ER NAHM DIE KINDER IN SEINE ARME UND SEGNETE SIE
ÖKUMENISCHER FRIEDENSGOTTESDIENST, AUCH FÜR JUGENDLICHE
Dieser ökumenische Friedensgottesdienst zum Thema „Kinderrechte“ kann am 20. September, dem Internationalen Tag der Kinderrechte, oder am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, gefeiert werden.
Etwas angepasst an den jeweiligen Adressatenkreis ist er auch geeignet als Schulgottesdienst für ältere Schülerinnen und Schüler oder im Rahmen der Firmanden- oder Konfirmandenarbeit. Die Jugendlichen sollten dann an der Vorbereitung und Durchführung des Gottesdienstes beteiligt sein. Sinnvoll ist es, ein Liedblatt zu erstellen und eine musikalische Begleitung durch einen kleinen Chor und Instrumente sicherzustellen.
Kreuzzeichen
Den Namen des Vaters wollen wir ehr’n (Liederbücher)
Einführung
Eigentlich müsste ein Aufschrei durch unser Land gehen angesichts der nahezu täglichen Meldungen über das Leid von Kindern und Jugendlichen in der Welt. Doch ist es nicht leider so, dass wir oft gar nicht mehr hinhören und -sehen, wenn wieder einmal in den Medien berichtet wird, dass Kinder und Jugendliche unter Armut und Hunger leiden, auf der Flucht im Mittelmeer zu ertrinken drohen, zwangsrekrutiert werden als Kindersoldaten, dass sie auf der Straße leben, als Arbeitssklaven oder sexuell missbraucht werden? Am heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte (oder: der Menschenrechte) soll das anders sein. Wir wollen in diesem Gottesdienst bewusst machen, dass jedes Kind, jeder junge Mensch die gleiche Würde hat wie ein erwachsener Mensch. Ein Mann, der dies bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erkannt hat und sein ganzes Leben lang für die Umsetzung der Rechte und Bedürfnisse von Kindern gekämpft hat, war Janusz Korczak. Sein Vorbild zeigt, dass Erwachsene die Verantwortung dafür tragen, dass die menschliche Würde von Kindern nicht verletzt wird und ihre Rechte gestärkt werden.
Lied
Wie viele Straßen auf dieser Welt (Liederbücher)
Psalm
Ps 8 (Übertragung von Jörg Zink)
Hören wir einen uralten Psalm in einer Fassung von Jörg Zink, in dem jedem Menschen, vor allem auch dem kleinen Kind, eine besondere Würde in den Augen Gottes zugeschrieben wird.
Herr, unser Herrscher, wie herrlich, dass du da bist! Dein Glanz strahlt aus dem Himmel über die Welt hin.
Wenn Kinder dich anrufen,
ja wenn eben Geborene schreien,
rühmen wir dein Werk und freuen uns deiner Macht.
Da sind uns leeres Gerede die Reden der Mächtigen,
die nichts wissen als das Gesetz ihres Hasses
und das Gesetz ihrer Rache.
Wenn ich den Himmel sehe, das Werk deiner Finger,
den Mond und die Sterne, die du geformt hast –
was ist der Mensch, dass du an ihn denkst,
(was ist) das Kind eines Menschen, dass du es lieb hast?
Du hast ihm fast die Würde eines himmlischen Wesens gegeben.
Mit Schönheit und Adel hast du ihn gekrönt.
Du gabst ihm den Auftrag,
Herrscher zu sein über alles, was du geschaffen.
Alles legtest du ihm zu Füßen:
Schafe und Rinder und die wilden Tiere überall.
Die Vögel unter dem Himmel
und die Fische im Meer
und was immer im Meer sich bewegt.
Herr, unser Herrscher,
wie herrlich, dass wir dich kennen.
Wie gut, dass du da bist!
Jörg Zink – Q 1
Gebet
Vater im Himmel, du birgst in deiner unendlichen Liebe alle Menschen, Große und Kleine. Du willst nicht, dass irgendeinem oder irgendeiner die Würde genommen wird, denn du hast uns alle als deine Ebenbilder geschaffen. Wer Kinder missachtet und ihnen Leid antut, verstößt auf das Massivste gegen deinen Willen. Stärke die Einsicht, dass du die Kleinen und Schutzbedürftigen in den Mittelpunkt stellst und sie besonders wertschätzt. Darum bitten wir dich durch Christus, unseren Bruder, der mit dir lebt und liebt in alle Ewigkeit.
Lesung
Mk 10,13–16
Ansprache
Diese kleine Episode zeigt sehr eindrücklich, wie wichtig für Jesus die Kinder sind. Er respektiert und beachtet sie, die von den Großen und Mächtigen so schnell übersehen, beiseitegeschoben und missachtet werden. Für die Jünger damals zählten Kinder nicht, sie hatten zu ihrer Zeit keinerlei Rechte, standen auf der untersten Rangstufe. Mit derart unwichtigen Kleinen wollten die Jünger Jesus nicht behelligen. Überraschend eindeutig fällt Jesu Reaktion aus. Er wendet sich ganz den Kindern zu, umarmt und segnet sie. Damit zeigt er den Jüngern, wie sehr Gott Kinder liebt. Unmissverständlich stellt Jesus klar, dass das Reich Gottes für alle Menschen da ist und erst recht für die Schutzbedürftigsten, Kleinsten und Geringsten.
Erst im Jahre 1989 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention verabschiedet. So lange hat es gedauert, bis Kindern die grundlegenden Rechte auf Leben, Schutz, Bildung und Entwicklung zugestanden wurden und festgelegt wurde, dass die Menschenrechte auch für Kinder gelten. Kinder im Sinne der Konvention sind alle jungen Menschen zwischen null und 18 Jahren. Leider besteht heute immer noch sehr oft eine große Kluft zwischen den international verbrieften Kinderrechten und der Lebenswirklichkeit. In fast allen Ländern der Welt werden existenzielle Grundrechte von Minderjährigen in unterschiedlicher Weise verletzt. Besonders besorgniserregend ist, dass fast jedes zehnte Kind weltweit im Krieg lebt. So werden in der Bürgerkriegsregion Syrien den Kindern die Rechte auf Unversehrtheit, Gesundheit, Nahrung, Bildung und Leben vorenthalten. Sie werden zum Teil als Geiseln gehalten, als Kinderkrieger eingesetzt – an Schulbesuch ist fast gar nicht mehr zu denken. Schrecklich ist es, dass weltweit rund eine viertel Million Kinder von Armeen oder Milizen zu Kindersoldaten zwangsrekrutiert werden und das Töten lernen. Eine große Mitschuld an solchen unmenschlichen Praktiken, die jungen Menschen jegliche Perspektive für ein normales Leben rauben, tragen Länder durch ihre Waffenexporte – auch Deutschland und die USA. Viel zu hoch ist immer noch die Zahl der Kinderarbeiter, die oft wie Sklaven 17 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ausgebeutet werden, z. B. in den Garküchen oder Steinbrüchen Indiens, in den Teppichknüpfereien in Nepal, als Haushaltshilfen oder als Fischfänger in Indonesien, in Goldminen auf den Philippinen. Besonders schlimme Verstöße gegen Kinderrechte sind der steigende sexuelle Missbrauch von Kindern, unter anderem durch sogenannte Sextouristen, sowie zunehmende Formen von Kinderprostitution und -pornographie durch das Internet. Was soll nur werden aus diesen vielen traumatisierten Kindern, die so viel Gewalt, Willkür und Ausbeutung erfahren anstelle von Liebe, Frieden und Geborgenheit? Wie sollen aus ihnen jemals später verantwortungsbewusste Erwachsene werden?
Mut machen können Menschen wie der große Humanist Janusz Korczak, geboren 1878 in Warschau, der gesagt hat: „Die Leiden der Kleinen sind keine kleine Leiden. Daher müssen wir ihnen helfen und ihnen zuhören.“ Er entschied sich, sein Leben ganz den Kindern zu verschreiben, um ihre Rechte durchzusetzen. Seine Karriere als Kinderarzt, Pädagoge und erfolgreicher Autor gab er auf, um sich seinen zwei Waisenhäusern zu widmen. Dort setzte er ein für die damalige Zeit revolutionäres Erziehungssystem um, das den Kindern das Recht auf Meinungsfreiheit, Beteiligung und Versammlung einräumte. Nach seiner Überzeugung mussten Kinder geachtet und geliebt werden. Seine Liebe zu den Kindern war so groß, dass er am 5. August 1942 freiwillig den Zug in das Vernichtungslager Treblinka bestieg – zusammen mit den 200 Kindern aus seinem inmitten des jüdischen Ghettos in Warschau gelegenen Waisenhaus. Obwohl er Gelegenheit bekam, sein eigenes Leben zu retten, verließ er seine Schützlinge nicht, sondern versuchte vielmehr, ihnen beizustehen und ihre Angst zu mindern. Er begleitete sie bis hinein in die Gaskammer.
Solange immer noch Kindern in allen Ländern unserer Welt elementare Menschenrechte vorenthalten werden, ist der von Janusz Korczak als Vorreiter geführte Kampf für die Menschenrechte von Kindern weiterhin notwendig. Jedes Kind, das geboren wird, ist ein Grund, die Welt zu gestalten und die Zukunft besser zu machen. Nehmen wir uns ein Wort, das Korczak hinterlassen hat, zu Herzen: „Es ist nicht hinnehmbar, die Welt in dem Zustand zu lassen, in dem man sie vorgefunden...