Die Qi-Mangel-Muster
Allgemeiner Qi-Mangel
Das chinesische Wort Qi hat viele Bedeutungen, unter anderem Kraft, Energie. Jede aktive Tätigkeit braucht und verbraucht Qi. Nach anstrengender körperlicher oder geistiger Aktivität, bei der viel Qi verbraucht wurde, fühlt man sich müde, schlapp, unkonzentriert und hungrig. Dieser Zustand entspricht im Prinzip einem allgemeinen Qi-Mangel. Ein solcher allgemeiner Qi-Mangel ist allerdings kein pathologischer Zustand, sondern gehört zum ganz normalen, alltäglichen Auf und Ab der Kräfte. Der Körper verlangt dann nach Nahrung und Ruhe, um die verbrauchten Ressourcen wieder aufzubauen. Ein gesunder Organismus kann einen solchen physiologischen allgemeinen Qi-Mangel durch Nahrungsaufnahme, Rasten und Schlafen in wenigen Stunden bzw. einem oder wenigen Tagen beheben.
Ein allgemeiner Qi-Mangel gilt nur dann als pathologisch, wenn er chronisch wird und unabhängig von Anstrengung oder fehlender Nahrungsaufnahme auftritt. Als Ursachen dafür kommen unter anderem eine Unterfunktion derjenigen Funktionskreise in Frage, die für die Produktion von Qi zuständig sind (Milz, Lunge, unterstützend auch die Niere), außerdem eine ungünstige Ernährung oder chronische, zehrende Erkrankungen.
Zeichen und Symptome:
- Blässe von Gesicht und Zunge, da das Blut vom Qi nicht ausreichend transportiert wird
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit, auch unabhängig von geistiger oder körperlicher Anstrengung auftretend, aber durch Anstrengung immer spürbar verstärkt; generell im Laufe des Tages zunehmend
- Kurzatmigkeit, weiche Stühle und Blähungen (streng genommen einem Qi-Mangel von Lunge bzw. Milz zuzuschreiben)
Milz-Qi-Mangel
Ein Milz-Qi-Mangel ist ein sehr häufiges Muster. Die Ursachen liegen oft in der ererbten Konstitution oder haben mit einer lange anhaltenden ungünstigen Ernährung zu tun. Ein Mangel an körperlicher Bewegung und übermäßiges Denken oder Grübeln können das Milz-Qi zudem schwächen. Bei Kleinkindern und älteren Menschen ist eine Schwäche des Milz-Qi bis zu einem bestimmten Grad physiologisch.
Zeichen und Symptome:
- Blässe von Gesicht und Zunge, eventuell leicht gelblicher Teint der Haut (v.a. an Händen und Füßen sichtbar)
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- rasches Ermüden der Muskulatur bei körperlicher Anstrengung, geringe Ausdauer der Muskeln
- große Anstrengung bei geistiger Arbeit, unklarer Kopf, Konzentrationsschwäche, Konzentration nur über kurze Zeiträume
- stetiges Kreisen der Gedanken, Neigung zum Grübeln
- weiche, ungeformte Stühle, eventuell auch nur im Abgang, in schlimmen Fällen chronischer Durchfall, aber meist ohne drängenden Stuhlgang
- Gefühl von Fülle oder Dehnung im Bauch, nicht im Oberbauch, sondern um den Nabel und unterhalb des Nabels, eventuell auch sichtbares Anschwellen des Bauchs
- eventuell Flatulenz, viele Winde, nicht unbedingt sehr übelriechend
- Müdigkeit nach dem Essen, besonders stark oft bei kohlenhydratreichen Speisen; die Verdauung wird als kräfteraubend wahrgenommen und nicht als Quelle von Kraft
- zeitweise starke Lust auf kohlenhydrathaltige oder süße Speisen (zum Beispiel Kekse, Kuchen, Brot, Nudeln; die Lust auf Schokolade hängt dagegen meist mit anderen Störungsmustern zusammen)
Das Milz-Qi sinkt ab
Dieses Muster wird einem Milz-Qi-Mangel untergeordnet. Die Symptome hängen dementsprechend häufig von einem schwachen Milz-Qi ab, allerdings kann das Muster sich manchmal durchaus auch unabhängig von einem Milz-Qi-Mangel zeigen, also auch dann, wenn die Milz in Bezug auf alle anderen Funktionen keine Schwäche zeigt. Die Ursachen für ein übermäßiges Absinken des Milz-Qi können dieselben sein, die wir bereits beim Milz-Qi-Mangel genannt haben. Außerdem spielt oft die Gewohnheit eine Rolle, über längere Zeit zu stehen, vor allem wenn dies in einem entspannten Zustand geschieht, also ohne dabei zu gehen oder anderweitig in Bewegung zu sein. Ein langsames und schrittweises Absinken des Milz-Qi kann im Alter als physiologisch gelten.
Zeichen und Symptome:
- es können Zeichen und Symptome eines Milz-Qi-Mangels vorhanden sein
- Vorfall (Prolaps) eines Organs, besonders von Magen, Gebärmutter, Anus oder Vagina
- chronischer Durchfall, weitestgehend unabhängig davon, was gegessen wird
- übermäßiger Vaginalausfluss
- starker und häufiger Harndrang, nicht unbedingt mit viel Urin
- ein Gefühl von Schwere oder ein nach unten ziehendes Gefühl im Unterbauch
Das Milz-Qi kann das Blut nicht halten
Auch dieses Muster wird einem Milz-Qi-Mangel untergeordnet. Wie beim vorhergehenden Muster können die Symptome häufig von einem schwachen Milz-Qi abhängen, aber sich manchmal durchaus auch unabhängig von einem Milz-Qi-Mangel zeigen. Die Ursachen für die Unfähigkeit des Milz-Qi, das Blut zu halten, sie dieselben, die wir bereits beim Milz-Qi-Mangel genannt haben. Außerdem spielen bei diesem Muster die Konstitution und das Alter eine wichtige Rolle.
Zeichen und Symptome:
- es können Zeichen und Symptome eines Milz-Qi-Mangels vorhanden sein
- Blutungen unterschiedlicher Art, sowohl in das Gewebe (z.B. Petechien, Blutergüsse) als auch aus den Körperöffnungen (Nasenbluten, Blut in Stuhl oder Urin, blutende Hämorrhoiden)
- verlängerte oder übermäßige Regelblutungen, spotting (spärliche Blutungen zwischen zwei Regelblutungen)
- generell sind die Blutungen eher schwach und das Blut kann relativ hell sein
Magen-Qi-Mangel
Ein Magen-Qi-Mangel kann eine Folge eines allgemeinen Qi-Mangels sein und lässt sich häufig bei insgesamt schwachen oder älteren Menschen beobachten. Oft ist er auch eine Spätfolge von Essstörungen oder übertriebenen und wiederholten Diäten. Der Einsatz von Säureblockern dämpft das Magen-Qi und kann es über längere Zeit auch anhaltend schwächen.
Zeichen und Symptome:
- verminderter Appetit, vor allem morgens auffallend wenig Appetit
- Völlegefühl im Oberbauch (Magengegend), während oder sehr bald nach einer Mahlzeit einsetzend, dadurch eventuell keine Aufnahme von ausreichenden Mengen an Nahrung
- langsame Entleerung des Magens, relativ lange Verweildauer der Speisen im Magen, nach einer ordentlichen Mahlzeit lange weder Hunger noch Appetit
- zu wenig Magensäure
Lungen-Qi-Mangel
Ein Lungen-Qi-Mangel ist häufig die unmittelbare Folge von akuten Atemwegserkrankungen und kann sich in diesen Fällen nach einiger Zeit von selbst bessern. Bei Rauchern gehört immer auch ein Qi-Mangel der Lunge mit ins Bild, der aber meist von anderen Mustern dieses Funktionskreises begleitet oder überlagert wird (Yin-Mangel, Schleim, Schleim-Hitze). Sehr oft folgt ein Qi-Mangel der Lunge aus einer Schwäche der Milz oder einem allgemeinen Qi-Mangel. Eine traurige Grundstimmung, eine schlechte Haltung oder eine oberflächliche Atmung in Folge fehlender körperlicher Bewegung geben ebenfalls einen Beitrag zu diesem Muster.
Zeichen und Symptome:
- Blässe im Gesicht, eventuell weißlicher, durchscheinender Teint
- oberflächliche, relativ rasche Atmung
- Kurzatmigkeit bereits bei geringer Kraftanstrengung (z.B. beim Treppensteigen)
- bei körperlicher Anstrengung oder tiefer werdender Atmung eventuell Keuchatmung oder leichtes Husten
- leise, kraftlose Stimme, langes oder lautes Sprechen wird als körperlich anstrengen empfunden
- spontanes Schwitzen tagsüber (nicht gemeint ist Nachtschweiß), auch das Gefühl von einer feuchten Körperoberfläche zusammen mit einem Gefühl von Schwäche
- traurige Grundstimmung, Introvertiertheit, häufig melancholische, der Vergangenheit nachhängende Stimmung, Schwierigkeiten damit, abzuschließen und loszulassen
- Anfälligkeit für Erkältungserkrankungen und/oder Luftzug, rasches und häufiges Frösteln und Niesen (Symptome eines schwachen Abwehr-Qi)
Herz-Qi-Mangel
Ein Herz-Qi-Mangel kann Folge einer langen Erkrankung oder – durch die enge Abhängigkeit von Qi und Blut im Herzen - eines starken Blutverlustes sein. Jede Art von lange anhaltender oder übermäßig starker Emotion kann zudem den Funktionskreis Herz stören und zu diesem Muster führen. Das Qi des Funktionskreises Herz leidet außerdem unter mangelnder körperlicher Fitness ebenso wie unter einer übertriebenen und der individuellen Verfassung nicht angepassten körperlichen Anstrengung.
Zeichen und Symptome:
- Blässe von Gesicht und Zunge
- bereits bei relativ geringer Anstrengung spürbarer Herzschlag (Palpitationen), eventuell zusammen mit Atemnot
- freudlose...