eine gesunde Zukunft möglich werden zu lassen. Dieses Lehren und Lernen sollte bereits in der Schule beginnen und könnte ermöglichen, dass Kinder schon früh beginnen holistisch zu denken und diese großartige Vielfalt auf unserer Erde ständig ausbalancieren und neue Türen öffnen.
Es ist sehr wichtig, dass wir Fachwissen lernen. Genauso wichtig ist jedoch, dass wir alles lernen, was nicht als Fachwissen gilt: globales Denken, Selbstvertrauen, soziales Verhalten. Wir brauchen in der Schule ein neues Fach, sodass Kinder schon früh lernen die riesigen unbewussten Kapazitäten des Gehirns bewusst zu gebrauchen.
Unser menschliches Gehirn ist wie ein riesiger Computer, aber wir brauchen dafür eine Gebrauchsanweisung. Wir können uns Folgendes überlegen und ausrechnen: Unsere hervorragenden Computerprogramme und technischen Errungenschaften werden mit 0 und 1 programmiert, also zwei Elementen. Nehmen wir nun unser Gehirn, in dem Informationen in Form von 5 Elementen gespeichert sind: sehen, hören, spüren, riechen und schmecken. Wir können also um exponentiell vieles mehr als die Computerwelt – das heißt, wir können Unmögliches möglich machen. Das Problem ist, dass wir diese riesige Kapazität nur unbewusst nutzen und dieses Unbewusste führt zu den großen Problemen unserer Zeit. Es besteht daher die riesige Chance, dass wir lernen unser Gehirn bewusst zu gebrauchen und abzuschätzen, wie wir mit unseren Gedanken und Visionen alles, was uns umgibt, beeinflussen können.
Wir alle haben gute und schlechte Tage. An guten Tagen haben wir all das bereits zur Verfügung und brauchen es nur noch aufzudecken. Wenn wir uns bewusst machen, was wir an guten Tagen tun, können wir jeden schlechten Tag in einen guten verwandeln und die volle Kapazität unseres Gehirns bewusst nutzen – und jeder kann dazu beitragen das Unmögliche möglich zu machen. Dieses Buch soll eine Gebrauchsanweisung für unser Gehirn sein. Es soll sehr einfach aufzeigen, wie wir Schritt für Schritt entdecken können, was wir an guten Tagen machen und wie wir es bewusst im Alltag leben können.
Eine Metapher für diese individuelle Resonanz und ein ganzheitliches Miteinander ist ein Orchester.
Dazu möchte ich zunächst Nikolaus Harnoncourt, Begründer des Concentus Musicus, Orchestermusiker und Dirigent, zitieren (Harnoncourt 2017, S. 20), der über das Orchester Folgendes sagte: „Wie konnte man das erfinden? Man konnte es nicht, es ist nach und nach entstanden… Viele Generationen, unendlich viele Experimente führten schließlich zum Orchester, einer Klangwundermaschine aus Menschen und Musikinstrumenten; man kann es fast nicht glauben, dass Musiker, die ja von Natur aus Individualisten sind, die ihren persönlichen Klang schaffen wollen, nun ihre Phantasie dem großen Kollektiv zuwenden, der Verschmelzung von Klängen, der Entdeckung und Erfindung neuer Farben und Farbkombinationen; fast alle Komponisten waren zeitweise Mitglieder solcher Orchester. Sie nahmen selbst aktiv Anteil am Entstehen der vielen, vielen Möglichkeiten, und sie kannten und verstanden das komplizierte Wesen des Orchesters: jeder gute Musiker hat einen ausgeprägten Gestaltungswillen, ist im Grunde Solist und muss es sein – im Orchester vereinen sich alle diese Individualitäten, jeder bringt seine ganze Persönlichkeit, seine volle Künstlerschaft und ordnet sie zugleich einem – rätselhaften – Gesamtwillen unter. So hat jedes Orchester auch ohne Dirigent eine unverwechselbare Persönlichkeit; natürlich bilden sich in Wien, Prag, Paris etc. verschiedene nationale Klangideale.“
Man fragt sich also, wie es möglich ist, dass Musiker gemeinsam in einem Orchester eine wunderbare Symphonie spielen und eine Atmosphäre verbreiten, die die Zuhörer verzaubert? Das Geheimnis ist wohl, dass jeder das eigene Instrument und seinen Teil der Partitur perfekt beherrscht und zugleich mit den anderen Musikern verbunden ist. Diese Verbundenheit schwingt – ähnlich wie im Resonanzraum der Geige oder des Cellos – auch innerhalb des Orchesters.
Jeder Musiker muss sich aber auf diese komplexe Ganzheit einlassen. Ein Geigenspieler erarbeitet sich zunächst Tonleitern und Techniken, die jedoch noch keine Musik ergeben, auch wenn sie perfekt gespielt sind. Es müssen noch das Herz und die Gefühle hinzukommen, damit eine innere Berührung möglich wird. Wenn nun ein Geigenspieler dies erreicht hat, braucht es weitere Fähigkeiten, um auch gut im Orchester mitzuspielen: Er muss lernen mit allen anderen Musikern und Instrumenten Verbindung aufzunehmen. D.h., während jeder Musiker sein Instrument und seine Noten spielt, ist er gleichzeitig mit den anderen Musikern verbunden. Wenn das funktioniert, fehlt nur noch das Publikum. Jedes Publikum ist anders und auf jedes Publikum stellen sich gute Musiker neu ein, um ein wunderbares musikalisches Erlebnis zu schaffen.
Das Gleiche gilt für menschliches Miteinander: Es ist sicherlich sinnvoll Techniken zu lernen, mit denen man seine inneren Teile kennen lernt, sodass das „innere Hamsterrad“ zur Ruhe kommt. Aber erst wenn zu den Techniken – so wie beim Geigenspieler – die Gefühle und das Herz hinzukommen, sind wir auch authentisch und in Resonanz mit uns selbst. Wenn wir mit anderen auf neue Weise leben und arbeiten wollen, sollten wir lernen die innere Landkarte unseres Gegenübers zu verstehen, so wie das gute Musiker im Orchester tun.
Wenn wir nun alle gut miteinander spielen, fehlt noch das Umfeld, bzw. um im Bild des Orchesters zu bleiben, das Publikum und die Rahmenbedingungen: Erst wenn wir wieder lernen, mit der Natur in Verbindung zu sein, andere Menschen in ihrer wunderbaren Eigenart zu entdecken und unsere Gefühle und unseren Verstand zu schätzen und uns damit zu verbinden, dann können wir wie ein Orchester wunderbare Musikstücke gemeinsam spielen und wohltuende Atmosphäre verbreiten. Dann leben wir Resonanz in uns, mit anderen und mit aktuellen Rahmenbedingungen, die sich laufend verändern können. Wie ein Orchester hat auch jede Partnerschaft, jede Familie eine unverwechselbare Persönlichkeit und natürlich bilden sich in verschiedenen Ländern und Kulturen...