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Das Undenkbare fühlen - Religiöse Gefühle im Licht einer modernen Emotionskonzeption

Religiöse Gefühle im Licht einer modernen Emotionskonzeption

AutorAlexander Kühn
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl75 Seiten
ISBN9783638625579
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Philosophie - Sonstiges, Note: 2,3, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, 9 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Schon seit langer Zeit versuchen Menschen, sich ihre Gefühle zu erklären und zu begreifen, welche Rolle sie für ihr Leben spielen. Sie fragen unter anderem danach, wo ihre Gefühle herkommen, wozu sie sie brauchen und warum sie überhaupt da sind. Gefühle waren deshalb auch von Beginn an Gegenstand philosophischer, theologischer und naturwissenschaftlicher Betrachtungen. Heutzutage werden Gefühle nicht mehr als gottgegeben angesehen; man beschreibt und interpretiert sie jetzt vielmehr im Rahmen der Geistes- und Naturwissenschaften vor dem Hintergrund einer säkularisierten Weltanschauung. Gefühle werden daher gegenwärtig in erster Linie begriffen als (neuro)physische, psychische und soziale Phänomene. Diese moderne Sichtweise hat jedoch zur Folge, dass, zusammen mit der prämodernen christlich-theologischen Weltanschauung, weitgehend auch die gesonderte Reflektion der spezifisch religiösen Gefühle ad acta gelegt wurde. Religiöse Gefühle werden als solche einfach kaum mehr gesondert untersucht; im Zusammenhang verschiedener Gefühlstheorien behandelt man sie jetzt allerhöchstens noch am Rande als eine Unterart der 'natürlichen' Emotionen. Kann aber - die Frage erhebt sich an dieser Stelle - eine säkular orientierte Emotionstheorie von ihrem Standpunkt aus das Wesen dieser besonderen Gefühle wirklich adäquat erfassen, wenn sie sie ausschließlich als 'natürliche' Gefühle begreift? Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird dieser Frage nachgegangen - es wird untersucht werden, wie weit eine zeitgenössische, explizit areligiös ausgerichtete Emotionskonzeption (von Ronald de Sousa) in Hinblick auf religiöse Gefühle sehen kann und an welche Grenzen sie stößt.

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Leseprobe

II

 

Religion, Religiosität und religiöse Emotionen

 

Übersicht

 

Bestimmte Gefühle, sog. religiöse Gefühle, sind wesentlicher Bestandteil aller religiösen Erlebnisse. Sie sind mithin ein wichtiger Teil des religiösen Lebens und Erlebens überhaupt. Sie sind, vom Menschen her gesehen, die unmittelbarste Zugangsform zum Bereich des Religiösen und somit die wichtigste (jedoch nicht die einzige) Quelle jeder Religiosität. Diese Ansicht, die von verschiedenen Theologen, Religionswissenschaftlern und Philosophen vertreten worden ist, dient als gedankliche Basis für die nachfolgenden Ausführungen. Diese werden sich hauptsächlich auf die Frage konzentrieren, was religiöse Emotionen als solche auszeichnet, was ihre wesentlichen strukturellen Merkmale sind. Zur Illustration soll zudem anhand eines Beispiels ein typisch religiöses Gefühl kursorisch dargestellt werden.

 

Bevor jedoch auf religiöse Emotionen im Speziellen eingegangen wird, erscheint es der allgemeinen Verständlichkeit zuträglich, zunächst einige grundlegende und in verschiedenen Hinsichten kritische Bemerkungen vorauszuschicken, die zum einen das Religiöse bzw. die Religion als solche betreffen und die zum anderen das thematisieren, worum es im Rahmen von Religion (und damit auch in Hinblick auf religiöse Gefühle) im Wesentlichen geht: das Heilige bzw. Göttliche.

 

1 Die Religion und das Göttliche

 

1.1 Begriff und Wesen der Religion

 

Religiosität und Spiritualität spielen von alters her eine wesentliche Rolle im Leben der Menschen. In den unterschiedlichen Kulturkreisen finden sich vielfältige Zeugnisse, die belegen: schon vor langer Zeit begannen sich Religionen in jeweils unterschiedlicher Weise auszuformen und zu entwickeln. Die enge Verwobenheit mit den jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten brachte es mit sich, dass sich unterschiedlichste Religionsformen herausbildeten, die sich mehr oder weniger stark entwickelten und eigene Arten des Umgangs mit den Grundfragen des Religiösen hervorbrachten.

 

Angesichts des globalen Phänomens „Religiosität“ bzw. „Religion“ erscheint nun die Idee plausibel, philosophisch nach dem Wesen der Religion zu fragen und eine universal gültige und objektive Definition des Religionsbegriffes anhand formal-logischer Kriterien zu erarbeiten. Dies ist mehrfach und auf unterschiedlichsten methodischen Wegen versucht worden, doch es erwies sich immer wieder, dass der Versuch, eine allgemeingültige Definition von Religion zu formulieren mit vielen Problemen zu kämpfen hat[95]. Einige dieser Probleme werden im Folgenden beispielhaft aufgeführt:

 

Eine der Schwierigkeiten, Religion als solche zu definieren, resultiert aus der schon angedeuteten außerordentlichen Vielfalt religiöser Lebensäußerungen selbst. Verschiedene Religionen können auf ganz unterschiedlichen Ebenen existieren und so in wesentlichen Punkten unvergleichbar sein[96]: Während beispielsweise im Christentum das Bekenntnis zu einem Dogma für die Anhängerschaft maßgeblich ist, kann man im Hinduismus unterschiedlichen Mythologien, Dogmen oder Göttern anhängen. Hier gibt es keine für alle Anhänger verbindliche oder einheitliche religiöse Idee, vielmehr ist es die Zugehörigkeit zur Kaste, die über die Anhängerschaft entscheidet und auch darüber, an welcher Stelle in der religiösen Hierarchie sich der jeweilige Anhänger befindet.

 

Ein anderes Problem, das gleichfalls mit der Vielfalt der Religionsformen zusammen hängt, besteht darin, dass es umstritten ist, ob zu einer Religion eine explizite Gottesvorstellung gehören muss. Die meisten Religionen verfügen über eine solche, andere, wie der Buddhismus (zumindest einige seiner Ausprägungen), jedoch nicht. Wenn man diesen nun gleichfalls als Religion betrachten will, muss man ‚gottlose Religionen’ zulassen.

 

Eine weitere Schwierigkeit für die Bestimmung des Wesens und des Begriffs der Religion ergibt sich daraus, dass es sich bei den verschiedenen beobachtbaren Religionen nicht um statische Phänomene handelt; vielmehr sind sie gewachsene soziale Systeme unterschiedlicher Ausprägung, die zum einen eine lange (oft aber ungeschriebene und damit heute schwer zugängliche) Geschichte haben und die sich zum anderen kontinuierlich verändern. Keine religionswissenschaftlich oder religionshistorisch motivierte Untersuchung kann dem einen oder dem anderen Umstand tatsächlich in vollem Umfang gerecht werden, da ihr sowohl die historischen als auch die aktuellen Gegebenheiten nur in beschränktem Umfang empirisch zugänglich sind. Dies hat zur Folge, dass man im Rahmen dieser Forschungen immer auf Spekulationen und Hypothesen angewiesen ist, was seinerseits die Gefahr der Verzerrung des objektiven Bildes, das man zu gewinnen sucht, birgt.

 

Eine noch andere Problematik hängt mit der Frage nach dem Ursprung der Religion(en) zusammen. Diese Frage ist, abhängig vom jeweiligen wissenschaftlichen Standpunkt und den damit verbundenen Intentionen, auf unterschiedliche Art und Weise beantwortet worden: so findet sich beispielsweise das Postulat von einer Urreligion ebenso, wie die Überzeugung, dass alle Religiosität lediglich eine besondere Form der Triebsublimierung sei und nichts mit einem religiösen ‚Apriori’ zu tun hätte.

 

Die formal-logische und objektive Begriffs- und Wesensbestimmung der Religion als solcher erweist sich aufgrund dieser und noch anderer Schwierigkeiten also als nahezu unlösbares Problem – ein universal gültiger und brauchbarer Religionsbegriff ist nicht zu gewinnen und das Postulat vom Wesen der Religion erscheint als zumindest sehr fragwürdig.[97]

 

Zu den bisher genannten, eher religionswissenschaftlich gearteten Schwierigkeiten für die Begriffsbestimmung tritt noch eine ganz andere hinzu, die den Terminus der Religion selbst betrifft: dieser Terminus ‚Religion’ stammt aus der christlich-abendländischen Tradition. Das grundsätzliche Problem, das sich aus diesem Umstand ergibt, besteht darin, dass dieses Wort (was immer man im Einzelfall darunter verstehen mag) nur schwerlich auf andere Kulturkreise zu übertragen ist. Denn unter Umständen haben jene Kulturen gar keinen Begriff von dem, was Europäer mit ‚Religion’ meinen. Wer also den (vagen) Begriff auf andere Kulturen überträgt, kann nicht sicher sein, dort überhaupt etwas zu finden, das mit dem westlichen Verständnis von ‚Religion’ übereinstimmt. Und selbst in dem Fall, dass sich in der anderen Kultur etwas ‚Religionsartiges’ findet, auf das ein bestimmter Religionsbegriff anscheinend anwendbar ist, besteht die Gefahr, dieses fremde Religiöse zu verkennen, ihm also mit der eigenen Definition in seinem spezifischen Wesen nicht gerecht zu werden und unter Umständen definitorische Schnitte durch kulturell einheitliche Systeme zu machen.

 

Insbesondere diese letzte Problematik, aber auch die davor angedeuteten Schwierigkeiten, die die Bildung eines echten, universal gültigen Religionsbegriffes verhindern, veranlassen mich dazu, die nachfolgenden Ausführungen auf den geografischen und kulturellen Nahbereich des Religiösen beschränken, auf den Bereich also, mit dem sowohl die Begriffe und Konzepte, als auch die Methode, die ich hier verwende, in historischer Hinsicht am engsten verbunden sind. Die Termini ‚Religion’ und ‚Religiosität’ (und alle damit zusammenhängenden) werden nachfolgend in diesem Sinn verstanden und gebraucht: sie beziehen sich ausschließlich auf ‚das Christentum’[98].

 

1.2 Das Göttliche bzw. Heilige

 

Religion kann, einem einschlägigen Lexikon zufolge, im Wesentlichen verstanden werden „als erlebnishafte Begegnung mit heiliger Wirklichkeit und als antwortendes Handeln des vom Heiligen existentiell bestimmten Menschen.“[99] Aus philosophischer Sicht legt eine derartige Kennzeichnung zunächst die Frage nahe, worum es sich bei dieser ‚heiligen Wirklichkeit’ handelt, was sie als Objekt auszeichnet und wie sie definiert werden kann. Einen solchen ontologischen Bestimmungsversuch zu unternehmen erscheint jedoch von vornherein als nicht sehr erfolgversprechend vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dies bisher in der mehr als zweitausendjährigen Geschichte des Christentums nicht befriedigend gelungen ist. Obschon viele verschiedene Auffassungen über ‚das Heilige’ im Lauf der Geschichte der Philosophie und Theologie erarbeitet und formuliert worden sind, besteht der wesentliche gemeinsame Nenner (bei allen Unterschieden im Detail) vor allem in der Erkenntnis, dass die heilige Wirklichkeit letztlich unerkennbar, unbeschreiblich und unverfügbar ist. Es ist immer wieder deutlich geworden, dass sich weder die Existenz noch das Wesen noch die Eigenschaften dieser heiligen Wirklichkeit, die im Rahmen des Christentums die Bezeichnung ‚Gott’ trägt, mit den Mitteln des rationalen Denkens und Sprechens eindeutig und endgültig erfassen, beschreiben oder gar beweisen[100] lassen. Gott ist an sich nicht rational erkennbar und nicht definierbar – das Denken und die Sprache stoßen hier an eine Grenze.[101]

 

Bei erneutem und genauerem Hinsehen stechen in der oben zitierten Kennzeichnung der Religion die zwei Aspekte der „erlebnishaften Begegnung“ und des...

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