Die Weisheit des Bauchgefühls
Oft genug habe ich in meinem Leben nur auf meinen Verstand, meinen Intellekt vertraut. Und das, obwohl ich mein Bauchgefühl, meine Intuition immer schon ganz deutlich wahrgenommen habe. Aber lange Zeit hat mir einfach mein Vertrauen in diese innere Stimme, in die Stimme meines Herzens gefehlt. Dieses Vertrauen durfte sich erst langsam entwickeln, und mit jedem »Erfolgserlebnis« lernte ich, mich immer mehr darauf zu verlassen. Häufig stellte ich fest, dass ich in meiner Firma einfach ein »gutes Händchen« hatte für die richtige Entscheidung, für die Bedürfnisse unserer Kunden, weshalb unsere Produkte und mein Unternehmen so erfolgreich wurden.
Dass es wirklich eine andere, weit wichtigere Instanz in mir gab als meinen Kopf, stellte ich auch beim Fliegen fest, wenn ich mich in »meinem« Element aufhielt, der Luft. Hier fand ich recht schnell heraus, dass es nie mein Rechenzentrum im Kopf war, welches mich die richtigen Aufwinde finden ließ. Ganz im Gegenteil: Je mehr Erfahrung ich gewann und je mehr Flugkilometer ich zurücklegte, umso mehr spürte ich, dass ich mich auf etwas in mir garantiert verlassen konnte: eben auf mein eigenes Gespür.
Daraus leitete ich einen Grundsatz ab, der mich seither durch mein Leben begleitet. Jede Entscheidung, die ich später traf, gründete – so wusste ich nun – auf diesem Bauchgefühl. Ich bin mir sicher, dass ich weder materiellen noch sportlichen Erfolg gehabt hätte, wenn ich mich nicht davon hätte leiten lassen. Auch dass ich mich später auf eine andere, spirituelle Art der Weiterentwicklung eingelassen habe, hat mit dieser Intuition zu tun. Oft müssen wir »kopfgesteuerten« Menschen jedoch erst wieder zu diesem Bauchgefühl vordringen und lernen, uns ihm anzuvertrauen.
Ein Gedanke: Der Bauch kennt die Lösung
Sowohl in Krisenmomenten als auch im Augenblick von Entscheidungen ist es immer mein Bauch, der richtigliegt, nicht mein Kopf. Wenn ich unsicher bin, wie ich mich in einer problematischen Situation entscheiden soll, dann weiß ich, dass es Zeit ist, eine andere Instanz zu befragen, die ich die Stimme meines Herzens nenne.
Blicken Sie doch einmal auf Ihr bisheriges Leben zurück: Ist es nicht so, dass es in den meisten Fällen Ihr Bauch war, der die richtige Lösung schon lange vorher »wusste«, erspürte?
Ich jedenfalls kann heute sagen: Alle Entscheidungen, die ich intuitiv getroffen habe, haben sich im Nachhinein als absolut richtig herausgestellt. Was ich allein mit meinem Kopf entschieden habe, hat mich oft in eine Sackgasse geführt.
WENN DER KOPF SPRICHT, HAT DER BAUCH ZU SCHWEIGEN?
Tatsächlich bleibt uns der Zugang zu der Stimme unseres Bauches oft versperrt. Ja, es gilt insbesondere bei erfolgreichen und intelligenten Menschen oft als regelrecht verpönt, auf seinen Bauch, seine Intuition oder die Stimme des Herzens zu hören. Der Verstand und seine analytischen Fähigkeiten erscheinen viel zuverlässiger als der Bauch mit seinen merkwürdigen Regungen.
Dass wir im Westen Körper und Seele, Kopf und Bauch voneinander trennen, hat vielerlei kulturell und religiös bedingte Gründe.
Unser Weltbild ist von einem naturwissenschaftlich orientierten Dualismus geprägt, der auch tief im Christentum verwurzelt ist: Bereits in der Antike betrachtete man Körper, Geist und Seele als voneinander getrennte Einheiten.
Das wirkt zwar auf den ersten Blick wie eine Gewissheit, die Stabilität und Sicherheit verspricht, weil der Körper mit seinen Sinnen durch diese Trennung nicht den Geist verwirrt und die Seele ohnedies ihre eigene Spiritualität besitzt. Aber es führt auch dazu, dass Veränderungen und Entwicklungsprozesse zu einer schwierigen Angelegenheit, wenn nicht gar unmöglich werden. Denn ein Kopfmensch überlegt, wägt ab und analysiert, ohne auf diesem Weg jedoch immer zu einer echten Lösung zu kommen, und er entscheidet nicht selten mit einem Gefühl der inneren Zerrissenheit. Gerade kopfgesteuerte Menschen haben oft Schwierigkeiten, bestimmte Gewohnheiten und Muster zu durchbrechen und die ihnen innewohnenden Ressourcen in vollem Umfang zu nutzen, denn es fällt ihnen schwer, einen Zugang zu ihrer Intuition zu gewinnen. Manchmal vernehmen solche rationalen Menschen diese Stimme zwar, aber sie erlauben es sich nicht, diese auch zuzulassen und auf sie zu hören.
Warum wir Kopf und Bauch trennen
Dabei wird gerade in neuerer Zeit immer deutlicher, dass dieser Dualismus, diese Trennung von Kopf und Bauch, eigentlich als überwunden betrachtet werden kann. Interessanterweise sind vor allem Wissenschaftler, die ja als besonders »kopfgesteuert« gelten – Psychologen, Neuroökonomen, Kognitions- und Hirnforscher, Neurobiologen und Quantenphysiker –, im Begriff, die Prozesse zu analysieren, auf denen unser Denken und unsere Gefühle beruhen.
Heute weiß man, dass Geistes- und Bewusstseinszustände in erster Linie von chemischen und biologischen Prozessen im Körper abhängen. Unsere sinnlichen Wahrnehmungen und unsere Gefühle wirken tief auf die körperliche Zellebene ein. Auf Psychosomatik spezialisierte Ärzte befassen sich mit der Erkennung und Behandlung von Krankheiten und Beschwerden, denen seelisch-körperliche Faktoren zugrunde liegen. Das Wissen, dass alles mit allem verbunden ist, bildet auch die Grundlage wesentlich älterer Heiltraditionen wie des indischen Ayurveda oder der Traditionellen Chinesischen Medizin. Diese beiden Heilsysteme gewinnen auch im Westen immer mehr Anhänger.
Das Energiezentrum in uns
Den Bauch oder die Körpermitte als Energiezentrum kennt man in der asiatischen Kultur schon seit Tausenden von Jahren. Es hat viele Namen: In den Yogatraditionen nennt man es Nabel-Chakra (Manipura-Chakra), in Japan Hara, in China Dantian. Die Körpermitte gilt hier als Quelle unseres inneren Gleich- oder Ungleichgewichts.
Mit gezielten Meditations-, Atem-, Qi Gong- und anderen Energie-Übungen (siehe auch >) kann man den Energiefluss in seinem Körper harmonisieren, das natürliche Energiegleichgewicht wiederherstellen und zur eigenen Mitte finden.
Mit dem Bauch Entscheidungen treffen
Dass unser Bauch also keineswegs eine rein körperliche Instanz ist, wird sowohl durch die Erkenntnisse der asiatischen Heilkunde wie auch der modernen Forschung bestätigt. Denn der Bauch ist viel mehr: Er ist eine sichere Entscheidungsinstanz. Probleme, die aus dem Bauch heraus gelöst werden, erweisen sich in vielen Alltagssituationen denjenigen Entscheidungen überlegen, die nur vom Verstand bestimmt werden. Hirnforscher wie der berühmte Antonio R. Damasio, die die Vorgänge im Gehirn mit dem Kernspintomografen untersuchen, gehen mittlerweile davon aus, dass es Entscheidungen, die ohne vorherige emotionale Bewertung vonstattengehen, nicht gibt. Der rein geistes- oder verstandesorientierte Mensch existiert demnach überhaupt nicht, denn jede Entscheidung ist eine Gefühls- und damit eine Bauchentscheidung. Der Verstand dient dann als eine Art Werkzeug des Bauchgefühls. Das Bauchgefühl ist dabei der Kompass, der anzeigt, wo es langgeht. Geahnt haben Sie das vielleicht schon längst: Spätestens seit Ihnen das letzte Mal »Ärger auf den Magen schlug«, Sie ein »mulmiges Gefühl« oder auch »Schmetterlinge im Bauch hatten«.
Denn diese körperlichen Symptome sind eindeutige Anzeichen dafür, dass in Ihrem Inneren etwas vor sich geht, dass sich die innere Stimme meldet und Ihnen etwas sagen will. Achten Sie auf diese Anzeichen; das ist der erste Schritt auf dem richtigen Weg.
Wie der Bauch »denkt«
Das menschliche Gehirn als vielschichtige und komplizierte Struktur ist zweifelsohne eines der größten Abenteuer für Wissenschaftler unserer Tage. Schließlich ist unsere Steuerzentrale im Kopf im Vergleich zu unseren nächsten tierischen Verwandten von beispielloser Komplexität. Neurologen, Biologen und Psychologen widmen sich jedem Teilsystem, um der Entstehung von Fähigkeiten wie Wahrnehmen, Erinnern, Fühlen und Denken, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, aber auch Glück und Traurigkeit, Mitgefühl und Spiritualität auf die Spur zu kommen. Unter Hirnforschern besteht sogar Übereinstimmung darin, dass man mit der Entschlüsselung unseres »Kopfgehirns« (im Unterschied zum »Bauchgehirn«, das im nächsten Absatz beschrieben wird) auch den Geheimnissen des Universums einen großen Schritt näher kommt.
Spannend in diesem Zusammenhang ist die Entdeckung des Gehirns im Bauch. Denn das, was im Bauch steckt, besteht nicht nur aus unästhetischen Eingeweiden und verborgenen Verdauungsvorgängen. Tatsächlich ist der menschliche Magen-Darm-Trakt von einem eigenen Nervensystem mit etwa 100 Millionen Zellen umhüllt. Dieses sogenannte enterische Nervensystem ist ebenfalls hochkomplex und wird deshalb auch als »Bauchgehirn« bezeichnet.
»Little brain« und »big brain«
Einige Forscher sind davon überzeugt, dass es sich beim Bauchgehirn um eine Art Kopie des Kopfgehirns handelt. Die Zelltypen und Andockstellen an den Körperzellen (Rezeptoren) des Magen-Darm-Traktes sind diesen Forschungen zufolge identisch mit denen der Steuerzentrale im Kopf und kommunizieren miteinander...