1. Kapitel
Besuch vom Sirius
Im Jahre 1950 veröffentlichte der Anthropologe Dr. Marcel Griaule gemeinsam mit der Ethnologin Dr. Germain Dieterlen einen wissenschaftlichen Bericht, der Dynamit enthielt. Dies in einer französischen Fachzeitschrift. [1] Die Publikation betraf den Stamm der Dogon, die in der westafrikanischen Republik Mali beheimatet sind. (Bild 1) Damals, in den 1950er-Jahren, erkannte niemand die Brisanz des Artikels. Erst 25 Jahre später brachte ein amerikanischer Linguist die Bombe zur Explosion. [2] Robert Temple heißt der stille, tiefsinnige Forscher, dem die Ungeheuerlichkeit von Griauls Arbeit ins Gehirn gestochen war. Die beiden Franzosen hatten nämlich geschrieben, der Stamm der Dogon im tiefen Afrika kenne die exakte Umlaufbahn und – zeit von »Sirius B«. Das war glattweg unmöglich, denn Sirius B ist ein sogenannter »Weißer Zwerg«, ein winziges Neutronensternchen also, das mit bloßem Auge überhaupt nicht sichtbar ist. Erst 1834 hatte der Astronom Friedrich Wilhelm Bessel (1784–1846) über längere Zeit hinweg den Sirius – den hellsten Stern am Nordhimmel – beobachtet und gemerkt, dass dieser kuriose, wellenartige Bewegungen vollführte. Wo doch Fixsterne eigentlich deshalb Fixsterne heißen, weil sie (scheinbar) fest am Himmel stehen. Woher kamen also die Bewegungen? Irgendetwas musste den Sirius beeinflussen. 1862 entdeckte der amerikanische Optiker Alvon Graham Clark (1804–1887) mit einem neu konstruierten Teleskop exakt an der Stelle, an der Bessel ihn berechnet hatte, einen winzigen Stern. Man bezeichnete ihn als Sirius B. Wegen des geringen Abstandes zum Sirius ließ sich die Helligkeit des neu entdeckten Begleiters nicht feststellen. Sirius B stand nicht etwa im Schatten, sondern im zu hellen Licht seines großen Bruders. Inzwischen ist Sirius B als Weißer Zwerg registriert. Das sind kleine Sterne mit einer sehr hohen Dichte. Sirius B hat einen Durchmesser von 41 000 Kilometern, ist aber von gleicher Masse wie die Sonne. Wegen dieser ungeheuren Schwere beeinflusst Sirius B die Bahn des hellen Sirius. Daher die von Bessel registrierten Wellenbewegungen. Doch von all dem konnten die technisch unerfahrenen Dogon in Mali nichts wissen. Sie kannten keine Teleskope. Und ihre Vorfahren erst recht nicht. Was also wussten sie wirklich, und woher kam ihr Wissen?
Bereits 1931 hatte Dr. Marcel Griaule die Dogon studiert, die heute auf dem Plateau von Bandiagara und in den Homoribergen Malis leben. Ihre Stammessiedlungen bestehen aus einfachen Steinhütten mit darüber gestülpten Strohdächern. (Bild 2 bis 4) Doch die Mythologie der Dogon begann Dr. Griaule zu faszinieren, denn sie führten bestimmte Tänze auf, die eindeutig etwas mit dem Stern Sirius zu tun hatten. 1946 reiste Griaule abermals nach Westafrika. Diesmal begleitete ihn die Völkerkundlerin Germaine Dieterlen. Sie arbeitete damals als Generalsekretärin der Societé des Africanistes im Musée de l’Homme in Paris. Das Team Griaule/Dieterlen ermittelte, dass die Dogon alle 50 Jahre eine spezielle Zeremonie veranstalteten: das Sigui-Fest (Reis-Fest). Dazu schnitzten sie kunstvolle Masken und ritzten Kerben in bemalte Holzpfähle, die Daten symbolisierten. (Bild 5 bis 8) Die Sigui-Zeremonie beruht auf dem Wunsch der Erneuerung, denn die Dogon glaubten, »die Seelen ihrer Verstorbenen würden zum Stern Po wandern«. [3] Den Zeitpunkt des Festes bestimmt die Umlaufbahn von Po Tolo. Das Wörtchen Po steht für das kleinste Getreidekorn, das die Dogon kennen. Und dieses Körnchen symbolisiert bei ihnen den unsichtbaren Sirius B, der sich in einem gemeinsamen Schwerpunkt um den hellen Sirius dreht. (Der botanische Name für Po lautet Digitaria exilis.) Die Dogon-Priester wissen, dass Po unsichtbar ist, dass er unendlich klein ist und den Stern Sirius etwa alle 50 Jahre umkreist. Zudem ist ihnen bekannt, dass Po extrem schwer ist und sich innerhalb eines Jahres einmal um sich selbst dreht. Aus Zeichnungen der Dogon ist ferner ersichtlich, dass Po zwar um den hellen Sirius herumkreist, dabei aber keine runde Bahn um den Stern zieht.
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© Peter Fiebag, Northeim
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© Erich von Däniken, CH-3803-Beatenberg, Schweiz
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Nicht genug damit. Die Dogon berichten von einem weiteren Begleiter des Sirius, den sie Emme Ya nennen. Auch dieser Stern umkreist den Sirius, ist aber etwas größer als Po. Zudem – und damit wird’s unheimlich – soll sich um Emme Ya ein Mond drehen, genannt »Stern der Frauen«. Sogar ein dritter Begleiter des Sirius ist den Dogon bekannt. Sie nennen ihn Schuster. Der wiederum sei weiter entfernt von Sirius als Po und Emme Ya, zudem bewege er sich in entgegengesetzter Richtung.
14 Jahre nach ihrem ersten Bericht legten Griaule/Dieterlen weiteres Material über die Dogon vor. [4] Sie bewiesen blitzsauber, dass die astronomischen Kenntnisse der Dogon nicht nur Sirius betrafen, sondern auch unser eigenes Sonnensystem. Die Dogon kannten die Umlaufbahn der Venus und auch die des Jupiters. 1970 ergänzte die Tochter von Marcel Griaule, Madame Geniève Calame-Griaule, die Arbeiten ihres verstorbenen Vaters. In dieser Erweiterung erfährt man die Antworten nach dem WOHER des Dogon-Wissens. [5] Amma hieß der Urgott, der die Sterne aus Erdklumpen erschuf, die er in den Raum schleuderte. Nommo brachte das Wissen zu den Dogon.
Alles ein bisschen viel für einen technologisch unterentwickelten Stamm in Afrika. Stimmt denn ihr Wissen überhaupt?
Sirius ist seit dem Altertum bekannt. Die Ägypter verehrten ihn, denn Sirius entsprach der Göttin Isis. Sirius wird auch in babylonischen Texten erwähnt, und selbst antike Historiker und Politiker wie Ptolemäus, Cicero, Horaz oder Seneca berichteten über ihn. Sirius stellt ein Doppelsternsystem dar, bestehend aus dem weißen Hauptstern der Spektralklasse A5V (1,8 Mal größer als unsere Sonne) im Sternbild des großen Hundes, sowie dem kleinen Begleiter Sirius B, einem massereichen Weißen Zwerg, der den Hauptstern in 50 Jahren einmal umkreist. Sirius liegt rund acht Lichtjahre von uns entfernt, ist ein Stern erster Größe und der hellste Stern am Nordhimmel. Über Sirius B wissen wir erst seit 1862 Bescheid. Er wird in keiner antiken Literatur erwähnt. Seit einigen Jahren sind weitere Begleitsterne um Sirius bekannt. In der Astronomie werden sie als »Sirius CB« und »Sirius D« bezeichnet.
Das alles ist unheimlich. Auf natürliche Weise, etwa durch Beobachtung, konnten die Dogon nichts von Sirius B wissen, nichts von seiner Umlaufzeit um Sirius A, die 50 Jahre betrug, nichts von seiner Größe und schon gar nichts von seiner Masse. Noch unmöglicher ist ihr Wissen um andere Begleitsterne im Sirius-System. Dennoch besitzen sie es. Sie nennen die Objekte Emme Ya und Schuster.
Selbstverständlich ist versucht worden, das Wissen der Dogon irgendeinem Missionar unterzujubeln, der einst Mali besuchte. Diese Gegenargumente sind in der Literatur längst zerpflückt und widerlegt worden. [3, 6] Zudem fertigten die Dogon für ihre rituellen Tänze Holzmasken an, die vor dem Haupthaus aufbewahrt werden. (Bild 9 bis 11) Diese Masken können bis ins 15. Jahrhundert zurückdatiert werden. Und seit das Sigui-Fest zelebriert wird, musste der Dorfvorsteher einen Behälter aus den Fasern des Affenbrotbaumes flechten, der mit einem Honigüberzug wasserdicht gemacht wurde. Darin gor das Festbier. Dieses Rohprodukt wurde allen Familien zugeteilt, sie mischten es dann unter ihr eigenes Gebräu. Nach den Festlichkeiten wurden alle Gärbehälter am Zentralbalken des Haupthauses aufgehängt. Der Patriarch Ongnonlu Dolo, einer der ältesten Vorsteher berichtete, sein Urgroßvater habe über die an seinem Haus hängenden Behälter hinaus acht weitere und viel ältere besessen. So ließen sich außer an den Masken auch an den Gärbehältern die Sigui-Feiern zurückverfolgen – bei Letzteren sogar bis ins 12. Jahrhundert. Über die Kritik, das astronomische Dogon-Wissen stamme von einem westlichen oder arabischen Besucher, der wohl etwas von Astronomie verstand und aus einer anderen Kultur kam, spottete der Geologe Dr. Johannes Fiebag: [7]
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»Setzen wir einmal voraus, irgendwelche völlig unbekannten, in keiner Aufzeichnung auftauchenden Astronomen oder Missionare hätten um die Jahrhundertwende nichts anderes zu tun gehabt, als von Europa aus nach Westafrika zu reisen, um einem dort abseits lebenden Stamm Neuigkeiten über Sirius mitzuteilen. Oder nehmen wir an, der Ethnologe Marcel Griaule habe im Hirsebierrausch sämtliche wissenschaftliche Anstandsregeln vergessen und den mit ihm feiernden Dogon-Priestern so begeistert und detailliert von Sirius B vorgeschwärmt, dass diese daraufhin gar nicht anders konnten, als derartige, für ihr heutiges Leben...