Das Geistestraining: Der Pfau überwindet Gifte15
von Dharmarakshita
1. Kapitel
„Pfauen wandeln in Wäldern voller starker Gifte“
Ich werfe mich nieder vor dem edlen Yamantaka.16
In seinem Leben als Prinz „Alles Befreiender“ (Vishvantara)
verschenkte (der werdende Buddha) Söhne, Töchter und sein Königreich.
Genauso solltest auch du Reichtum, Begleiter usw. –
wie sehr du auch an ihnen hängen magst – ohne Bedauern weggeben.
In seinem Leben als Prinz „Großer Mut“ (Mahasattva) ernährte er eine Tigerin mit seinem eigenen Fleisch.
Genauso solltest auch du deine geliebten Skandhas, diesen illusorischen Körper, mit Freuden den fleischfressenden Dämonen übergeben.
In seinem Leben als König „Kraft der Liebe“ (Maitribala)
ernährte er einen Yaksha mit seinem eigenen Blut.
Genauso solltest auch du dein warmes Herzblut,
von dem du dich so schwer trennen kannst, voller Liebe den Bluttrinkern geben.17
In seinem Leben als Kaufmannssohn „Der ins Wasser fallen lässt“ (Jalavahana),
zog er Fische durch Rezitieren der Namen der Sugatas heraus.18
Genauso solltest du allen Menschen, denen es an Dharma mangelt,
das Geschenk des authentischen Dharma machen.
In seinem Leben als Prinz „Großer Lehrer des Heilsamen“ (Mahakalyanartha)
ertrug er die irregeleiteten Handlungen19 von Papartha mit Mitgefühl.
Genauso solltest du Begleiter, die sich in irregeleitetem Verhalten und schlechten Eigenschaften verstrickt haben,
voller Mitgefühl mit umso mehr Liebe behandeln.
In seinem Leben als Affen-Bodhisattva
zog er einen Menschen, der viel Unheilsames gesammelt hatte, aus dem Brunnen heraus.
Genauso solltest du, auch wenn schlechte Menschen den Nutzen nicht verstehen können,
sie voller Mitgefühl (aus ihrer misslichen Situation) herausziehen, ohne Dankbarkeit zu erhoffen.
O weh, es gibt niemanden, der niemals Vater oder Mutter für uns war.
Im Daseinskreislauf gibt es keinen Moment (wirklichen) Glücks.
Auf Schlechtes mit Schlechtem zu antworten ist (so illusionär) wie ein Esels-Horn20.
Wenn du jetzt die Lebensbeispiele des Helden, des großen Muni,
nicht respektvoll aufnimmst und die Gegenmittel übst,
wird die Praxis der Helden für dich nicht möglich sein.
Deshalb gib dir Mühe, auch um den Preis deines Lebens.
Diejenigen, die dem Sugata folgen möchten, nachdem er (diese Welt) verlassen hat,
sollten sich in ihrem Bewusstseinsstrom auf eine solche Praxis verlassen.
Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich das Glück und Wohlergehen der Menschen erschöpft.21
Dieses also ist der glückliche Dharma22 der Helden:
Was auch immer dir begegnet, gib dir Mühe, auch um den Preis deines Lebens.
Dieses ist die Praxis, die die Helden unternehmen.
Es ist das erste Kapitel, das Extrahieren der Essenz23 aus dem Gift.
2. Kapitel
„Pfauen wandeln in Wäldern voller starker Gifte“
Ich werfe mich nieder vor dem edlen Yamantaka.
Hört, all ihr Helden, die ihr nach dem Sinn strebt!
In den Wäldern von Samsara, in der Nähe der schönen Pfauen
und der Bäume der Fünf Geistesgifte,
findet keinen Gefallen an der Medizin, die durch Gift gereift ist!24
Wenn ihr dem giftig kochenden Wasser der Handlungen aus Begierde
nicht etwas anderes entgegensetzt, das der Begierde ähnlich ist,
besteht die Gefahr, dass die Begierigen falsch handeln.
Überwindet Gifte wie Begierde und Anhaftung.
Wenn ihr den giftig lodernden Blumen des Hasses
keine zornvolle Erscheinungsweise wie Yamantaka zeigt,
besteht die Gefahr, dass die Hassvollen zum Hindernis werden.
Befreit hinderliche Feinde wie den Hass (im Dharmakaya).
Wenn ihr im giftigen Sumpf der Verblendung25
nicht so viel Geduld aufbringt wie die Leiche eines Menschen,
besteht die Gefahr, dass Personen mit schlechten Eigenschaften unheilsame Handlungen ansammeln.
Meditiert deshalb über die Wesensgleichheit, die der Verblendung ähnlich ist.26
Wenn ihr im üppigen Giftbaum der Eifersucht
nicht „außen“ und „innen“ unterscheidet als sei es „mein“ und „dein“,
besteht die Gefahr, dass die Lehre durch Tirthikas usw. zerstört wird.
Deshalb schützt den echten Dharma so, als wäret ihr eifersüchtig!
Wenn ihr dem lodernden Giftbaum des Hochmuts gegenüber
keine zornvolle Erscheinung annehmt als wäret ihr hochmütig,
besteht die Gefahr, dass euch die Scharen der Maras in die Irre führen.
Deshalb haltet die Lehre des Muni und überwindet eure Gegner!
Deshalb müsst ihr in dieser Weise ausnahmslos alle Gifte,
diese illusionsgleichen Erfahrungen von Leerheit-Erscheinung ohne wahrhafte Existenz,
in das eine (Gift) von (aus sich selbst existierendem) Ich und Mein zusammenziehen
und es wie ein Pfau als Speise verzehren!
Obwohl ihr euch im Geist anderer auf verschiedenste Weise zeigen mögt,
verliert niemals in eurem Innersten die sichere Disziplin der Gegenmittel,
nehmt heilsame Handlungen an und vermeidet unheilsame selbst um den Preis eures Lebens.
Sollte es auch Leiden mit sich bringen, richtet euch freudig auf die Erleuchtung aus!
In gleicher Weise: Selbst wenn ihr in allen Wissensgebieten auch noch so gelehrt seid,
solange ihr euer eigenes Wohlergehen und Glück nicht übergehen könnt,
besteht die Gefahr, dass ihr materiellen Vorteilen zuliebe Anhaftung und Hass entwickelt.
Deshalb schlagt die Selbstsucht27 wie einen diebischen Hund!
Wenn ihr euch nicht in die Nähe der Weisen28 begebt
und euren Geist in der Schrifttradition übt,
besteht die die Gefahr, dass ihr schlecht über die Weisen redet.
Deshalb macht euch mit allen Wissensgebieten vertraut!
Wenn ihr, obwohl ihr Tag und Nacht Leiden erfahrt,
nicht über die allgemeinen Nachteile des Daseinskreislaufs nachdenkt,
besteht die Gefahr, dass ihr noch mehr Ursachen für Leiden schafft.
Deshalb verankert die Nachteile des Leidens in eurem Herzen!
Obwohl dies so sein mag, stützt euch auf unerwünschte Leiden:
(nutzt sie) als Gegenmittel, um das Haften am Selbst zu überwinden.
Selbst wenn sich Billionen von Mara-Armeen als eure Feinde erheben,
weist ängstliche Gedanken euch selbst betreffend zurück!
Es ist möglich, durch die Arbeit zum Nutzen anderer in schlechte Daseinsbereiche zu geraten.
Empfindet trotzdem keine Reue, sondern bleibt mit Freude dabei!
Auch wenn der Henker, der unseren Atem rauben will, unseren Körper schlägt,
nehmt keine Dienste29 an, die (nur) euch (allein) zum Nutzen sind.
Selbst wenn ihr das schlechte Karma aller Lebewesen zu tragen hättet,
da ihr tragt, was euch zu tragen zukommt, macht aus euren Schwierigkeiten keine große Sache.
Wenn eine ansteckende Krankheit euren Körper befällt,
verpasst nicht die Mittel, sie abzuwenden (mit der Ausrede), dass es euer eigener Fehler sei.30
Wenn euch nichts in dieser Weise Unerwünschtes widerfährt,
werdet ihr niemals mit dem Erwünschten beginnen können.
Wenn die Weisen damit umgehen, wird alles Unerwünschte ohne Ausnahme
zur Quelle des Erwünschten. Deshalb nehmt es freudig an.
Solltet ihr durch die freudige Annahme des undankbaren Verhaltens anderer
die Rüstung der Helden nicht in dieser Weise...